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Die Ausstellung „Schon wieder und noch mal ? – Handlungsspielräume“ beschäftigt sich mit imaginären, symbolischen und realen Handlungsstrukturen und Verhaltensmustern. Der Frage nach dem „richtigen“ Verhalten geht eine generelle Verunsicherung voraus, die individuelle als auch gesellschaftliche Handlungsweisen betrifft.

Peter Sloterdijks Abhandlung „Du musst dein Leben ändern“ propagiert das Üben als immer notwendiger werdendes Instrument, um in einer Leistungsgesellschaft mithalten zu können, und begibt sich damit in die Nähe neokonservativer Inhalte, die Leistung und leistungsorientiertes Handeln als oberstes Gebot versteht, ohne die damit verbundenen Lebensbedingungen genauer zu betrachten oder deren Folgen zu sehen. Inwieweit prägt und verändert die Vermittlung neokonservativer Werte das Alltagsleben, die Arbeit und den privaten Bereich, ohne dass dieser Entwicklung genug Aufmerksamkeit geschenkt werden würde? Werden nicht prekäre Arbeitsverhältnisse, der Rückzug des Sozialstaates, Privatisierungen, eine Umverteilung von unten nach oben, restriktive Migrationspolitik, aber auch die Übertragung von ziel - und leistungsorientiertem Agieren in den privaten Bereich, bei der Partnersuche zum Beispiel , als normale oder notwendige Handlungsweisen verinnerlicht? Inwieweit bestimmen diese kompetitiven Richtlinien individuelle Lebensbedingungen und wie werden sie übertragen?

Die Ausstellung beschäftigt sich mit zwei Übertragungs-Phänomenen dieser die letzten drei Jahrzehnte prägenden Entwicklung: auf imaginärer Ebene wird die Frage gestellt, inwieweit die in Filmen und Serien propagierten Verhaltensmuster private als auch gesellschaftliche Handlungsweisen prägen. Bilden diese Identifikationsvorgaben Vorlagen für Selbstbildbestimmungen und wird dadurch normiertes Verhalten eingeübt? Und werden auf symbolischer Ebene nicht genau diese Verhaltensweisen, die in den Serien vermittelt werden, in Coachingprogrammen trainiert?Werden in den diversen Coaching-Programmen nicht aus der Wirtschaft und aus dem Sport übernommene und in den Serien transportierte Erfolgs-Effizienz-Rezepte eingeübt? Und wird dieser Verhaltenskanon nicht auf alle Lebensbereiche übertragen, indem diese Handlungswei sen im alltäglichen Bewusstsein verankert werden. Die Integration in diese symbolischen gesellschaftlichen Ordnungssysteme und das Aneignen der damit verbundenen kompetitiven Techniken wird als notwendiges Mittel zum Erfolg präsentiert. Diese Wechselwirkungen und Verbindungen von Wahrnehmung, Übertragung und Handlung sollen genauer beleuchtet werden.

Wahrnehmungen, die auf imaginären Ebenen wie Film und Fernsehen basieren, können Verhaltensweisen prägen oder auch Handlungsweisen initiieren. Z.B. das Studium bestimmter Fächer, Verhaltensmuster, die einem bestimmten Lebensstil zugeordnet werden oder Inhalte eines bestimmten Wertsystems transportieren, sowie Disziplinierungsmaßnahmen können übertragen werden. Neokonservative I nhalte werden medial vermittelt und als Ausgangspunkte für das Training bestimmter Verhaltensmuster verwendet, die zu bestimmten codierten Handlungsweisen führen sollen. Leistung, Leistungssteigerung, Optimierung und Verwertbarkeit werden so zu den entscheidenden Maßstäben kapitalisierter Gesellschaften gemacht und als unumgängliches Überlebensinstrument, – nicht mehr nur als Erfolgsrezept – verkauft. Die Forderung nach Leistungssteigerung läuft parallel zum Wirtschaftswachstum, eine Entwicklungen, die darauf abzielt, soziale Systeme zu untergraben oder abzuschaffen. Das Interesse besteht darin, neokonservative I nhalte und Wertvorstellungen und Handlungsvorgaben soweit zu indoktrinieren, bis sie in der Gesellschaft so verinnerlicht sind, dass jegliche alternative ökonomische und gesellschaftliche Handlungsform als utopisch oder sozialistisch verunglimpft wird.

Neben diesen in Coachingprogrammen trainierten Verhaltensweisen, die bestimmte Handlungsweisen initiieren sollen, wird die Frage nach einer Handlungsethik auf realer Ebene, jenseits von normierten Handlungsmustern gestellt. Die Konfrontation mit dem Realen, oder den daraus resultierenden Handlungsweisen weist auf diese normierten Strukturen hin und macht sie sichtbar. (Sabine Winkler)

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Schon wieder und nochmal? Handlungsspielräume
Kurator: Sabine Winkler

Künstler: Claudia Aravena Abughosh, Daniela Comani, Marianne Flotron, Andrea Geyer, Melanie Gilligan, Nina Höchtl, Ana Husman, Sinisa Labrovic, Stefan Panhans, Dita Pepe / Petr Hrubes, Laura Ribero, Sylvie Boisseau & Frank Westermeyer, Carey Young.