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Ruth Wolf-Rehfeldt – Gerhardt-Altenbourg-Preis 2021 26. September bis 14. November 2021

Ruth Wolf-Rehfeldt wird mit dem Gerhard-Altenbourg-Preis des Jahres 2021 ausgezeichnet. Anlässlich der Verleihung des wichtigsten Thüringer Kunstpreises an die Künstlerin präsentiert das Lindenau-Museum Altenburg eine umfangreiche Retrospektive im Prinzenpalais des Residenzschlosses Altenburg.

Die Entscheidung für Ruth Wolf-Rehfeldt, die die zwölfte Preisträgerin seit der Initiierung des Preises 1998 ist, fiel während einer Zusammenkunft des Kuratoriums zur Vergabe des Gerhard-Altenbourg-Preises bereits im Herbst 2020. Der Gerhard-Altenbourg-Preis würdigt das Lebenswerk herausragender Künstlerinnen und Künstler der Gegenwart. Er ist nicht an Landesgrenzen gebunden. Er will – mit Bezug auf den Namensgeber des Preises – auf eine Kunst aufmerksam machen, die ihre Unabhängigkeit behauptet und ihre Formen aus der Reflexion von Gegenwart und Geschichte und der respektvollen Begegnung mit Philosophie, Literatur, bildender Kunst und Natur entwickelt. Der Vorsitzende des Kuratoriums, der Direktor des Lindenau-Museums, Dr. Roland Krischke, würdigte insbesondere die feinsinnige Ironie der Arbeiten Wolf-Rehfeldts und den nie zu bändigenden Freiheitsdrang der Künstlerin, der in außergewöhnlichen Kunstwerken zwischen Bild, Sprache und originellen Aktionen einen Ausdruck gefunden habe.

Ruth Wolf-Rehfeldt wurde am 8. Februar 1932 im sächsischen Wurzen geboren. Nach einer Lehre als Industriekauffrau zieht sie 1950 nach Ost-Berlin, wo sie zunächst an der Arbeiter- und Bauernfakultät der Humboldt-Universität und danach zwei Semester Philosophie studiert. 1955 heiratet sie den Künstler Robert Rehfeldt, mit dem sie ein Jahr später den Sohn René bekommt. Ab den späten 1950er Jahren verfasst sie eigene Gedichte, kurz darauf entstehen erste Malereien. Bereits in den frühen Jahren ihrer künstlerischen Laufbahn pflegt sie einen intensiven Kontakt mit anderen Künstlern, die Wohnung fungierte häufig als Ort größerer Treffen der damaligen Kunstszene. 1965 werden erstmals Werke Ruth Wolf-Rehfeldts ausgestellt. Als freischaffende Künstlerin (seit 1971) tätig, entstehen 1972 die ersten Typewritings und 1974 die erste Mail Art. Es folgt eine ganze Reihe an Einzel- und Gruppenausstellungen mit Werken der Künstlerin innerhalb der DDR, aber auch im Ausland. Ende der 1970er Jahre entstehen die ersten Collagen. 1990 stellt Ruth Wolf-Rehfeldt ihre aktive künstlerische Arbeit ein. Auch danach werden Ihre Werke in zahlreichen nationalen wie internationalen Ausstellungen präsentiert.

Dass die „Schreibkraft“ Wolf-Rehfeldt ausgerechnet mit ihrem Arbeitsgerät, einer Erika- Schreibmaschine, den künstlerischen wie emanzipatorischen Durchbruch schaffte, stellt in diesem Zusammenhang eine besondere Pointe dar. Damit sprang sie entscheidend aus dem Schatten ihres Mannes Robert Rehfeldt, der als Künstler bereits Jahre zuvor seinen Durchbruch schaffte.

Die Collagen Ruth Wolf-Rehfeldts stellen einen zweiten Schwerpunkt innerhalb der Ausstellung dar. Ihr Ausgangsmaterial sind Versatzstücke aus Fotografien, die sie in unterschiedlichsten Schrifterzeugnissen findet. Auf zeichnerische bzw. malerische Elemente verzichtet sie. Diese Werke stehen in der Tradition von Künstlerinnen und Künstlern wie John Heartfield, Hannah Höch und Kurt Schwitters. Sie lassen deutliche Bezüge zur Bewegung des Dadaismus erkennen, sind komisch und regen zum Nachdenken an. Durch die Möglichkeit, Collagen in hoher Auflage kopieren zu können, sind sie zusammen mit ihren Typewritings häufiger Bestandteil ihrer Mail Art.

Einzel- und Gruppenausstellungen (Auswahl):
Ruth Wolf i Robert Rehfeldt (Galerie Teatru Studio Warschau, 1975); Bienal Internacional de Arte de Sao Paulo (1977); Ruth Wolf-Rehfeldt. Typewritings (Galerie St. Petri Archive of Experimental and Marginal Art, Schweden, 1981); Mail Art. Osteuropa im internationalen Netzwerk (Staatliches Museum Schwerin, 1996); Ruth Wolf-Rehfeldt. Das originalgraphische Werk 1972 – 1989 (Weserburg Museum für moderne Kunst Bremen, 2012); Gegenstimmen. Kunst in der DDR 1976 – 1989 (Martin- Gropius-Bau Berlin, 2016); documenta 14 (2017); Für Ruth, der Himmel in Los Angeles, Ruth Wolf- Rehfeldt & David Horvitz (Albertinum Dresden, 2018)

Die Ausstellung
Die Retrospektive Ruth Wolf-Rehfeldts im Rahmen der Verleihung des Gerhard-Altenbourg-Preises ist der vorläufige Höhepunkt eines besonderen künstlerischen Comebacks. Den Hauptteil der ausgestellten Exponate umfassen die Typewritings (Schreibmaschinenarbeiten), mit denen sie über die Grenzen der ehemaligen DDR hinaus Bekanntheit erlangte. Die ersten Typewritings fertigte sie in den frühen 1970er Jahren an. Sie spielt darin mit Sprache und Mehrdeutigkeiten und findet mit den Blättern einen Katalysator zur künstlerischen Sichtbarmachung von Witz, Ironie und Haltung. Die Motive ihrer Typewritings gehen weit über die schiere Form hinaus und setzen sich mit Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Umweltzerstörung und Militarismus auseinander. Mit Werken wie „HOMMAGE A MARTIN LUTHER KING“ (1978) solidarisiert sie sich mit der Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten und setzt sich auch darüber hinaus mit ihren Werken intensiv mit dem Zeitgeschehen auseinander. Sie lassen bereits eine Abkehr der frühen Werke erkennen, in der die Form dem Wortsinn nachempfunden ist. Kunstfertigkeit und Witz bestimmen auch ihr Werk „Piece by Piece for Peace“, das gleichzeitig zum Statement wird. Es besticht vordergründig durch die Aneinanderreihung des Wortes „Piece“. Nur versteckt und durch genaueres Ergründen findet man in vier diagonal verlaufenden Bändern das Wort „peace“ – den Frieden. Mit dem bereits Ende der 1980er Jahre entstandenen Werk „Unbestimmte Summe“ (1987) verlässt sie den Rahmen der klaren Formen und lässt die Buchstaben nur so „nach unten fallen“. Mit den Collagen „Destruction 2“ und „Sprengung 2“ geht sie noch einen Schritt weiter und zerreißt ihre Typewritings, um sie in Fragmenten neu anzuordnen.

Die Mail Art spielt eine zentrale Rolle im Œuvre Ruth Wolf-Rehfeldts und ist einer der Gründe für die gute Vernetzung der Künstlerin mit Kunstschaffenden im In- und Ausland. Mail Art basiert auf der simplen Idee, kleinformatige Kunstwerke per Post zu verschicken. Neben ihren Collagen eigneten sich freilich auch ihre Typewritings, die sie problemlos auf postkartengroße Formate übertragen und anschließend versenden konnte. Aus dem Briefkontakt mit anderen Künstlerinnen und Künstlern aus Europa und Amerika (mit besonderem Schwerpunkt auf Osteuropa und Südamerika) folgten in gewisser Weise künstlerische Co-Produktionen. Die von Wolf-Rehfeldt angefertigten Stücke wurden von anderen Künstlerinnen und Künstlern mit eigenen Ideen ergänzt und umgestaltet. Aus einer Reihe von Drucken entstanden so beispielsweise höchst individuelle Werke, die ihren Reiz aus dem Zusammenspiel unterschiedlicher künstlerischer Positionen beziehen. Mit der Mail Art gelang es Wolf-Rehfeldt zudem, die engen Grenzen der Kunstpolitik in der DDR zu umgehen. Von der sozialistischen Zensur weitestgehend unbeachtet stellen sie tatsächlich „Manifeste der Freiheit“ dar und erlauben den Blick auf eine Kunstszene weit abseits der offiziellen Kunstpolitik. Sie sind Zeugnisse der Geschichte. Mit den Malereien Ruth Wolf-Rehfeldts präsentiert die Werkschau zudem Arbeiten, die der Öffentlichkeit bislang nur wenig bekannt sind. Sie zeigen farbkräftige, abstrahierte Figuren, Stillleben und Gebilde, die am Beginn ihres künstlerischen Schaffens stehen. Das Spiel mit Mehrdeutigkeiten und Brechungen verweist bereits auf die späteren Werke der Künstlerin, die in ihrer Form freilich ganz anderer Natur sind.

In der Ausstellung „Ruth Wolf-Rehfeldt – Gerhard-Altenbourg-Preis 2021“ gibt das Lindenau-Museum einen umfänglichen Blick in das Wirken der Künstlerin. Mit den knapp 200 Exponaten der Schau werden alle Schaffensphasen der Künstlerin gewürdigt. Die Ausstellung wurde durch Leihgaben aus einer Vielzahl an Museen und Galerien ermöglicht. Zu ihnen zählen die Galerie ChertLüdde (Berlin), das Zentrum für Künstlerpublikationen am Weserburg Museum für moderne Kunst (Bremen), das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst Cottbus, die Galerie Wolf & Galentz (Berlin) und die Staatlichen Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern (Schwerin). Zudem gelang es dem Lindenau-Museum, Leihgaben aus privaten Sammlungen für die Ausstellung zu gewinnen.