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Ausstellungseröffnung : Donnerstag, den 08.11.2007

Horrorszenarien. Ein unüberblickbares Nebeneinander von Gewalt- und Zerstörungsakten, ein Chaos gleichzeitig ablaufender Gräuel. Aus allen Ecken fault, trieft und scheißt es. Ein Netzwerk aus Schnüren und Ketten hält lose die Choreographie zerberstender Leiber und herausgerissener Glieder zusammen, die zugleich von scharfen Projektilen, von Spritzen, Nägeln und Klingen perforiert, durchdrungen werden. Noch in den Momenten der Agonie, mit unerklärlicher Lust an Zerstörung und Vernichtung, krallen sich monströse Wesen, die Zwitter, Zombies, verschiedene Kreuzungen zwischen Mensch und Tieren, wie sie diese Bilderwelt bevölkern, ineinander, verbeissen sich, penetrieren und zerreissen einander – nur eine schiere Lust an der Destruktion kann es sein, die all diese Ereignisse zusammen hält. Ralf Ziervogels Zeichnungen befassen sich, wiederholt, mit der grausigen Schönheit von Qual, Zerstörung und Sterben, geben diesen Schrecken eine Ordnung. Vor das (sehr oft großformatige) Weiß des Zeichenpapiers platziert er elegante, wenigstens auf den ersten Blick ornamental-freie Arrangements: Figurenkonstellationen und -verkettungen, die sich erst nach und nach in all ihrer virtuosen/perversen Delikatesse erschließen lassen. En miniature, bis in feinste Details hinein aber immer mit Aufmerksamkeit für das Bildganze, die All-over-Balance der Kompositionen ausgearbeitet, spielt sich dabei Unglaubliches ab; geschieht – an allen Stellen gleichzeitig – der blanke Horror. Vermehrt bezieht Ziervogel neuerdings auch den Ausstellungsraum in seine Arbeit ein. Er organisiert seine Ausstellungen als lose motivisch organisierte Tableaus, die verschiedene Wahrnehmungsebenen adressieren. „Equilibrium“, seine erste Einzelpräsentation bei SixFriedrichLisaUngar, lässt sich beinahe allegorisch, gerade auch als Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Umgang mit Sterben und Tod auffassen. Wenn teils verwelkte Blumen vor einem vor dem Hauptraum der Galerie installierten Tor einen Link zum mittlerweile mythischen Tod von Lady Di herstellen und auf das ‚formale’ Arsenal ritualisierten Totengedenkens und kollektiver Gedächtnispflege anspielen, wie es zumal in diesem Jahr, zum zehnten Todestag der Princess wieder zu verzeichnen war, ist gleichzeitig ein Entree geschaffen, das dazu einlädt die, zugleich notwendig vertraute wie allzu oft verdrängte Thematik, aus vielfacher Perspektive zu beleuchten. „Equlibirium“ bietet dazu eine Art ‚Erlebnisraum’ an, der einerseits auf polaren Setzungen, (wie im hinteren Raum der Galerie im Zusammenspiel von flächiger Wandgestaltung und Objekt) basiert aber zugleich auch Zeitlichkeit anspricht. Zwei monumentale Zeichnungen zeigen, was übrig bleibt, einen Körper in zwei Zuständen der Verwesung: als Fressen für die Fliegen. „Equilibrium“ referenziert Popkultur ebenso wie die Jahrhunderte alte Tradition der vanitas-Darstellung. Zugleich kunstvoll-artifizieller Doom packt die Ausstellung freilich direkt da an, wo es weh tut; zeigt, reichlich illusionslos, den Weg alles Irdischen.

Hans- Jürgen Hafner

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Ralf Ziervogel : Equilibrium