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ROY LICHTENSTEIN (Manhattan 1923 – 1997 Manhattan)
"La Nouvelle Chute de l’Amérique
(The New Fall of America)"
Farbradierungen zu Gedichten von Allen Ginsberg
und weitere Arbeiten aus dem graphischen Œuvre
21.06.–19.08.2017 (Studio)

Zur Eröffnung am Mittwoch, den 21. Juni 2017 um 18.30 Uhr laden wir Sie und Ihre Freunde herzlich ein.

La Nouvelle Chute de l’Amérique (The New Fall of America)

Vom 21. Juni bis zum 19. August zeigt die Galerie Boisserée im Studio ausgewählte graphische Arbeiten des amerikanischen Künstlers Roy Lichtenstein. Am 27. Oktober 1923 in Manhattan geboren und dort am 29. September 1997 gestorben, gehört Lichtenstein zu den bedeutendsten Vertretern der amerikanischen Pop Art. Seine Arbeiten haben die Kunstgeschichte der Gegenwart geprägt.

Die Beschäftigung mit den Printmedien nimmt eine herausragende Stellung in Lichtensteins Schaffen ein. Die graphischen Techniken waren ihm hervorragende Ausdrucksformen und wesentliche Grundlage, um seriell zu arbeiten. Er widmete sich dem Siebdruck, der Aquatintaradierung, dem Holzdruck, der Lithographie, dem Reliefdruck und bediente sich immer wieder der Collage- und Schablonen-Technik. Stets auf der Suche nach neuen technischen Möglichkeiten experimentierte er mit industriellen Verfahren und Materialien. Ein eindrucksvolles Beispiel für Lichtensteins Nutzung industrieller Ideen ist seine Farbgebung. Wie der kommerzielle Drucker versuchte er, so wenige Farben wie möglich einzusetzen. Während der Drucker dies aus ökonomischen Gründen entschied, wird es bei Lichtenstein zu einem künstlerischen Mittel. Große Flächen werden entweder vollständig gefüllt oder durch die charakteristischen "dots" (Rasterpunkte) oder Streifen dargestellt.

Das Mappenwerk "La nouvelle chute de l’Amerique (The New Fall of America)" von 1991/92 bildet einen Schwerpunkt in der Ausstellung. Anfang der 90er Jahre brachte der Verleger Jean-Claude Meyer Allen Ginsberg und Roy Lichtenstein zusammen. Entstanden ist ein außergewöhnliches 115seitiges ungebundenes Mappenwerk mit elf Gedichten von Allen Ginsberg (in Englisch und Französisch) und neun kongenialen Farbaquatintaradierungen und einer Schwarzweißradierung von Roy Lichtenstein.

Allen Ginsberg, einer der angesehensten amerikanischen Schriftsteller, wurde 1923 in der Kleinstadt Paterson, New Jersey geboren. Mit seinen Zeitgenossen Jack Kerouac, William Burroughs und Gregory Corso hob Ginsberg in den 40er Jahren die Beat-Generation aus der Taufe. Seine Texte, Platten und Fotografien prägten das Empfinden einer ganzen Generation. Schien Ginsberg zunächst ein Fall für Justiz und Geheimdienste, so wurde er in späteren Jahren in die American Academy of Arts and Letters und als Professor an verschiedene Universitäten berufen. Er starb am 5. April 1997 in New York. Sein 1956 veröffentlichtes Gedicht "Howl" begründete seinen Ruhm und löste damals einen Skandal aus. Ginsbergs Sprache erschien vielen als obszön. Das Gedicht wurde vorübergehend verboten, und der Verleger verhaftet. Das Verbot führte zu einer Kampagne um künstlerische Freiheit; schließlich hob ein Richter das Verbot wieder auf.

Von 1965 – 1971 schuf Allen Ginsberg den Gedichtband "The Fall of America: Poems of These States", der 1973 erschien. In der Sprache von William Blake und Walt Whitman, im Geist von William Carlos Williams inspiriert, sind die Inhalte offen politischer als seine bisherigen Texte.

Das vorliegende Mappenwerk enthält die frühen Texte, zum Bespiel "America" von 1956, sowie eines von 1991. Die Texte sind Kritik an der repressiven, degenerierten Zivilgesellschaft, den Kriegen in Südostasien und dem Irak, der Unterdrückung der lateinamerikanischen Staaten, dem Ende des "American Dream". Sie sind ein Aufschrei gegen Verschwörungsdenken und Intoleranz, beklagen die hysterischen Ängste der weißen Bevölkerung vor den schwarzen Mitbürgern und verurteilen den Verschleiß junger Männer in den Kriegen.

In der Ausstellung gezeigt werden sowohl das komplette Mappenwerk als auch einzelne Arbeiten aus diesem.

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Expressionistische Holzschnitte

Lichtensteins Interesse am deutschen Expressionismus wurde 1978 in Los Angeles durch den Besuch der Ausstellung "German Expressionist graphic art" geweckt. Ab 1979 begann er, das Vokabular zunächst für seine Malerei zu studieren. "Dots" verwendete er hier nur sparsam, da ihre Wirkung für ihn nicht expressionistisch war. In seinen druckgraphischen Arbeiten verwendete er sie gar nicht. Obwohl er für seine Malerei und für seine druckgraphischen Arbeiten die gleichen Motive verwendete, ist die Umsetzung dem Medium entsprechend völlig verschieden. "Ich begann mit einer Reihe von Gemälden, die vom deutschen Expressionismus inspiriert waren. Ich zitierte zwar nicht aus bestimmten Bildern wie bei früheren Arbeiten … Aber ich hatte Künstler wie Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel im Hinterkopf. … für meine eigenen Sujets greife ich auf einen Stil zurück und nicht auf ein bestimmtes Bild." (Roy Lichtenstein)

In seinen druckgraphischen Arbeiten war Lichtenstein stets um ein mechanisches Erscheinungsbild bemüht. Technisch ließ sich dies bei den meisten Verfahren leicht erzielen. "Holzschnitte widerstehen dem. Ich mag es, dass man mit dem Holzblock kämpfen muss, um das Bild zu bekommen das man möchte. ... Es ist ein echtes Kunststück, einen Holzschnitt zu schaffen, ohne die typischen Holzschnittmerkmale zu sehen." (Roy Lichtenstein). Um eine zu starke Holzmaserung zu vermeiden, verwendete Lichtenstein den Holzblock quer zur Faser. Aus der Serie der expressionistischen Holzschnitte sind in der Ausstellung die beiden Arbeiten "Reclining Nude" und "Nude in the Woods" von 1980 zu sehen.

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Nudes

Roy Lichtenstein entwickelte bei seinen Kunstwerken eine Schwäche für den Archetyp schöne Frauen. Die in der Ausstellung gezeigte Arbeit "Nude Reading" aus der Serie "Nudes" entstand 1994. Neu an den sechs Arbeiten der Serie ist die Verwendung der Rasterpunkte. Es geht nicht mehr darum, eine Fläche auszufüllen. Der Hell-Dunkel-Malerei (chiaroscuro, clair-obscur) ähnlich, wird sie für Lichtenstein ein Gestaltungsmittel, das sowohl der Steigerung der Räumlichkeit als auch der des Ausdrucks dient und sich durch Hell-Dunkel-Kontraste auszeichnet. "It’s a little bit the way chiaroscuro isn’t just shadows but a way of combining the figure and the background, or whatever’s near it in a dark area ... You are not confined to the object pattern, but the subject matter excuse for this is that it's a shadow. And that’s interesting to me." (Roy Lichtenstein).

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Ten Landscapes

1967 entstand Lichtensteins erstes Mappenwerk. Für "Ten Landscapes" kombinierte Lichtenstein Siebdrucke mit Collagen aus irisierender Folie, Fotographie und Rowlux, einer mehrlinsenförmigen thermoplastischen Folie. Diese Linsen erzeugen Muster der Absorption und Reflexion von Licht, was zu bemerkenswerten optischen Eigenschaften führt. Aus dieser Serie sind die beiden Arbeiten "Landscape 7" und "Landscape 10" zu sehen. "Die ersten Landschaften malte ich 1964, als ich mich schon eine Zeit lange mit Comicbildern befasst hatte. Ich begann mit Landschaften, die dem Hintergrund von Comiczeichnungen entnommen waren. Solche Hintergrundmotive benutzte ich auch für Stillleben, Stadtlandschaften und Interieurs. Außerdem arbeitete ich damals mit Rowlux, einem Kunststoff zur Linsenrasterbeschichtung. Er hat die Eigenschaft, dass er sich ebenfalls zu bewegen scheint, wenn man sich vor dem Bild bewegt. Die kleinen Kunststofflinsen waren ideal für Himmel oder Wasser, die sich ja auch bewegen und ständig einen anderen Anblick bieten, wenn man sie betrachtet.

Mir schien das eine sehr gute Möglichkeit, um mit ganz alltäglichen Mitteln die Wirkung einer Landschaft zu erzeugen, die einerseits realistisch wirkte, weil sie sich bewegte, aber auch ganz offensichtlich nicht so realistisch war, weil man erkennen konnte, dass sie mit einem Material gemacht war, das diesen besonderen Effekt hervorrief."