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Um 1730 ließ August der Starke die Schauwände des Grünen Gewölbes mit Hunderten von Arbeiten aus Bronze, Silber und Gold, aus Bergkristall, farbigen Edelsteinen, Elfenbein, Perlmutter und Straußeneiern füllen, die er von seinen kunstinteressierten Vorfahren geerbt hatte. Diese Schätze der Kurfürsten aus den Jahrzehnten um 1600 vereinten sich mit den spätbarocken Meisterwerken zu einem einzigartigen Gesamtkunstwerk. Die bisherige Dauerausstellung des Grünen Gewölbes im Albertinum schloss am 11. Januar 2004 und wird im Herbst am historischen Ort des augusteischen Schatzkammermuseums, im Dresdner Schloss, wieder eingerichtet. Dies ermöglicht es erstmals und einmalig, die wenig bekannten kurfürstlichen Schätze der Spätrenaissance in einer Sonderausstellung in großem Umfang und herausragender Qualität zu präsentieren. Ergänzt durch Kunstwerke aus der Rüstkammer, dem Kunstgewerbemuseum und der Skulpturensammlung kann so das Bild des Dresdner Renaissancehofes gezeichnet werden, eines Fürstenhofes, der um 1600 kulturell hoch entwickelt war und über internationale Beziehungen und große Ausstrahlungskraft verfügte.

Die Zeitspanne der Sonderausstellung beginnt gegen 1580. Sie endet um 1620, in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges, als der sächsische Hof der letzte Hort einer im Vergehen begriffenen subtilen Hofkultur war. In den Jahrzehnten zwischen 1580 und 1620 war das an Bodenschätzen und an verarbeitender Industrie reiche Kurfürstentum Sachsen die Führungsmacht der protestantischen Fraktion im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Der sächsische Hof bildete damit einen Machtfaktor von europäischer Dimension. Seine Herrscher setzten die dekorativen Künste, aber auch die Skulptur und die Architektur gezielt ein, um ihre Ansprüche zu untermauern und traten so in Wettbewerb zu den anderen Mächten des Reichs und Europas. Die aus diesem Grunde erworbene Schatzkunst der Spätrenaissance hat sich in den Dresdner Museen – wie an kaum einem anderen Ort Europas – in einer relativen Vollständigkeit erhalten. In ihren kulturellen Bestrebungen und in ihrer Sammeltätigkeit traten die sächsischen Kurfürsten der Renaissance – August (1553–1586), Christian I. (1586–1591), Christian II. (1591/1601–1611) und Johann Georg I. (1611–1656) – nicht allein in Wettbewerb zu anderen Territorialmächten des Reiches, sondern orientierten sich vor allem am geographisch nahe gelegenen Kaiserhof Rudolfs II. in Prag.

In der Ausstellung werden die vier kurfürstlichen Sammler in zeitgenössischen Porträts vorgestellt: August in einem ganzfigurigen Bildnis des sächsischen Hofmalers Hans Krell, das in der Nachfolge Cranachs d. Ä. steht, Christian I. in der von italienischem Geist geprägten Bronzebüste des Carlo di Cesare, Christian II. in der grandiosen Bronzebüste des Adriaen de Vries, einem Geschenk Kaiser Rudolfs II., und Johann Georg I. in einem 1617 geschaffenen ganzfigurigen Bildnis eines sächsischen Hofmalers, das ihn mit einem – ebenfalls ausgestellten – Antwerpener Prunkharnisch des Eliseus Libaerts zeigt.

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Werke der Goldschmiedekunst. Sie werden durch Arbeiten aus Edelsteinen, Elfenbeindrechseleien, Prunkkassetten und Sammlungsmöbel ergänzt. Fürstenbildnisse und prachtvolle Zeugnisse höfischer Repräsentation – Paradeharnische und Prunkwaffen – runden das Bild ab. Die Kunstkammer des Kurfürsten August, die einen spezifischen Schwerpunkt im Bereich der funktionsfähigen Werkzeuge von großer dekorativer Ausstrahlung besaß (heute in der Rüstkammer), bildet einen ersten Teil der Sonderausstellung. Neben den „Artificialia“ wird auch die kostbarste „Naturalie“ der Dresdner Kunstkammer, die kolumbianische Smaragdstufe, ein Geschenk Kaiser Rudolfs II., zu sehen sein. Unter Christian I. wurde die Kunstkammer mit einer weltweit einzigartigen Sammlung an Kunststücken aus gedrechseltem Elfenbein vermehrt, einer spezifischen Kunstform, in der sich exotische Materialien, höchste Kunstfertigkeit und technisches Verständnis verbanden. Dieser Bereich ist mit 20 Objekten umfassend in der Sonderausstellung vertreten. Zum ursprünglichen Bestand der Kunstkammer gehörten zudem drei Bronzestatuetten Giambolognas, die 1587 als Geschenk des Florentiner Großherzogs nach Dresden gelangten („Merkur“, „Nessus und Dejanira“, „Schlafende Nymphe mit Satyr“). Fünf weitere Arbeiten, teilweise mit sehr seltenen Sockeln, vervollständigen die Abteilung Renaissanceplastik in der Ausstellung. Bis 1619 gelangten zahlreiche figürliche Trinkgefäße aus Seeschnecken und Straußeneiern, insbesondere Werke des Leipziger Künstlers Elias Geyer, in die Kunstkammer. Ergänzt werden sie in der Ausstellung durch weitere Werke der Goldschmiedekunst, wie beispielsweise dem Automaten mit dem „Heiligen Georg als Drachentöter“. Die Seeschneckenpokale Geyers schaffen eine enge Verbindung zwischen der Kunstkammer und der Silberkammer. In letzterer wurde Prunk- und Gebrauchssilber verwahrt. In der Ausstellung kann die künstlerische Leistungsfähigkeit der deutschen Spätrenaissance mit fast 50 Werken eindrucksvoll und umfassend dargestellt werden. Unter den Exponaten befinden sich auch ausgesprochen großformatige Arbeiten, die sich in dieser Form nur sehr selten erhalten haben. Alle Goldschmiedewerke sind plastisch gestaltet oder reliefartig geschmückt. Ihr künstlerischer Anspruch überwog schon in ihrer Entstehungszeit den reinen Materialwert. Ebenfalls der Goldschmiedekunst zugehörig sind die Prunkkassetten des Grünen Gewölbes. Herausragend unter ihnen ist der vor 1590 wohl in Nürnberg entstandene Schmuckkasten, den Christian I. als Weihnachtsgeschenk von seiner Schwiegermutter, der Markgräfin von Brandenburg, erhielt. Ergänzt wird dieser Bestand seltener Kostbarkeiten durch eine juwelengeschmückte, mit Perlmutterplättchen belegte Arbeit des Nicolaus Schmidt aus Nürnberg sowie durch vier Ebenholzkästchen, die gleichfalls um 1600 in Augsburg entstanden. Zu den originären Werken der Schatzkunst in der Spätrenaissance gehören auch Arbeiten aus Bergkristall, die mit 15 Beispielen aus Mailand, Prag und Freiburg vertreten sind. Spezifisch sächsischen Charakter haben die elf Gefäße aus gedrechseltem Serpentinit, die zumeist Fassungen des Hofgoldschmieds Urban Schneeweiß besitzen. Sechs um 1580 geschaffene Prunkgefäße gehören zu den Inkunabeln des „Designs“. Die Serpentinarbeiten werden ergänzt durch zwei Stühle aus diesem sächsischen Gestein, die vom Hofgestalter Giovanni Maria Nosseni für Christian I. entworfen wurden. Unabdingbarer Teil des höfischen Lebens waren das Turnierwesen und die Jagd. Sie sind in der Ausstellung exemplarisch durch Meisterwerke der Rüstkammer vertreten. Einen Höhepunkt fürstlicher Selbstdarstellung bildet der silberne Prunkharnisch (mit zugehöriger Rossstirn), der 1590 für Christian I. geschaffen wurde. Ein Knabenharnisch für dessen Sohn Johann Georg (I.), vor 1592, sowie ein Harnisch zum „Welschen Gestech“ und ein Fußturnierharnisch ergänzen diesen Bereich der Repräsentationskultur. Rüstungen und Waffen dienten um 1600 oftmals als Diplomatengeschenke, so auch die künstlerisch herausragende Harnischbrust (Frankreich, um 1588) und zwei Garnituren, bestehend aus Rapier und Dolch (Italien, Ende 16. Jahrhundert), die in der Ausstellung gezeigt werden. Zum fürstlichen Wettbewerb gehörte neben dem Besitz von Prunkharnischen vor allem die Anlage und Pflege von Prunkwaffensammlungen. Zu den technisch ausgefeiltesten Arbeiten dieses Bereiches zählen die Kombinationswaffen sowie die Feuerwaffen. Letztere vereinen im besonderen Maße die Hochtechnologie ihrer Entstehungszeit mit höchstem kunsthandwerklichen Anspruch. Dies gilt auch für die in Dresden entstandenen Stichwaffen, die mit vier Objekten in der Ausstellung vertreten sind. Die fürstliche Jagd als ranggemäßer Zeitvertreib wird an einigen der kostbarsten Zeugnissen aus der Zeit um 1600 schlaglichtartig vorgeführt. Dazu gehören das Jagdhorn des Valentin Springer (Dresden 1575-1580), die früheste erhaltene Jägertrompete sowie die juwelenartig dekorierte, fünfteilige Jagdwaffengarnitur mit Türkisbesatz. Sie entstand 1606 in Dresden für Kurfürst Christian II. Einen Höhepunkt und zugleich den Abschluss der Ausstellung bildet der Kunstkammertisch für Johann Georg I., der mit seiner Vielzahl an Gerätschaften und Instrumenten fast einen eigenständigen Bereich einnimmt. Der Tisch, der an den Pommerschen Kunstschrank erinnert, wurde in Augsburg unter der Regie Philipp Hainhofers geschaffen und zählt zu den kostbarsten Exponaten der Ausstellung.

Die Präsentation der Kunstwerke wird von den Kuratoren in Hamburg, New York und Rom in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden entwickelt. Dieses Konzept ermöglicht es, in Deutschland, Italien und jenseits des Atlantiks eine spannende Ausstellung zu zeigen, die das jeweilige kulturelle Vorwissen der Besucher in besonderem Maße berücksichtigt. Ziel ist es, eine kaum bekannte Epoche sächsischer Kultur mit Leben zu erfüllen und so eine breitere Öffentlichkeit auf Dresden und seine Kunstschätze neugierig zu machen. Stationen der Ausstellung

Katalog Zur Ausstellung erscheint ein 320 Seiten starker, farbig bebilderter Katalog mit Beiträgen von Dirk Syndram, Jürgen Müller, Bernhard Heitmann, Wolfram Koeppe und anderen.

Pressetext

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Pracht und Macht. Der Dresdner Hof um 1620
Gemeinschaftsausstellung Grünes Gewölbe, Kunstgewerbemuseum, Rüstkammer, Skulpturensammlung

Stationen
10.6.04 -26-09.04 Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
29.10.04 - 01.30.05 Metropolitan Museum, New York
1.3.05 - 29.4.05 Fondazione Memmo - Palazzo Ruspoli, Rom