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Eröffnung: 21.06.07–19.00 Uhr

Mit einer großen Personale würdigt das MUMOK den international angesehenen und zu den wichtigsten Künstlern der Nachkriegszeit zählenden deutschen Maler Sigmar Polke. Eine Retrospektive führt maßgebliche Werke aus den Sammlungen Frieder Burda, Josef Froehlich und Reiner Speck zusammen. Sie ist mit über 170 Arbeiten eine der größten Polke–Ausstellungen der letzten Jahre und die erste umfassende Präsentation des Künstlers in Österreich.

Die Ausstellung bietet durch das einzigartige Zusammenwirken der Polke – Schwerpunkte in den einzelnen Sammlungen eine umfangreiche und differenzierte Gesamtübersicht der Werkentwicklung, in der mit Ausnahme der Fotografie alle 'Polke-Genres' vertreten sind. 60 großformatige Bilder und mehr als 110 Arbeiten auf Papier aus den letzten vier Jahrzehnten belegen die Themenvielfalt und den Stilpluralismus des 1941 in Ostschlesien geborenen, heute in Köln lebenden Künstlers. Sein dichtes Frühwerk ist ebenso wie seine jüngeren, mit malerischen Techniken und Materialien experimentierenden Arbeiten von Übergängen und Wechselspielen zwischen Figuration und Abstraktion, von der Bezugnahme auf kunsthistorische Tradition und mediale Bilderflut, von konzeptueller Reflexion und farbig ornamentaler Sinnlichkeit bestimmt.

Noch als Student der Düsseldorfer Kunstakademie begründete Polke mit seinem damals langjährigen Freund Gerhard Richter und anderen Künstlern den 'kapitalistischen Realismus', der sich kritisch und ironisch mit der von den Verheißungen der Warenwelt geprägten Pop-Art, dem 'sozialistischen Realismus' und dem Mythos der Moderne auseinandersetzte. Mit Kugelschreiber zeichnete er banale Urlaubs- und Werbesujets auf billiges Papier oder monumentalisierte sie ironisch in Tafelbildern wie etwa Liebespaar (1967) oder Reis (1963). Den Kunstbetrieb und ein überhöhtes Künstlerbild persifliert er respektlos in dem berühmten Bild Höhere Wesen befahlen… (1969) oder der im Bild Moderne Kunst (1968). In den späten 60er Jahren wurden so genannte Stoff- und Rasterbilder zu seinem Markenzeichen. Mit kritischem Blick und ironischer Distanz richtete er seine Aufmerksamkeit auf Träume und Verheißungen der aufblühenden Konsum- und Freizeitgesellschaft: Bedruckte Stoffe oft mit Motiven an der Grenze zum Kitsch, dienten als Untergrund für Malereien wie Dürer Hase (1968) oder Carl Andre in Delft (1968). Gleichzeitig wandte sich Polke der Bildproduktion der Massenmedien zu. Anfangs malte er gedruckte Vorlagen ab, die er karikaturistisch überzeichnet. In der Folge interessierte er sich zunehmend für die Bildrasterung und übertrug vergrößerte Zeitungsfotos auf Leinwände. Die Raster entwickeln sich teilweise zu selbständigen Ornamenten und überlagern die Bildinhalte, wie in den bekannten Bildern Freundinnen (1965/66) oder Interieur (1966). In einer Geste der Selbstparodie verwandelte er wiederum die gedruckten Rasterpunkte in bunt gemalte Punktgestalten wie in Kartoffelköppe (Mao &LBJ) (1965) womit er sich humorvoll von seinem eigenen Ausdrucksmittel distanziert.

Über die Jahre erweiterte Polke seine Bildsprache durch eine Vielzahl neuer stilistischer, formaler und inhaltlicher Aspekte. Lack- und Schüttbilder, die in nur bedingt steuerbaren Malprozessen entstehen und nachfolgenden Veränderungsprozessen ausgesetzt sind, bringen ihm die Bezeichnung eines Alchimisten unter den Malern ein. Mit Chemikalien aus der Fotografie untersuchte er seine Malmittel auf ihre Licht- und Wärmeempfindlichkeit. Wie von fremden Kräften bewegt verlaufen Farben auf Stoff und suggerieren Sujets – was Polke augenzwinkernd kommentiert wenn er sein Bild Tischerücken (1981) nennt. Farbenprächtige großformatige Gemälde werden aus sich überlagernden Lackschichten aufgebaut. In Arbeiten wie Gangster (1988) bezieht er durchscheinende Materialien und die damit sichtbare Rahmenkonstruktion in die Komposition ein oder spielt mit der Rasterung als raumgebendes Element wie im Werk Weißer Raum.

Hinter Polkes Spiel mit Widersprüchen und Klischeevorstellungen, den humorvollen Kommentaren und Bilderrätseln steht ein humanistisches und kulturkritisches Ethos. Die Personale belegt die unglaubliche Bandbreite seines Schaffens und dessen formale und thematische Vielfalt.

Die Ausstellung ist nach dem Museum Frieder Burda in Baden Baden im MUMOK Wien vom 22. Juni bis 7. Oktober 2007 zu sehen.

Kurator Edelbert Köb

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Sigmar Polke. Eine Retrospektive
Kurator: Edelbert Köb

Stationen:
03.02.07 - 13.05.07 Museum Frieder Burda, Baden-Baden
22.06.07 - 07.10.07 MUMOK Wien