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Nolan Judin Ber­lin freut sich, Tu pelo es mi bandera, die erste Aus­stel­lung von San­dra Vásquez de la Horra in Ber­lin prä­sen­tie­ren zu kön­nen. Zu über 60 neuen Werken, die seit Beginn die­ses Jah­res ent­standen sind, gesel­len sich 13 Werke aus den Jahren 2007 bis 2009.

San­dra Vásquez de la Horra, 1967 in der Nähe der chile­ni­schen Groß­stadt Val­paraíso geboren, ist sechs Jahre alt, als sich Augusto Pino­chet an die Macht putscht, um Chile für 17 blu­tige Jahre als Dikta­tor zu beherr­schen. Auf Anra­ten eines Psycho­lo­gen bewirbt sich das unange­passte, aber sehr belesene und hoch­intel­li­gente Mädchen im Alter von nur zwölf Jahren um einen Studi­en­platz an der Aka­demie der Schö­nen Künste – und wird zuge­las­sen. San­dra Vásquez de la Horra macht sehr bald mit der Pro­test­be­wegung Bekannt­schaft und nimmt an Studen­ten­de­mons­t­ra­tio­nen teil. Mit 19 zieht sie in die Haupt­stadt und schließt sich der Künstler- und Studen­ten­ver­einigung Chile Crea an, die für Demok­ra­tie kämpft. In die­ser Zeit ver­tieft sich die junge Künstle­rin in das Studium der latein­ame­rika­ni­schen Gegenwarts­li­te­r­atur, aber auch der Welt­li­te­r­atur, von Rimbaud bis Kerouac. Sie beschäf­tigt sich mit den Reli­gio­nen und Philosophien ver­schiedens­ter Kulturen – und widmet sich mit anthro­po­logi­schem Inter­esse den süd­ame­rika­ni­schen Mythen und Volksmär­chen und ent­deckt ihre Leidenschaft für Typo­grafie. 1995 studiert San­dra Vásquez de la Horra für ein Jahr an der Kunst­aka­demie in Düs­seldorf bei Jan­nis Kou­nellis als Gasthöre­rin, kehrt aber nach Chile zurück. Vier Jahre spä­ter nimmt sie ihr Studium in Düs­seldorf wieder auf – diesmal bei Rose­marie Tro­ckel – und lebt seither ohne Unter­bre­chung in Deutsch­land.

San­dra Vásquez de la Horra ist in ers­ter Linie eine Zeich­ne­rin. Sie hat zwar auch immer wieder plas­ti­sche Arbei­ten hervor­gebracht, aber der ver­gleichsweise kurze Weg vom Gedanken zum Papier hat sich für sie als das geeig­nete Medium erwie­sen, um ein selt­sam ver­trau­tes und zugleich skurriles Uni­ver­sum sichtbar zu machen. Die Zeich­nun­gen, durch­wegs in mode­ra­ten Forma­ten gehal­ten, sind nicht im klas­si­schen Sinn „schön“, geben dafür viel von der Persönlichkeit der Künstle­rin preis. Sie thema­ti­sie­ren Ängste, visuali­sie­ren (Alp-)Träume, geben Erin­nerun­gen wieder. Auf­fal­lend ist die Domi­nanz der weibli­chen Figur als Motiv – deut­lich mehr als die Hälfte ihrer Zeich­nun­gen sind von Frau­en­gestal­ten bevölkert: Müt­ter, Non­nen, Hei­lige, Ver­füh­re­rin­nen, Gefan­gene, Ver­dammte. Sie sind Objekte der Begierde, aber auch Begeh­rende. Sie sind zutiefst katholisch oder zutiefst heid­nisch, strah­len aber in jedem Fall eine derbe Sexualität aus. Die zahlenmäßig unter­le­ge­nen Männ­erfiguren sind Militärs, Clowns, Erigierte, Gehängte, kleine Jun­gen – oder Chris­tus. Auf­fal­lend ist, dass die Figuren meis­tens auf dem Blatt zu schwe­ben schei­nen, keinem per­spek­tivi­schen Raum zuzu­ord­nen sind. Dafür fixie­ren sie häufig den Betrach­ter mit ihrem Blick, strah­len einen gewis­sen Voyeurismus aus – um sich dann einer schnel­len Inter­preta­tion dennoch zu ver­schließen. Ein prä­gendes Ele­ment in den Zeich­nun­gen von San­dra Vásquez de la Horra ist die Typo­grafie. Die Künstle­rin stellt Worte oft in den Vor­dergrund, sodass sie das Motiv bestim­men und zum eigent­li­chen Sujet wer­den. Oder sie ver­teilt sie ohne Sorge um die gramma­tikali­sche Rich­tigkeit über das ganze Blatt. Sie ver­wendet meis­tens Spa­nisch, aber auch Englisch und gele­gent­lich Deutsch. Manch­mal mischt sie alle drei Spra­chen in einem einzi­gen Satz – was den Werken eine dada­is­ti­sche Note ver­leiht. In der Regel ver­stärken die Worte die Rätselhaf­tigkeit mehr, als dass sie das Gezeichnete erläu­tern.

Nach dem Zeich­nen – in der Regel nur mit Blei­stift, ganz sel­ten auch mit Farbe – taucht die Künstle­rin das Papier in ein Wachsbad. Diese ungewöhnli­che Vor­ge­hensweise ver­leiht den Werken eine selt­same Mate­rialität und dem Strich eine leichte Unschärfe. Das die Zeich­nung ver­sie­gelnde Wachs erzeugt eine Patina, die Werke wirken zeit­los. San­dra Vásquez de la Horra ver­wendet altes, bereits gebrauch­tes Papier, das sie gerne auf Flohmärk­ten auf­treibt. Die Behand­lung mit Wachs ver­ein­heit­licht die Papiere bis zu einem gewis­sen Grad und führt den Betrach­ter zurück zur Kon­zent­ra­tion auf das Dar­ge­stellte.

Nach Aus­stel­lun­gen im Cen­ter Pompidou in Paris und dem Museum Kunst Palast in Düs­seldorf, ist ab Juli im Bonefan­tenmuseum in Maas­tricht die bis­her umfang­reichste Werkschau San­dra Vásquez de la Horras zu sehen. Anfang Juni erscheint bei Hatje Cantz eine groß­forma­tige und aus­führ­li­che Mono­graphie. Die Künstle­rin ist in zahlrei­chen wich­ti­gen Museums- und Privat­samm­lun­gen ver­tre­ten.

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Sandra Vasquez de la Horra
Tu pelo es mi bandera