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Eine Spitze, die sich in den Himmel bohrt. Ein rotes Tuch, das sich aufbäumt. Eine Reliefbühne mit geometrischen Kulissenteilen, die scheinbar beweglich sich zur Mitte und zurück schieben. Ein Stein, der lagert, der sowohl Natur als auch Kunst ist. In der Ausstellung »Duo« von Nicola Stäglich und Raimer Jochims sind die Werke geprägt von ihren innewohnenden Bewegungen, was die freie Form begünstigt, mit der beide arbeiten. Getroffen haben sich die beiden Künstler an der Städelschule in Frankfurt, wo Nicola Stäglich noch für eine kurze Zeit bei Jochims studiert hat, geblieben sind Anregungen, die sie in ihre eigenen Erfahrungen einarbeitet.

Nicola Stäglich hat sich der objekthaften Plastizität ihrer Werke schrittweise genähert. Am Anfang stand eine Bildsyntax von Horizontale und Vertikale, die sich allmählich um Wellenformen, diagonale Farbbänder und Streifen aus gegossener Farbe erweiterte. Farbige Rauminstallationen folgten, in denen das Bild die Ausdehnung auf die Wand erfuhr. Eindringliche Landschaftserlebnisse in Indien und den USA haben ihren Weg in ihr künstlerisches Farbempfinden und ihr Raumerleben gefunden; so lassen ihre Collagen und Reliefs noch den Tiefenraum der nordamerikanischen Canyons und deren geschichtete Farbabstufungen erahnen. Aus der Begrenzung der rectangulären Bildform heraustretend, gestaltet sie auch Reliefs in freiem Umriss, die aus übereinander gesetzten, kristallinen Ausschnitten eine bewegungsaktive Gestalt entwickeln. Wie z.B. die schlanke Stele, die sich wie diagonal gefaltet Stück für Stück nach oben windet. In ihren jüngsten Holzreliefs »sequences in light and shades« arbeitet sie sowohl mit größerer räumlicher Tiefe als auch stärkeren Farbkontrasten. Ellipsen, Kreissegmente und deren Negativformen, aus einer Platte geschnitten und in mehreren Ebenen übereinandergesetzt, setzen für das Bezüge suchende Auge ein intrikates Spiel der Anziehung, Abstoßung und rhythmischen Verschiebung in Gang.

Die darin anklingende Idee der Einheit, auf der alles Leben beruht, jedoch in Einzelteile zersplittert erscheint und nach Reunion verlangt, beschäftigt Jochims schon sein ganzes künstlerisches Leben. Dass seine mehrteiligen Papierarbeiten und Spanplattenbilder aus ein- und derselben Trägerfläche gerissen bzw. gebrochen sind, so dass sowohl der trennende Riss als auch die überbrückende Anziehungskraft wirksam werden, ist dafür nur ein Anzeichen. Sein gesamtes Oeuvre ist darauf ausgerichtet, die Farbe nicht allein »anzuwenden«, sondern in ein ihr gemäßes Verhältnis zur Form zu bringen. Mit seinem künstlerischen Werk und seinen begleitenden Reflexionen lehrt er bereits mehrere Generationen von Betrachtenden, auf die inhärenten Qualitäten von Farbe und Form zu achten.

So wird man durch diese Ausstellung gehen und bemerken, welche Tätigkeitsworte einem einfallen zu den Werken, welches Gefühl von Leichte oder Schwere sich einstellt, welche Beschaffenheit ein Farbeindruck besitzt. Zum Beispiel was für ein Kontrast in einer der Arbeiten entsteht zwischen einem verhältnismäßig glatten Farbrand und dem ausgefranst zackigen Unterriss des Papiers – eine unterdrückte Spannung, die durch die Expansionskraft des Rot, das sich nicht völlig darauf ausbreiten kann, verstärkt wird. Oder wie die Binnenformen in Nicola Stäglichs Reliefs aufeinander einwirken, sich faktische Abstände optisch verringern bzw. vergrößern.

Was dieses Duo hier zur Aufführung bringt, ist kein parallel geführter Gleichklang, sondern ein Stück mit selbstständigen Stimmen: wo sich die Motive in verschiedene Richtungen ausdehnen, in divergenten Tempi und Lautstärken erklingen und in der Harmonik belebend zusammentreffen.

Anette Naumann

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Raimer Jochims / Nicola Stäglich - Duo