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Der estnische Künstler Raul Keller gehört zu einer neuen Generation osteuropäischer Künstler, die auf eine ganz eigene Weise Komposition und Performance, Medien- und Klangkunst verbinden. Seine Arbeiten bewegen sich virtuos in den unterschiedlichsten Bereichen zeitgenössischer Kunstpraktiken. Sie umfassen ortsspezifische Klanginstallationen, Performance und freie Improvisation, Radiokunst, Fotografie und Videokunst ebenso wie experimentelle Rockmusik. Fast immer ist seine Kunst prozessual – so auch in der Klanginstallation "moondur / shifter".

Im Zentrum der Installation steht eine große, in den hohen Lichthof des Ausstellungsraums implantierte Klangskulptur: ein von der Decke hängendes Objekt aus zwei großen, mit Seilen verbundenen und übereinander positionierten Schallmembranen, gefertigt aus speziell behandeltem Leinwandstoff. Unter den schwarz grundierten Stoffen befindet sich jeweils ein Tiefbass-Lautsprecher, der je nach Tonhöhe bzw. Schalldruck die Membranen zum Schwingen bringt. Die monochromen Leinwände verwandeln sich so in bewegte, rhythmisch schwingende bzw. bebende Flächen.

Die Idee vertikaler Dynamik, die die skulpturalen Aspekte der Arbeit auszeichnet, bildet auch den Kern der klanglichen Seite der Installation. Senkrechte Klangverlagerungen und Klangbewegungen zwischen der unteren und oberen Membran durchziehen den Raum. Die Klangbewegungen in der Skulptur werden zudem durch ein Mikrofon abgenommen, gefiltert und zusammen mit anderen klanglichen Texturen über vier kleine Lautsprecher in den Ecken des Ausstellungsraums als eine Art atmosphärische Grundierung in den Raum zurückgespielt. Leichte mikrotonale Verschiebungen dynamisieren die Klänge ebenso wie raumspezifische Reflexionen und Feedbacks. Ein permanenter Fluss von Klängen, die sich selbst in einem ständigen Verformungsprozess befinden, fließt zwischen den Membranen auf und ab. Gleichzeitig werden ihre Schwingungsmuster als bewegtes Bild auf den Membranen abgebildet.

Der Begriff "moondur" steht im Estnischen für Verlagerung bzw. Verschiebung. Raul Keller benutzt ihn hier in einem doppelten Sinne: einerseits als räumliche Verlagerung von Flächen, Klängen bzw. Klangbewegungen, andererseits in der übertragenen Bedeutung als Wahrnehmungsverlagerung zwischen klanglichen und visuellen Prozessen.

Raul Kellers Ausstellung bildet den Auftakt des neuen Residenzprogramms von »singuhr—projekte«, mit dem die künstlerische Produktion selbst noch stärker ins Zentrum der Arbeit rückt. Projektresidenzen für nationale und internationale KlangkünstlerInnen verbunden mit Talks und Präsentationen, gefolgt von einem abschließenden Ausstellungsprojekt mit einer raumbezogenen Klanginstallation sind die Inhalte eines neuen modularen Programms, das in den nächsten Jahren den künstlerischen Schwerpunkt der Arbeit von »singuhr — projekte« bilden wird.

singuhr — projekte im Kunsthaus Meinblau Auf dem Pfefferberg, Haus 5 Christinenstr. 18-19 10119 Berlin