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03.06.2022 - 01.10.2022

Potosí-Prinzip - Archiv
kuratiert von Alice Creischer und Andreas Siekmann
mit Harun Farocki, Lois Hechenblaikner und Miguel Hilari

Herzliche Einladung zur Ausstellungseröffnung und Sommerfest am Freitag, 03.06.22 um 19:00 Uhr

Der europäische Kapitalismus ist nicht denkbar ohne die Ausbeutung von Menschen und Natur in Lateinamerika während der Kolonialzeit. Er kann nicht als losgelöstes einzelnes Konzept gesehen werden, sondern ist vielmehr das Ergebnis einer Vielzahl von historischen Prozessen.

Die Minenstadt Potosí in Bolivien war der Ausgangspunkt für das Ausstellungsprojekt Das Potosí-Prinzip, kuratiert von Alice Creischer, Max Jorge Hinderer Cruz und Andreas Siekmann. Gezeigt wurde es 2010 im Reina Sofia Museum in Madrid und im Haus der Kulturen der Welt in Berlin. 2011 wanderte die Ausstellung weiter ins Museo Nacional de Arte und ins Museo Nacional de Etnografia y Folklore in La Paz, Bolivien.

Der Cerro Rico (dt. Reicher Berg) in Potosí war zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert eines der wichtigsten Silberabbaugebiete der Welt und brachte einen unvorstellbaren Reichtum nach Europa. 1557 entstand hier die erste Bergbau-Akademie. Auch heute wird in Potosí noch Silber und Zink abgebaut. Wie damals bleibt davon jedoch so gut wie nichts in Bolivien.
Das Silber schuf nicht nur eine entscheidende Dynamik für die Entwicklung der Industrie, des Bankenwesens, der kolonialen Handelskompanien und ihrer Kriegs- und Sklavenschiffe, sondern auch für die Vertreibung, Verelendung und Verfügbarmachung von Menschen zu Arbeitskräften. Es ist der Beginn eines Prinzips, das schon seit jeher global agierte.

Die Ausstellung erörterte dies anhand der kolonialen Barockbilder und ihrer Beantwortung durch gegenwärtige Künstlerinnen. Sie wurde zu einem Meilenstein in der postkolonialen Hinterfragung des Ursprungs der Moderne und der Funktion der Kunst darin.

Die Ausstellung Potosí-Prinzip – Archiv präsentiert nun das Archiv dieses Projekts, mit dem die Künstlerinnen Alice Creischer und Andreas Siekmann seine blinden Flecken erforschen wollen und erneut an die Frage anknüpfen, wo das Prinzip der globalen Ausbeutung heute noch zu finden ist.
Es besteht aus 36 Broschüren, die in vier Bände gefasst sind. Seine Themen sind: Extraktivismus, Arbeit, Schulden, Inquisition, Maschinenkapitalismus und Dekolonisierungspraktiken. Das Potosí-Prinzip – Archiv ist eine Sammlung von historischen und zeitgenössischen Quellen, Interviews, Essays, Gedichten, Manifesten und Bildern.

Die Stadt Schwaz in Tirol bezeichnet sich selbst als Silberregion und ist somit untrennbar von ihrer historischen Identität zu betrachten. Was einst zu großem Reichtum führte und die Fugger nach Schwaz brachte, um von dort aus als europäische Finanziers zu agieren, wird nach wie vor als Aushängeschild der Stadt genutzt.

Die Ausstellung in Schwaz versteht sich als Lesesaal.
Sie ist aber auch eine Art Werkzeugkasten für Bewusstseinsprozesse. Eine Gegenüberstellung von vergangenen Bildern und zeitgenössischen künstlerischen Beiträgen. Sie zeigt Prozesse, die sich nicht aufhalten lassen, aber neu gedacht werden müssen.