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ERÖFFNUNG: 1. MAI 2009 AB 19 UHR

In ihren Bildern bewegt sich Pola Sieverding zwischen Dokumentation und Inszenierung, wechselt von distanzierter Sachlichkeit zu dezidierter Subjektivität und greift dafür sowohl auf journalistische als auch auf genuin künstlerische Arbeitsweisen zurück. Die Aufnahmen in der Ausstellung Cadavre Exquis sind an so verschiedenen Städten wie Berlin, New York und Ramallah entstanden und zeichnen sich trotz dieser unterschiedlichen Entstehungsorte durch eine deutlich spürbare thematische und ästhetische Konsequenz aus.

Subkultur. Immer wieder nimmt Pola Sieverding Menschen in den Fokus, die sich als Teil einer Subkultur oder einer alternativen Kultur verstehen, wie beispielsweise dem Hip Hop, der New Yorker Gay Scene, verschiedenen Metal-Richtungen oder der Berliner Clubszene. Auf den meisten ihrer Fotografien sind einzelne Menschen zu sehen – es geht darin also nicht um die Darstellung der jeweiligen Kultur als kollektiver Bewegung, sondern vielmehr um die Darstellung individueller Personen, die sich im Moment der Aufnahme in einer bestimmten Pose zeigen. Die Künstlerin bezeichnet diese, oft aus nächster Nähe aufgenommenen, Bilder einzelner Akteure (wobei hier Akteur ganz wörtlich zu verstehen ist) als Behauptungen von Portraits, denn oftmals verhüllen sie mehr als dass sie preisgeben, unterlaufen also – vordergründig – den klassischen Anspruch des Portraits, die wahre Persönlichkeit des Portraitierten preiszugeben.

Aktives Beobachten. Ihre eigene Position begreift Pola Sieverdings als die der aktiven Beobachterin. Nur so – einerseits involviert, andererseits durch die Kamera distanziert vom Geschehen – können der Künstlerin solch konzentrierte Bilder gelingen, deren Intimität es mitunter vergessen lässt, dass sich die gezeigte Person wahrscheinlich nicht in einer geschützten Ateliersituation, sondern umgeben von anderen Menschen in einem (halb-) öffentlichen Raum befindet.

Queerness. Wir sehen den stachelbewehrten Metal-Sänger, den Tänzer im Ganzkörpernetzanzug, einen Mann mit leuchtendem Make-up, eine verschleierte Frau – sie alle verkörpern unterschiedliche gesellschaftliche Konzepte und Positionen und füllen diese nicht zuletzt mit Hilfe von Requisiten und Maskeraden aus. Auffallend ist, dass Sieverding dabei häufig auf Protagonisten zurückgreift, deren natürliches Geschlecht bisweilen schwer eindeutig zu erkennen ist. Sie dienen als besonders eindrückliche Beispiele für Queerness im Sinne von Uneindeutigkeit, als Synonym für die Befreiung von festen Zuschreibungen und Normen. Ebendiese fragilen und hybriden Portraits führen vor Augen, wie eng unsere gesellschaftlichen Paradigmen an Festlegungen von Geschlecht und Sexualität geknüpft sind. Hierin manifestiert sich im übrigen eine Perspektive Sieverdings, die durchaus als feministisch zu bezeichnen ist.

Temporäre Subjektentwürfe. Pola Sieverding versteht ihre Bilder als Angebote temporärer Subjektentwürfe, als kritischen Kommentar gegenüber gängigen Unterscheidungsprinzipien. Darin drückt sich auch ihr Interesse am Maß der Selbstbestimmung eines jeden aus. Angesichts dessen ist folgerichtig, dass die Künstlerin Aufnahmen aus verschiedenen Kulturen miteinander in Beziehung setzt: in nebeneinanderstehenden Portraits dienen sowohl westliches urbanes Nachtleben als auch Alltagsgeschehen in östlichen Krisengebieten als Folie – das gesellschaftliche Konzept von Konvention und Normalität verliert auf diese Weise vollends an Relevanz und wird grundsätzlich in Frage gestellt.

Text von Barbara J. Scheuermann

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Pola Sieverding
CADAVRE EXQUIS