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Der Ausstellungstitel silent work nimmt weder Bezug auf jene Stille, die die Abschaffung der Kunst fordert, noch – laut Susan Sontag - auf jene den Künstlern eigene permanent silence1, die als ein Akt der zögernden Kommunikation mit dem Publikum zu sehen ist, sondern auf styles in which silence may be advocated: loud and soft 2, was ganz im Gegensatz zur Überzeugungsrede steht. Denn gezwungenermaßen ist die Pflicht der Kunst eine andere, sie soll nach Höherem streben, soll das soziale Bewusstsein wachrütteln und, wenn möglich, einen Wandel in der Gesellschaft bewirken; all das wird von der Politik durch Kulturpolitik und kulturelle Eliten instrumentalisiert, die die Wichtigkeit der Kunst als Teil des kulturellen Guts festlegen. Die Tatsache, dass Kunst sich nunmehr mit sozialen und politischen Themen befasst, scheint auch von der Politik begrüßt zu werden (anders als noch während der Avantgarde-Bewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts). Unsere Absicht liegt in der Schwächung der beiden Pole „wichtig“ und „unwichtig“, die eine Last für die Kunst darstellen und die Aufmerksamkeit des Betrachters überfordern. Es besteht kein Zweifel, die Absicht, die hinter unserer Titelwahl silent work steckt, liegt nicht in der Verfechtung des Privaten, sondern in der Befürwortung einer Vielzahl von Erlebnissen, in der Befreiung der Kunst von allen Regeln, die ihr nicht eigen sind. Fast scheint eine gewisse Hegemonie in der kulturellen Rhetorik zu existieren im Hinblick auf den Terminus Öffentlichkeit in der Kunst, eine unausgesprochene Regel nur dann relevant zu sein, wenn aus dem Wunsch nach politischem Wandel heraus soziale Themen behandelt werden, wobei das Ziel, das soziale Bewusstsein unter Beweis zu stellen, immer mit Political Correctness einhergeht. Die sich daraus ergebende Nebenwirkung ist ein subtiles Übergehen jener Themen, die man für gewöhnlich als irrelevant abtut, losgelöst vom öffent-lichen Leben und von der Kunstsphäre. Im Gegensatz dazu ermöglichen es uns die hier ausgestellten Arbeiten jenseits des geschäftigen Alltagstreibens zu hören/blicken. Bis zu jenem Punkt, an dem die s alles verweigert wird, bis zur Verschmelzung mit der Idee filling up the periphery of the art-space, leaving the central area of use blank3 [...] Wenngleich unterschiedlich in ihrer formalen Darstellung, so teilen sämtliche, der hier präsentierten sechs zeitgenössischen, kroatischen Künstler diese Wesensmerkmale. Hinter keiner der hier ausgestellten Arbeiten steckt die Absicht, den Betrachter von etwas zu überzeugen zu wollen, oder sich selbst, unter dem Vorwand von menschlichen Problemen, als wichtig darzustellen. Stattdessen kommunizieren die Arbeiten direkt mit den subtilen Gedankengängen unseres Unterbewusstseins. The Perimeter Test of the Field of Vision (1970) von Goran Trbuljak (*1948 in Varaždin) bildete den Ausgangspunkt für Themen, mit denen sich der Künstler bis zum heutigen Tage auseinandersetzt.Sein Werk beschäftigt sich mit der Hierarchie wie sie vom Kunstbetrieb geschaffen wird, jenem System, das Arbeitsmethoden diktiert und Werte festlegt. Durch die Selbstreduktion auf den Künstler als Person, schwach und argwöhnisch, legt er den künstlerischen Arbeitsprozess frei. Seit seinen Anfängen in den frühen 1970er Jahren, behält Trbuljak seine misstrauende Haltung gegenüber kultureller Rhetorik bei; frei von jeder Verbitterung begegnet er diesen Konvention mit einer ermutig-enden Prise Humor, was es ihm ermöglicht, eben jene Verhaltensweisen infrage zu stellen.

Igor Eškinja (*1975 in Rijeka) testet die Wachsamkeit seiner Betrachter und entwickelt so eine überraschend konsistente Arbeit, die durch alltägliche, banale Objekte zu kommunizieren scheint. Die ausgestellte Serie stellt eine Grafiktechnik dar, die durch UV Strahlen auf Papier erzeugt wird. Die Spontanität des natürlichen Sonnenscheins wird zum Teil vom Autor selbst kontrolliert, der die gewünschten Muster derart gestaltet, dass sie Formen von Dingen annehmen, die wir vielleicht oder vielleicht nicht schon einmal gesehen haben. Wir begegnen einem Kunstwerk, das einzig und allein dem Blick des Betrachters gewidmet ist, Wahrnehmung als ein wichtiges Thema in der visuellen Kunst. Unter dem Deckmantel von formal reduzierten visuellen Spielen unterstreicht sie doch dieselbe alte Kontroverse: Ist der Betrachter verantwortlich für die Vision oder ist es umgekehrt, erschafft sich das Kunstobjekt selbst?

Beim Betrachten von Fields, Matrixes von Predrag Todorovic (*1966) werden wir uns bewusst, wie direkt empfindsam das menschliche Auge der sichtbaren Welt gegenüber ist und wie auf diese Art zugleich die Unmöglichkeit alles zu sehen unter Beweis gestellt wird. Infolge einer Vielzahl von linearen Impulsen, werden die Metallzeichnungen zu einer atmenden Oberfläche, die aus vielen herumschwirrenden Anhäufungen besteht, welche wiederum einer endlosen Zahl von Kratzern ausgesetzt sind. Hieraus entsteht schließlich ein dichtes Energiegitter, das Bewegung erzeugt und abhängig vom Winkel des Betrachters seine Richtung ändert.

Wenngleich auch er mit den Sinneswahrnehmungen der visuellen Kunst spielt, zielt Aleksandar Garbin (* 1955 in Rovinj) direkt auf eine abstraktere Ebene ab und widmet sich ganz der Schwerkraft. Seine Utensilien sind ein Globus und ein Holzstab, oder ein kleiner Pfosten und ein Brett, welche er an einander heranführt oder zusammenklebt, sodass eine räumliche Resonanz entsteht, die wiederum Auswirkungen auf die räumliche Erfahrung des Betrachters hat. Garbin betrachtet den Raum als eine vielschichtige Idee, was ihn folglich zu etwas Greifbarerem geführt hat, zur Entdeckung des Zwischenraums, oder wie er es nennt der neutralen Zone, einem Raum, in dem zwei ähnliche oder gegensätzliche Objekte aufeinander treffen, einem Korridor, in dem Dinge in Beziehung zu einander geraten, entweder inkompatibel oder verwandt sind.

Silvo Šaric (*1965 in Pula) ist einer der interessantesten kroatischen Künstler was die räumliche Wahrnehmung anbelangt. Er schafft Objekte und Installationen, die bewusst dem Raum, den er in der Galerie vorfindet, entsprechen, seine Werke sind fragile Gebilde, ähnlich nicht existierenden Objekten, eigentümliche, flüchtige Formen, die eine Assoziationskette aus dem Unterbewusstsein heraus lostreten, ebenso plötzlich wie undefinierbar. The Cooking of the Stomach zeigt uns einen reduzierten visuellen Beweis davon, um was es eigentlich geht. Das Readymade, das er gegen Magenschmerzen nach seiner mother's recipe gemäß der istrischen Tradition herstellt, geht über den physischen Galerieraum hinaus, was nicht an seiner minimalisierten Präsenz liegt, sondern eher mit seiner ungewöhnlichen, sinnlosen Erscheinung zu tun hat. Hier ist es wiederum sinnvoll auf Sontag und ihre Unterscheidung zwischen looking und staring zu verweisen, wobei Zweiteres eine Abkehr vom Gedanken befürwortet, eine Transzendenz der physischen Präsenz.4

Man fragt sich nun vielleicht, warum dies als silent bezeichnet wird. Impliziert die Stille hier einen Rückzug in die Anonymität? Folgt die stille Kunst vielleicht sogar einem politischen Hintergedanken? Das Video von Antun Maracic (*1950 in Nova Gradiska) bejaht dies, indem eine politische Situation kommentiert wird, die nicht öffentlich be- oder verurteilt wird. Seine Arbeit ist als eine Form der stillen Aufnahme zu sehen, die in einer sehr subjektiven, persönlichen Art wiederholt die mehrdeutigen Wesenszüge unterstreicht und anders ist, als sie wirkt. Sabina Salamon

1.Cf. Sontag, Susan: The Aesthetics of Silence, Source: http://www.scribd.com/doc/14536809, p.1. 2. Ibid, p. 10. 3. Ibid, p.4: Sontag mentioned Andre Breton's statement as an act of being silent. 4. Cf. Sontag, cit.: Traditional art invites a look. Art that's silent engenders a stare. In silent art, there is (at least in principle) no release from attention, because there has never, in principle, been any soliciting of it. A stare is perhaps as far from history, as close to eternity, as contemporary art can get.

Ausstallungsdaten: SILENT WORK Igor Eškinja, Aleksandar Garbin, Antun Maracic;, Silvo Šaric, Predrag Todorovic & Goran Trbuljak 11. Oktober – 15. November 2013 kuratiert von Sabina Salamon, Kuratorin am MMSU Museum of Modern and Contemporary Art Rijeka und Slaven Tolj, Künstler & Direktor des MMSU Rijeka

Vernissage: Donnerstag, 10. Oktober 2013 von 18-21 Uhr

WO: Galerie Michaela Stock / NEXT DOOR galerie michaela stock & UNTERER STOCK, Schleifmühlgasse 18, 1040 Wien

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SILENT WORK

Künstler:
Igor Eskinja, Aleksandar Garbin, Antun Maracic, Silvo Saric,
Predrag Todorovic, Goran Trbuljak.

Kuratoren:
Sabina Salamon, Slaven Tolj

Ort:
Galerie Michaela Stock / NEXT DOOR, Wien