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Die ersten Jahre des neuen Jahrhunderts sind geprägt von kriegerischen Vorgängen, die von manchen als Auseinandersetzungen zwischen den europäischen und islamischen Zivilisations-räumen verstanden werden, von anderen jedoch als Wiederaufleben der Kämpfe zwischen Zentrum und Peripherie unter postkolonialen Bedingungen.

Die Ausstellung "Pierre Bourdieu: Der Algerienkrieg und die Fotografie" thematisiert die Rolle der Fotografie in diesem Spannungsfeld. Sie zeigt neben bislang kaum bekannten Beispielen aus der Blütezeit der journalistischen Reportagefotografie - vor dem Aufstieg des Fernsehens zum Leitmedium - vor allem beeindruckende Fotografien zu den alten und neuen Gesell-schaften des Nahen und Mittleren Ostens, die in wissenschaftlicher, bewusst nicht-journalistischer Absicht entstanden. In Anknüpfung an die Doppelausstellung Leonore Mau und Hubert Fichte im Herbst 2005 bezieht das Haus der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg damit erneut Position für eine vielfältige, alle Praktiken der Fotografie einbe-ziehende Reflexion über die historischen und gegenwärtigen Möglichkeiten des Mediums.

Der erste Teil der Ausstellung zeigt unter dem Titel „In Algerien: Zeugnisse der Entwurzelung“ Fotografien des später welt-weit bekannten französischen Sozialwissenschaftlers Pierre Bourdieu (1930 - 2002). Erst kurz vor seinem Tod gelangten seine Bilder aus dem Algerien der antikolonialistischen Befreiungskämpfe an die Öffentlichkeit. Sie dokumentieren in eindrucks-voller Weise die Widersprüche, Ungleichzeitigkeiten und vielfältigen Formen des Elends in diesem „riesigen gesellschaftlichen Laboratorium“ (Bourdieu) und reflektieren den Konflikt zwischen Kolonialherrn und der nach Selbstbestimmung strebenden muslimischen Bevölkerung. Christine Frisinghelli (Camera Austria, Graz) und Franz Schultheis (Fondation Pierre Bourdieu, Univer-sität Genf) kuratierten diesen Ausstellungsbereich für das Haus der Photographie, nachdem diese Bilder bereits in anderen Zusammenhängen an verschiedenen Orten zu sehen waren.

Angeregt durch Bourdieus Fotos entstand als zweiter Ausstellungsteil die erste umfassende Darstellung zur Rolle der Fotografie in diesem heftigen Konflikt, kuratiert von Robert Fleck und Ingo Taubhorn (Haus der Photographie). Neu ausgewählt aus dem reichen, noch wenig erschlossenen Bestand der Hamburger Medienarchive wurden unveröffentlichte Reportagen u. a. von Max Scheler und Rolf Gillhausen. Neben Beispielen der Berichterstattung der großen illustrierten Wochenmagazine PARIS-MATCH und STERN sind Amateuraufnahmen von Soldaten und Fremdenlegionären zu sehen sowie noch nie gezeigte Fotografien von Angelika Platen (1964) und Manfred Willmann (2006).

„Pierre Bourdieu: Der Algerienkrieg und die Fotografie“ ist Teil des seit Oktober 2002 geplanten Gemeinschaftsprojekts „Kunst und Demokratie“ mit dem Haus der Kunst, München und der Schirn Kunsthalle Frankfurt (alle bis 3. September 2006).

Die Ausstellung und das umfangreiche Rahmenprogramm beruhen auf einer Kooperation mit der Fondation Pierre Bourdieu, Genf, dem Forschungsnetzwerk ESSE, Camera Austria, Graz, dem Kunstraum der Universität Lüneburg sowie dem Hamburger Programmkino Metropolis. Mit Fotografien aus den Hamburger Bildarchiven des SPIEGEL und des STERN.

Pressetext

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Kunst und Demokratie:
Pierre Bourdieu - Der Algerienkrieg und die Fotografie

Kunst und Demokratie / gemeinsames Ausstellungsprojekt:
15.06.06 - 03.09.06 "Die Eroberung der Straße" Schirn Kunsthalle, Frankfurt
14.06.06 - 03.09.06 "Ein Blick für das Volk. Die Kunst für alle" Haus der Kunst München
23.06.06 - 03.09.06 "Der Algerienkrieg und die Fotografie" Deichtorhallen Hamburg