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"(...), die gewisse Fremdheit zu dem anderen auflösen, indem aus dem anderen Ich ein Wir zu machen ist, und sich so das Recht nehmen, zuerst Uns und dann Ich an seine Stelle zu setzen, sich aller Diskretion zu entheben in der Vollmacht, in seiner Abwesenheit das Wort für den anderen zu ergreifen." (Strau/Blanchot)

Josef Kramhöllers Arbeiten erscheinen roh, aggressiv und unangepasst. Hier materialisiert sich Wut auf bestehende Systeme, wie auch auf ihre Bedingungen. Mal mit dem Pinsel, Zeichenstift, in Texten und Performances live oder auf Video werden Ansätze expressiven Ausdrucks aufgenommen, weitergeführt und wieder fallen gelassen. Es ist ein offensives Scheitern, ein bewusstes Abbrechen und an anderer Stelle weitermachen mit dem Ziel ein sehr politisches, weil sehr persönliches, Unbehagen zu umkreisen und zu benennen. Dabei selber nicht zum Täter werden wollen: Hier entzieht sich einer durch ständige Sabotage den Bedingungen, dem Bestand und dem Fortschritt des eigenen Schaffens, gelegentlichen Grössenwahn und Selbstüberschätzung eingeschlossen. Er meint in dem Ich ein Wir und nimmt seine eigene Verantwortung darin sehr ernst. Er will keine Ruhe zulassen, weil es zu wenig Zeit gibt, da liegt noch so viel Arbeit vor uns - er will die Dinge verändern. Eine mögliche Folge: Keinen Atem mehr zu haben, real oder eingebildet keine Luft mehr zu bekommen ("Air Supply") und in der Konsequenz gewaltvoll von eigener Hand aus dem Leben zu scheiden, sich mit letzter Konsequenz zu entziehen, radikal zu scheitern als Aufschrei und mögliche Mahnung, als Scheitern im Ich und im Wir.

Wie kaum ein anderer künstlerischer Lebensweg bietet der Josef Kramhöllers durch seine Konsequenz und Radikalität die Möglichkeit der Projektion des eigenen künstlerischen Schaffens. So angedacht und inkonsequent die einzelne Arbeit Kramhöllers ausgeführt sein mag, so konsequent ist hier ein Ganzes verfolgt und zu seinem selbstzerstörerischen Ende gebracht worden. Und zugleich ist es das, was die Betrachtung seines Werkes so ambivalent macht. Das Scheitern Kramhöllers und sein klagen über Mobbing scheint aufgrund seiner Bezüge und in seinem zeitlichen Kontext logisch und selbst provoziert und es entspricht nicht zuletzt dem Konzept Bohéme: Das Selbstportrait des Künstlers als missverstandenes geniales Dingsda. Wrong time - wrong place. Dieses Drama des "keinen Ort dafür findens" berührt natürlich, so authentisch erscheint hier das ganze und so schwierig ist es, sich in der Sympathie für sein Anliegen abzugrenzen und eine Position ausserhalb davon zu beziehen.

Die Retrospektiven in Düsseldorf und München haben das Lebenswerk Krammhöllers geordnet und damit zwansläufig schematisiert, um einen Blick darauf zu ermöglichen. Diese sich ergebende Ordnung erscheint für eine Betrachtung notwendig, wird dem Arbeitsprozessen Kramhöllers aber nur schwer gerecht, steht ihm im Gegenteil sogar entgegen, entschärft darin die angelegten Polaritäten.

Für die Ausstellung im Hamburger Hinterconti finden 12 KünstlerInnen verschiedener Herkunft zusammen, die nicht im unmittelbar persönlichen Kontakt zu Kramhöller standen, sondern vielmehr auch die 90er Jahre u.a. in der Kunstproduktion durchlaufen haben, im entferntesten Fall so etwas wie ein "ideologisches Milieu" des Unbehagens mit ihm teilen. Diese Ausstellung geht nicht von einer bestimmten Fragestellung aus, sondern findet eher in einem deregulierenden Prozess zueinander. Sie ist Hommage ohne Trauerzug, indem sie jeweils in subjektiv interessanten Ansätzen sein Werk kommentiert ohne es weiter interpretieren zu wollen. Von Kramhöller direkt und indirekt thematisierte Begriffe wie z.B. Elitebildung, Akademie, Sprache, Bohème oder Authentizität werden aufgegriffen und ihnen etwas hinzugefügt ohne ein kollektives Anliegen zu behaupten. Die Monographie wird als Erhöhung für ein gleichermassen persönliches wie gemeinschaftliches Tun genutzt. Die Ausstellung richtet dadurch notwendigerweise den Blick der Retrospektive zurück in eine Perspektive.

Zur Ausstellung erscheint eine Publikation. Die Ausstellung wird unterstützt von der Kulturbehörde Hamburg, dem Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen / Düsseldorf und Pro qm / Berlin

Pressetext

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Sixpack - Kramhöller - vor der Information
zu Josef Kramhöller (1968-2000)

mit Thomas Baldischwyler, David Chieppo, Andreas Diefenbach, Simone Gilges, Judith Hopf, Julia Horstmann, Lutz Krüger, Stefan Pente, Ines Schaber, Kai Schiemenz, Sabin Tünschel, Annette Wehrmann, WUUUL  (Peter Lynen...)