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Reihe "Ist Kunst noch frei?"
Liu Bolin

Kuratorin: Andrea Wolter-Abele

Ein für seine künstlerische Idee auslösender, aber auch traumatischer Moment für Liu Bolin war, als er 2005 in der Provinz Shandong hilflos den Polizisten zusehen musste, wie sie das Künstlerdorf, in dem er lebte und arbeitete, aus wirtschaftlichen Gründen vollkommen zerstörten und vernichteten.
Um das Erlebnis festzuhalten und zu verarbeiten, malte sich Liu Bolin,im Gesicht und auf seinen Kleidern in der Farbe der zerstörten Wände und abgebrochenen Dachziegeln an. Vor der Ruine seines Ateliers ließ er sich dann fotografieren und es schien, als würde er mit den abgebrochenen Wänden seiner Arbeitsstätte verschmelzen. Mit seinem unbewegten Körper drückte er einen stillen Protest aus, der für die Freiheit und den sozialen Status des Künstlers kämpft.
Seit dieser Zeit beschäftigte sich der Künstler in den Fotoserien „Hiding in the City“ mit den sozial-politisch motivierten Fragen in Bezug auf die politische Entwicklung Chinas. So stellte sich Liu Bolin in den Jahren von 2006 bis 2011 vorrangig vor Wänden oder Orten, die politische Slogans enthielten, mit denen die Regierung die Öffentlichkeit zu manipulieren suchte. Indem er sich camouflageartig der Umgebung angepasst hatte, negierte er jegliche Individualität, um dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf den Hintergrund und so auf seine Kritik zu lenken.
2011 entwickelte Liu Bolin eine Serie mit verschiedenen Modelabels wie beispielsweise Gaultier, Lanvin, Missoni, oder Valentino. Ungeachtet der Tatsache, dass sich die eine oder andere Persönlichkeit auch hinter Modelabels verstecken kann, stellte sich für den Künstler vielmehr die Frage nach der historischen Komponente der Handelstätigkeit und des Warenaustausches zwischen Ost und West, die sich dahingehend entwickelte, dass die chinesischen Konsumenten mehr und mehr die westlichen Marken bevorzugten. Indem Liu Bolin die Modeschöpfer selbst in ihren Kleidern und Stoffen verschwinden ließ, klagt er die fehlende chinesische Kreativität an, um gleichfalls darauf hinzuweisen, dass das Leben allein über die eigenen individuellen Wünsche definiert ist.
Liu Bolins Kunst wurde nach 2005 innerhalb kürzester Zeit sehr populär. Doch als der Künstler 2008 sein erstes Video über seine Kunst ins Netz stellte, verbreitete sich seine Kunst scheinbar über Nacht.
Liu Bolin wird seinen Aufenthalt in Ludwigsburg dazu nutzen, 2 weitere Performances in Ludwigsburg durchzuführen und zu gestalten.
Dr. Andrea Wolter-Abele