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Roberto Burle Marx: Tropische Moderne

Roberto Burle Marx (1909–1994) war ein Renaissancemensch des 20. Jahrhunderts: Landschaftsarchitekt, Maler, Bildhauer, Bühnenbildner, Designer und Umweltaktivist. Während seiner mehr als 60-jährigen Laufbahn gestaltete er weltweit über 2.000 Gärten und entdeckte auf Expeditionen fast 50 neue Pflanzenarten. Gleichzeitig schuf er eigenständige Objekte von außergewöhnlicher Schönheit.

In seinem Heimatland Brasilien wird Burle Marx zusammen mit den Architekten Lúcio Costa und Oscar Niemeyer als Wegbereiter der heimischen Moderne verehrt, dessen Entwürfe für die Hauptstadt Brasília und vor allem für Rio de Janeiro das Gesicht dieser Metropolen nachhaltig geprägt haben. Seine revolutionäre, an abstrakter Malerei orientierte Landschaftsarchitektur genießt bis heute internationales Ansehen. Kaum bekannt hingegen ist sein restliches Œuvre.

Nach ihrer Premiere im New Yorker The Jewish Museum 2016 ist die Schau „Roberto Burle Marx: Tropische Moderne“ jetzt in der Deutsche Bank KunstHalle zu sehen. Die Ausstellung veranschaulicht erstmals in Deutschland die gesamte Bandbreite eines künstlerischen Schaffens, in dem es keine Grenzen zwischen unterschiedlichen Medien und Disziplinen gibt. Das dokumentieren vor allem Burle Marx’ Gouachen und Zeichnungen für Landschafts- und Stadtgestaltungen, die den Auftakt der Ausstellung bilden – etwa für den 1938 entworfenen Dachgarten des von Niemeyer, Costa und Le Corbusier erbauten Bildungs- und Gesundheitsministeriums, den Parque do Flamengo in Rio de Janeiro (1961) oder die weltberühmte, wellenförmige Pflasterung der Avenida Atlântica (1970) in Copacabana. Viele dieser Entwürfe gleichen abstrakten Kunstwerken und korrespondieren mit zeitgenössischen Werken, die in der Ausstellung gezeigt werden, wie etwa mit dem 2003 entstandenen Gemälde der brasilianischen Künstlerin Beatriz Milhazes. Um den künstlerischen Einfluss von Burle Marx zu verdeutlichen, treten seine Werke in der Ausstellung mit weiteren Arbeiten internationaler Gegenwartskünstler in Dialog. Dazu zählen auch Juan Araujo, Paloma Bosquê, Dominique Gonzalez-Foerster, Veronika Kellndorfer, Luisa Lambri, Arto Lindsay und Nick Mauss.

Als der junge Burle Marx mit seinen Eltern aus Rio de Janeiro 1928 erstmals nach Berlin reist, ist die deutsche Hauptstadt das Laboratorium der Moderne. Mit der deutschen Kultur ist er zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren vertraut: Sein Vater Wilhelm Marx kam Ende des 19. Jahrhunderts als deutsch-jüdischer Einwanderer aus Trier nach Brasilien. Die Liebe zur deutschen Oper und Kunst ist in der wohlhabenden und gebildeten Familie tief verwurzelt. Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung liegt daher auf der Kunst- und Kulturmetropole Berlin, die Burle Marx beeindruckte, beeinflusste und immer wieder beschäftigte: So schuf er kurz vor seinem Tod einen nicht mehr realisierten Entwurf zur Gestaltung des Rosa-Luxemburg-Platzes.

Im Berlin der Weimarer Republik festigt sich Burle Marx’ Entschluss, beides zu werden, Künstler und Landschaftsarchitekt. Dazu tragen die Besuche der Sammlung moderner Kunst im Kronprinzenpalais bei, wo er die Werke der deutschen Expressionisten und van Goghs sieht. Doch er macht eine weitere Entdeckung: Erst in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens in Dahlem erkennt er die Schönheit der brasilianischen Flora, der Philodendren, Bromelien und Wasserlilien, die in den Gärten seiner Heimat ignoriert, aber hier liebevoll kultiviert werden. „Ich hasse die Idee, dass ein Landschaftsarchitekt nur Pflanzen kennen muss“, äußert er Jahrzehnte später. „Er muss auch wissen, was ein Piero de la Francesca ist, und verstehen, was einen Miró ausmacht, einen Michelangelo, einen Picasso, einen Braque, einen Léger.“

Wie sich an Burle Marx’ Pflanzenstudien und frühen Zeichnungen, Gemälden und Gartenentwürfen zeigt, führt sein Weg sowohl in der bildenden Kunst als auch in der Landschaftsarchitektur zur Abstraktion. Dabei überträgt er in der Gartengestaltung die Flächigkeit des Bildes in die Dreidimensionalität. Während sich die konventionelle brasilianische Landschaftsarchitektur noch an der europäischen Gartengestaltung der Belle Époque orientiert und dafür Blumen und Sträucher aus Übersee importiert, arbeitet Burle Marx ausschließlich mit der heimischen Flora. Dabei setzt er weniger auf ihre Blütenpracht, sondern vor allem auf die Formen und Farben der Blätter. Statt Beete pittoresk zu bepflanzen, entscheidet er sich ganz klar für Farbe, Masse und Fläche, für starke Kontraste, mäandernde Formen oder schachbrettartige, geometrische Felder.

Im Laufe der Ausstellung werden immer wieder die architektonischen und künstlerischen Aspekte seiner Laufbahn dokumentiert, die untrennbar miteinander verbunden sind. Die flächig-abstrakten Formen auf den Entwürfen für Privatgärten und öffentliche Plätze spiegeln sich in den Gestaltungsprinzipien von Burle Marx’ Malerei und angewandte Kunst wider. Neben abstrakten Gemälden werden Keramiken, Schmuck, Bühnen- und Kostümentwürfe vorgestellt. Sie zeigen, wie er seine Liebe zu Traditionen seiner Heimat mit der europäischen Moderne verband. Deutlich wird das bei den abstrakten Versionen der „Azulejo“-Kacheln, die er an Mauern und Hauswänden einsetzte, oder bei seinen Vasen, die von sakraler und prähistorischer Kunst inspiriert sind.

Burle Marx war nicht nur Erneuerer, sondern auch Konservator und Sammler. Auf seinem 365.000 m² großen Anwesen, einer ehemaligen Kaffeeplantage bei Rio de Janeiro, kultivierte er mit über 3.500 Arten eine der weltweit größten Sammlungen tropischer Pflanzen. In dem Gebäudeensemble aus dem 17. Jahrhundert sammelte er Glasmalerei, volkstümliche, sakrale und präkolumbianische Kunst.

„Roberto Burle Marx: Tropische Moderne“ verdeutlicht den tiefen Humanismus, die Spiritualität, die Burle Marx’ abstrakter Kühnheit zugrunde liegt – den Gedanken eines modernen Garten Eden, der ihn zeitlebens antrieb.

Die Ausstellung wurde vom The Jewish Museum, New York, organisiert und durch die Deutsche Bank, The Emanuel and Riane Gruss Charitable Foundation sowie andere großzügige Unterstützer in Teilen ermöglicht.

Kuratoren: Jens Hoffmann, Deputy Director, Exhibitions and Public Programs, Claudia J. Nahson, Morris and Eva Feld Curator, The Jewish Museum, New York