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Mit dem neuesten Jubiläumsprojekt wagt sich das Frauenmuseum auf ein recht ambivalentes Terrain. Bei 400.000 Prostituierten, 1,2 Millionen Freiern und einem Umsatz von 14,5 Milliarden € ist auf jeden Fall größte gesellschaftliche Relevanz gegeben.

40 Künstlerinnen aus der Bundesrepublik und einigen europäischen Nachbarländern widmen sich den vielen Facetten des Themas. Die Grenzen zwischen Kunst und sozialem Report sind dabei fließend und es entsteht eine Verknüpfung zwischen aktueller Kunst mit sozialen gesellschaftspolitisch brisanten Fragen.

Auch die Geschichte der Prostitution wird berücksichtigt, - wenn Silvia Philipp das Treiben des Klerus beim Konzil zu Konstanz 1410 enttarnt, als tausende von „Hübschlerinnen“ die Stadt überfluteten, - der Nachfrage gemäß, - wenn Brigitte Röttger entdeckt, dass strafgefangene Britinnen nach Australien verschifft wurden, um dort wegen Frauenmangel als Prostituierte zu arbeiten. - und Colette, Aktionskünstlerin aus New York, lässt die Kurtisanen des fin de Siècle wieder aufleben; ihr Schlachtruf: Rufen Sie mich an, wenn sie einen Skandal brauchen – „Dial C for Scandal“. Die großen Vorgängerinnen hatten sich über die Börse ihrer Liebhaber prächtig saniert. In ihrem Videofilm spielt selbst Jeff Koons eine tragende Rolle, auch Iliona Staller, italienische Abgeordnete und Pornostar….

Und es ist die Stunde der Fotokünstlerinnen: - Eva Horstick-Schmitt hat im Kosovo Reportagen gemacht, die Mafia und ihre Gewaltstrukturen verfolgt, die für das Elend der ärmsten, der Frauen, verantwortlich sind; - Cynthia Rühmekorf, Bonner Fotografin und Mitfrau der Gruppe Connexus hingegen hat sich von der BONNER MEILE ein Bild gemacht. Mädchen und junge Frauen, oft Drogenabhängige stehen hier täglich am Straßenrand, stoppen Autos und bringen sich nicht selten in Gefahr. Éinige der professionellen Frauen spielen im Übrigen beim Projekt beratend und selber gestaltend mit.

Während der 3-jährigen Vorbereitungszeit hat sich das Projekt in Bonn erheblich verändert. Die Ausstellungen der Kooperationspartnerinnen vom Museum der Arbeit in Hamburg und in Berlin sehen anders aus. Auslöser war ursprünglich das Prostitutionsgesetz gewesen, das mit der Sittenwidrigkeit Zug um Zug aufräumen soll, doch nun ist die Fußball WM und die 10.000 Freier ein Thema und vor allem die zunehmende Zwangsprostitution.

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Prostitution – legale Wirtschaftsmacht oder unsittlicher Menschenhandel? Allein in Deutschland wird der jährliche Umsatz mit der Prostitution auf 14,5 Milliarden Euro geschätzt. Dieser Umsatz wird mittlerweile von ca. 400.000 berufsmäßigen Prostituierten erwirtschaftet. Davon sind ca. 95 % weiblich. Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen handelt es sich bei mehr als einem Viertel um Ausländerinnen, die meist unter falschen Voraussetzungen und oft unter Gewaltanwendung zur Prostitution gezwungen werden. Etwa 1,2 Mio. Männer nehmen täglich sexuelle Dienstleistungen in Anspruch.

Durch die Verabschiedung des Prostituiertengesetzes ist seit Januar 2002 die Diskriminierung von Prostitution als sittenwidrig aufgehoben. Prostituierte können sich unter dieser Berufsbezeichnung nun Kranken- u. Rentenversichern, Lohn einklagen oder im Rahmen einer Ich-AG eine Existenz gründen. Dabei werden sie beim Vorliegen der festgelegten Voraussetzungen von den zuständigen Arbeitsagenturen unterstützt. Ziel der gesetzlichen Regelungen ist es, das die Prostituierten selbst bestimmt ihrer Tätigkeit nachgehen und auch aus eigenem Antrieb jederzeit wieder aussteigen können.

Dennoch ist durch die Globalisierung und die wachsende Armut in Osteuropa, Afrika, südostasiatischen Ländern in der Prostitution gerade heute die größtmögliche Sklaverei virulent. Hochkriminell und menschenverachtend werden jährlich weltweit 500.000 weitere Zwangsprostituierte verschleppt ohne dass sie sich aus der Spirale von Gewalt und Demütigung befreien könnten. Man könnte vielleicht noch säuberlich zwischen Zwangsprostitution und freiwilliger Sexarbeit unterscheiden, wenn nicht die Armut bereits Zwang darstellen würde.

Die Ergebnisse Vierzig Künstlerinnen aus der Bundesrepublik und einigen europäischen Nachbarländern widmen sich den vielen Facetten des Themas. Die Grenzen zwischen Kunst und sozialem Report sind dabei fließend und es entsteht eine Verknüpfung zwischen aktueller Kunst mit sozialen gesellschaftspolitisch brisanten Fragen. Mythen, Alltag und Gewalt, auch die Geschichte der Prostitution wird berücksichtigt, der Ausstellungsschwerpunkt liegt jedoch in der Gegenwart. Die künstlerischen Medien sind das klassische Tafelbild, Video, Fotografie, Zeichnung, Objekte und Installationen, wobei auch häufig mehrere Medien benutzt werden.

Pressetext

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Sexhandel - Mythen, Alltag, Gewalt
Kooperation: Museum der Arbeit, Hamburg; NGBK Berlin; Haus am Kleistpark, Berlin

Arbeiten von Bettina Bätz & Anna Staffel, Maria Barthel, Simone Beckmann, EWA  , Brigitte Friesz, Julitta Franke, Colette , JD Fleishman, Maria Gimenez, Nicole Hassler, Regina Hellwig-Schmid, Eva Horstick-Schmitt, Sibyll Kalff, Marie-Luise Kreiss, Alexandra Kürtz, Gabriele Landfried, Anna Lehmann-Brauns, Ute Lütkemeyer , Nänzi , Monika Ortmann, Silvia Philipp, Tina Suchy & Marianne Pitzen, Iris Pütz, Claudia Reiß, Germaine Richter, Cynthia Rühmekorf, Brigitte Röttger, Annelie Runge, SARIDI , Margret Schopka, Renee Schroeder, Marlen Seubert, Judith Siedersberger, Ellen Sinzig, Maresa Jung, Ilka Vogler, Ilse Wegmann, Dörte Wehmeyer