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Rainer Ganahls Arbeit kennzeichnet die engagierte Auseinandersetzung mit Medieninformationen und Sprache im Zusammenhang mit aktuellen zeitgeschichtlichen Ereignissen. So sind die politischen und kriegerischen Konflikte im Gefolge des Terroranschlages vom 11.9.2001 sowie deren Darstellung in den Medien zentrale Themen in den neuen Arbeiten. In Malereien, Zeichnungen, Textinstallationen, Fotos und Videoarbeiten vermittelt Ganahl in der MUMOK-Factory nicht nur ein vielschichtiges Bild über die Zusammenhänge von Medienpolitik und politischer Realität, sondern zeigt auch Möglichkeiten der Reflexion und der Opposition.

Für die Werkserie der „News Paintings“ wählte Ganahl die Webseiten bekannter Nachrichtenagenturen und ließ sie von Assistenten in großformatigen Leinwandbildern abmalen. In der bewussten Rückführung von Bildschirminformationen in das traditionelle Medium der Malerei fängt der Künstler das Flüchtige digitaler Bilder ein und hebt es aus dem unablässigen Bilderfluss heraus. Sichtbar wird dabei sowohl die im alltäglichen Medienkonsum bereits verinnerlichte Absurdität der Ver- knüpfung von kommerzieller Werbung und Greuelberichten, als auch die marktschreierische Gleichschaltung kommerzieller und politischer Rhetorik. Darüber hinaus stellen diese Bilder eine Form zeitgemäßer Historienmalerei — mit allen kritischen Bezügen zu diesem Genre des 19. Jh. dar.

Auf das Aufdecken von Medienmanipulation zielen auch die bei Professionisten in Auftrag gegebenen Stickbilder und Keramiktafeln. So wird in der Serie des „Afghan Dialog“ die traditionelle lokale Technik der Seidenstickerei genutzt, um die Medienberichterstattung mit Stellungnahmen der von den Konflikten Betroffenen zu konfrontieren. In den Werkserien des „Iraq Dialog“ und des „Arab Dialog“ hat Ganahl dieses Konzept fortgeführt, indem er in Europa lebende Iraker bzw. Araber einlud, auf Keramiktafeln zu ausgewählten Medienzitaten eigene Kommentare zu malen. So werden unterschiedliche kulturelle Traditionen, Ideologien und Informationssysteme in einem Dialog der Widersprüche miteinander verknüpft, um monopolistische Behauptungen offen zulegen und den Betroffenen Stimme und Gehör zu verschaffen.

Auch das Erlernen der arabischen Sprache im Rahmen des seit Beginn der 90er Jahre als Kunstprojekt betriebenen Studiums fremder Sprachen ist Bestandteil von Ganahls Bezugnahme auf die neuen Konfliktherde im mittleren Osten. In der Videoserie „Homeland Security“ thematisiert er in verschiedenen Sprachen die Kontrolle von Individuum und Öffentlichkeit im Gefolge des 11.September und verweist auf die ihrerseits repressive und aggressive Dynamik dieser Kontrolle. So wird Sprache sowohl als Mittel der Macht wie auch als Instrument der Gegenwehr und der Machtkontrolle erfahrbar. Das Eingehen auf das Fremde und Andere in Form der Sprachstudien signalisiert in Ganahls Arbeit nicht zuletzt eine Voraussetzung für Identitätssuche. Den Zusammenhang zwischen Securityindustrie und Sprachkompetenz hat Ganahl selbst erfahren, indem er durch seine vielfältigen Sprachkenntnisse und sein Lernverhalten immer wieder den Verdacht geheimer politischer Agitation erweckte.

In seiner Videoarbeit „Damaskus Bicycling“ filmt der Künstler vom Rad aus das lebendige Straßenbild der syrischen Hauptstadt. Er bewegt sich ohne mit den Händen die Lenkstange zu halten in gefährlicher Manier durch den dichten Verkehr und gibt damit einen Verweis auf latente Bedrohungspotenziale in scheinbar alltäglichen und friedlich anmutenden Umräumen.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Rainer Ganahl, Francesco Manacorda und Paul Mattick

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