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Proof9 ist eine Gruppe von Künstlern, die gesellschaftliche Entwicklungen mittels Fotografie sichtbar machen wollen. In der ersten gemeinsamen Ausstellung „bodenlos“ zeigt Proof9 Belege für die wachsende Entfremdung zwischen Mensch und dem uns ernährenden Boden. Agrarsubventionen und die damit einhergehende Industrialisierung in der Landwirtschaft führen, zumindest in Europa und den westlichen Industrieländern, zu Überfluss und entwerten damit die Art der Nahrungsmittelerzeugung, die Boden und Landschaft schont und das Zusammenspiel der natürlichen Ressourcen respektiert. Zahllose Bio-Label suggerieren dem verunsicherten Verbraucher den Fortbestand einer kaum mehr existierenden Landidylle. Vor diesem Hintergrund gibt es aber auch interessante Ansätze, mit den Widersprüchen umzugehen: professionell organisiert werden überflüssige Lebensmittel von freiwilligen Helfern an Mittellose verteilt. Auf der Suche nach dem verlorenen Bezug zu Boden, Pflanzzeiten und Ernte betreiben andere Guerilla-Gardening oder Permakultur auf ungenutzten Brachen. Mit unterschiedlichen Stilmitteln der Fotografie gehen die Fotografen diesen gesellschaftlichen Entwicklungen nach. So stehen klassische Reportagen archaisch anmutender Arbeitswelten eher verschlüsselten Bildern von Jagd und Landarbeit gegenüber. Die Fotografie und speziell die hier gezeigten Bilder in der Brotfabrik, ermöglichen jedem Betrachter seine eigene, individuelle Einsicht. Geführt vom persönlichen Bildgedächtnis und Erfahrungsschatz wird jeder sein eigenes Bild machen wie „bodenlos“ wir agieren.

Bigi Möhrle durchquert die Republik und sammelt Eindrücke bei den unmittelbar betroffenen Bauern, die eine Wende der EU-Agrarpolitik mittels Sternfahrt beschwören. 69% der EU-Agrarsubventionen fallen auf 6% Großbetriebe. Allein in Deutschland werden jährlich 15 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgt. Irina Tübbecke begleitet die Menschen der „Berliner Tafel“, die monatlich 550 Tonnen beste Lebensmittel kostenlos verteilen – perfekt organisiert wie ein moderner Industriebetrieb. Die tiefe Sehnsucht, die durch Industrialisierung und Konsum hervorgerufene Entfremdung von der Natur zu überwinden, veranlasst vor allem Städter „Interkulturelle Gärten“ erblühen zu lassen. Peter Feldhaus entführt uns in einen Gegenentwurf zur Agrarindustrialisierung, in Rückzugsräume, entstanden aus einem systemischen Verständnis biologischer Kreisläufe. Anhand der Kulturpflanze Mais zeigt David Wieck Bilder des schönen Scheins. Aus dem Kontext unseres Alltags ist es uns scheinbar verwehrt, die ökologischen und gesellschaftlichen Schäden durch industrialisierten Maisanbau zu erkennen. Wie friedlich, gar idyllisch wirkt dagegen die so vollkommen exotisch deplatzierte Straußenfarm in der Nähe Berlins – eingefangen von Mark van der Maarel. Unsere Gesellschaft ist geprägt von der Jagd nach Profit. Mit Massentierhaltung wird Fleisch produziert, zu Lasten der Umwelt. Anke Großklaß befindet sich auf den Spuren archaischer Triebe: der Jagd. Archaisch mutet auch die Förderung von Salz aus einem vor 250 Millionen Jahren ausgetrockneten Ozean an. Dirk Opitz zeigt die Arbeit in der Saline Luisenhall - wie aus einer anderen Welt, aber mitten in Deutschland. In unserer Sprache gibt es Begriffe, die uns in einer Zeit des Lebensmittelüberflusses zwar geläufig, aber nicht gegenwärtig sind. Susanne Leibold zeigt in ihren Bildern Metaphern unserer verloren gegangen Bodenständigkeit. Die Bilder der Ausstellung der Gruppe Proof9 sind wie ein Blick in einen zerbrochenen Spiegel. Zu sehen sind Ausschnitte einer hochentwickelten Gesellschaft, die vermeintlich fest gegründet ist, aber letztlich doch bodenlos wirkt.

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Proof9
Bodenlos
Kuratorin: Petra Schröck

Künstler: Brigitte Moehrle, Irina Tübbecke, Peter Feldhaus, David Wieck, Mark van der Maarel, Anke Großklaß, Dirk Opitz, Susanne Leibold