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„Unsere Uhren dienen der Gesellschaft mindestens so sehr wie der Zeitmessung. Die Zahlen, die uns vom Ziffernblatt entgegenleuchten, haben nur Bedeutung in Bezug auf die Uhren aller anderen Menschen.“ (aus: James Gleick: Schneller!, München 2000)

Die schwedische Künstlerin Sofia Hultén thematisiert in ihren Arbeiten Prozesse wie Zerstörung, Formung oder das Verschwinden von Gegenständen. Das instabile Gleichgewicht von Ordnung und Chaos, von Destruktion und Schöpfung wird immer wieder befragt und beansprucht. Den Anfang bildet eine Fragestellung, die anhand zahlreicher Experimente geprüft, doch zumeist nicht abschließend beantwortet wird. Vielmehr liegt der Reiz im Umkreisen der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten, im Umweg selbst. So werden Fundstücke unterschiedlichster Herkunft auf ihre Eigenschaften, ihre Materialität und Bedeutung hin untersucht. Auf subtile Weise geht die Künstlerin der Beziehung zwischen Menschen und Gegenständen, dem Verhältnis zwischen herkömmlicher und möglicher Funktion auf den Grund. Dafür begibt sie sich stets aufs Neue in Situationen und an Orte, deren Beschaffenheit sie verändert, wo sie mitgebrachte Dinge umgestaltet, einsetzt bzw. Vorhandenes entfernt. Filme, Fotografien oder die transformierten Gegenstände selbst sind Ergebnis zahlreicher künstlerischer Eingriffe und offenbaren die Fingiertheit gesicherter Abläufe. In ihrer Ausstellung "Mutual Annihilation" im Künstlerhaus Bremen setzt sich Sofia Hultén mit der Dimension Zeit auseinander und hinterfragt deren Gültigkeit und Wirkungsgrad, indem sie den natürlichen Zyklus aus Entstehung, Wandel und Zerfall unterbricht. Der Terminus "Mutual Annihilation" entstammt der Teilchenphysik und bezeichnet das Phänomen der gegenseitigen Aufhebung: Trifft ein Elektron auf ein Positron erlischt zwar die Materie, doch gleichzeitig wird Energie in Form eines Lichtblitzes freigesetzt. Damit verbunden ist der Gedanke, dass ein Positron manchmal als ein in der Zeit zurückgehendes Elektron interpretiert wird. Dieses innere Prinzip greift auch Sofia Hultén auf, wenn sie bereits gebrauchte Objekte in ihren Originalzustand rückversetzt, um schließlich wieder beim Ausgangszustand zu landen. Zwei entgegengesetzte Bewegungen heben sich nicht vollständig auf, sondern generieren gleichzeitig eine neue Struktur. "Mutual Annihilation" beginnt dort, wo es endet, fließt ungebremst simultan vorwärts und rückwärts. Durch die Umkehrung kausaler Prozesse werden Folgerichtigkeiten gestört und unsere Vorstellungen von einer progressiven, linearen Entwicklung unterwandert.

Sofia Hultén (*1972) lebt in Berlin und Birmingham. Sie studierte an der Sheffield Hallem University Bildhauerei. Ihre Arbeiten waren unter anderem bei Einzelausstellungen in der Ikon Gallery, Birmingham, dem PS1, New York und sind ab September 2008 im Magasin 3, Stockholm zu sehen. Neben anderen Förderungen erhielt sie das IASPIS Studio Scholarship sowie Stipendien des DAAD und des Berliner Senats.

Anlässlich von "Mutual Annihilation" erscheint in Zusammenarbeit mit der Ikon Gallery, Birmingham eine zweisprachige Publikation, die Sofia Hulténs Werk seit dem Jahr 2001 dokumentiert.