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18. März bis 26. Juni 2022

Raimund Girke – Klang der Stille
Retrospektive

In diesem Jahr jährt sich der Todestag des Malers Raimund Girke zum 20. Mal. Aus diesem Anlass widmet das MKM Museum Küppersmühle dem Künstler eine umfangreiche Ausstellung, die Werke aus fast 50 Schaffensjahren umfasst und seinen bedeutenden Beitrag zur deutschen Malerei nach 1945 würdigt.

Ausgehend von gestisch-informeller Abstraktion gelangte Raimund Girke gegen Ende der 1950er-Jahre zu beinahe monochromen Bildern. Er reduzierte seine Palette auf wenige Farben und thematisierte diese als Lichterscheinungen, die er auf verschiedene Weise bis hin zur optischen Irritation rhythmisch strukturierte. Die zunehmende Verfeinerung des Pinselduktus führte Girke schließlich in den 1960er-Jahren hin zum Verzicht auf jede Malgeste: Mit der Verwendung der Spritzpistole erreichte er eine gleichmäßig-homogene Verteilung seiner nun fast ausschließlich weißen Farbe. Die Bilder dieser Zeit sind oftmals horizontal gegliedert oder in kaum mehr differenziert wahrnehmbaren Abschattungen und Hell-Dunkel-Übergängen fein gerastert. Sie sind eine Herausforderung an die Wahrnehmung des Publikums.

1963 formulierte Girke über diese Werke:

„…Ich will in meinen weißen Bildern den Bildraum nicht fixieren, sondern das Bild in ein Stadium führen, das über die Bewegung in der Fläche hinaus die unbegrenzte räumliche Bewegung ermöglicht. Diese beruht auf dem feinnuancierten, an- und abschwellenden Weiß. …Das Weiß entzieht sich jeder Festlegung, es scheint sich ständig auszudehnen und zu verändern. Es ist Ruhe und Bewegung zugleich, ist grenzenlos und nimmt dem Bild seinen materiellen Zustand…„

(aus: Raimund Girke – Texte 1960-1995 – Publikation zur Ausstellung im Kunsthaus Zug, 1995)

Zu Beginn der 1970er-Jahre verwarf der Maler die Spritztechnik wieder zugunsten einer ausdrucksstärkeren Gestik. In den Bildern dieser Zeit brechen breite Pinselstriche ihre eigene, weiterhin oft horizontal gestaffelte Ordnung dynamisch auf. Bewegung und Tiefe kommen in das Bildgeschehen, die Fläche wird zum Hell-Dunkel-Phänomen. Seit Mitte der 1980er-Jahre pulsiert Girkes Farbe in einem breiten Lichtspektrum, das nun auch Erdfarben oder tiefenwirksames Blau enthalten kann. Pinselstriche bewegen sich kraftvoll mit- und gegeneinander oder vernetzen sich in einem über das Bildformat hinausweisenden dynamischen Geflecht. Dabei ist das Malverfahren über die Pinselspuren immer deutlich ablesbar, was eine verblüffende Diskrepanz ergibt zu der spirituell-meditativen Wirkung dieser entgrenzten Werke jenseits von Fläche oder Raum.

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Raimund Girke (geboren am 28. Oktober 1930 in Heinzendorf, Niederschlesien, gestorben am 12. Juni 2002 in Köln) studierte von 1951 bis 1952 an der Werkkunstschule Hannover und anschließend bis 1956 an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf bei Georg Meistermann. 1959 erhielt er den Preis der Stadt Wolfsburg für Malerei, 1962 den Kunstpreis der Jugend Baden-Württemberg. Von 1966 bis 1971 war Girke Dozent an der Werkkunstschule Hannover, von 1971 bis 1996 Professor an der Hochschule der Künste Berlin. 1977 nahm er an der documenta 6 in Kassel teil und erhielt 1995 den Lovis-Corinth-Preis, 2002 den niedersächsischen Kunstpreis.

Raimund Girke besaß seit Anfang der 1980er-Jahre ein Atelier in Köln. 1995/96 fand eine umfassende Retrospektive seines Werkes im Sprengel-Museum Hannover, Von der Heydt-Museum Wuppertal, Saarlandmuseum Saarbrücken und der Kunsthalle Nürnberg statt.