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Im Winter 2015/16 widmet die Kunsthalle Düsseldorf dem renommierten, chinesischen Künstler SONG Dong (* 1966 in Peking, lebt und arbeitet dort) eine große Einzelausstellung.

In seiner künstlerischen Praxis verbindet SONG Dong verschiedene Medien wie Fotografie, Video, Installation und Performance und prägt seit Mitte der 1990er Jahre entscheidend die zeitgenössische Konzeptkunst in China mit. Basierend auf biografischen Erlebnissen thematisiert der Künstler, wie sich kulturelle und geschichtliche Ereignisse sowie wirtschaftliche und politische Umstände konstitutiv auf das individuelle Leben auswirken. Seine Werke zeichnen sich durch eine ausdrucksstarke Bildsprache aus, die auf feinsinnige Weise oftmals diffizile Lebenssituationen konkret beschreibt. Indem SONG stets einen persönlichen Zugang wählt, bietet er den Betrachterinnen und Betrachtern die Möglichkeit, die Realität der dargestellten Personen nachzuempfinden. Nicht zuletzt wird diese Identifikation mit problematischen Umständen kultureller, emotionaler oder ökonomischer Natur durch einen Impuls zur Veränderung getragen.

2005 erstmalig in Peking, später unter anderem auch im Museum of Modern Arts (New York) präsentiert, stellt Waste Not das Hauptwerk von SONG Dong dar. Diese Installation besteht aus einem Holzhaus und über 10.000 Haushaltsobjekten seines Elternhauses. Als Zeitgenossen der armutsreichen 50er und 60er Jahre gehörten seine Eltern zu der Generation, die darauf angewiesen war mit Wenig auszukommen. Das Sammeln und Aufbewahren von vermeintlichem Müll wie überflüssigen Gegenständen (zum Beispiel Eimer) oder Resten (wie Seifenbrocken) war aufgrund der kritischen wirtschaftlich-politischen Situation – hervorgerufen durch die kommunistische Herrschaft Chinas und die „Kulturrevolution“ – eine Notwendigkeit. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 2002 wandelte sich für SONGs Mutter diese ökonomische Überlebensstrategie in eine seelische. Das Horten von Dingen entwickelte sich zu einer obsessiven Praxis, welche durch das Füllen der Leere innerhalb ihres kleinen Hauses den Verlustschmerz und die Einsamkeit verdrängen sollte. Für die Realisierung von Waste Not bezog SONG aktiv seine Mutter und weitere Familienmitglieder ein und setzte damit einen Prozess der Trauerbewältigung in Gang. Die Katalogisierung und Ordnung der Objekte erforderte eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und bot Anlass zu zahlreichen Gesprächen und Geschichtenerzählungen zwischen Mutter und Sohn. Installiert, lädt Waste Not das Publikum ein, über die Objekte die kulturelle Geschichte mittels einer sehr privaten Einsicht in das Leben von SONG Dongs Eltern zu erkunden. Die akribisch nach Art und Farbe sortierten Gegenstände überwältigen in ihrer Fülle, ohne dass die Relevanz der einzelnen Dinge verloren geht.

Das Vergängliche, eine sich transformierende Gegenständlichkeit und Gesten als Mittel zur künstlerischen Artikulation bilden wichtige Charakteristika innerhalb SONGs Schaffen und markieren darüber hinaus seine von Zen geprägte Herangehensweise. SONG nimmt explizit auf die Zen-Philosophie Bezug mit seiner für die dOCUMENTA (13) entwickelten Arbeit Doing Nothing Garden: eine Entropie in Form von etwa sechs Meter hohen Hügeln aus Bauschutt und organischem Abfall, vollkommen bedeckt mit Gras und Blumen. Versehen ist der Garten mit gelben, chinesischen Neonschriftzeichen, die einen nicht zu übersetzenden Satz über den Akt des Nichtstuns verkünden. Statt eine vermeintliche Passivität anzuprangern, verhandelt SONG die Dialektik zwischen Handeln und Nicht-Handeln. Er fragt damit welchen Wert wir unseren Tätigkeiten beimessen und was wir überhaupt als solche anerkennen.

SONG Dong graduierte 1989 in Malerei/Bildender Kunst an der Capital Normal University in Peking. Nach der gewaltsamen Unterdrückung eines Volkaufstandes am Tian’anmen-Platz, bekannt als Tian’anmen-Massaker, brach Song Dong abrupt das Malen ab und konzentrierte sich fortan auf eine konzeptionelle, künstlerische Praxis, welche die politischen Umstände des Landes mitreflektiert.
Seine Werke wurden unter anderem gezeigt auf der Gwanju Biennale in Südkorea, wo er 2006 mit einem Preis ausgezeichnet wurde, im Museum of Modern Art (New York), Centre Pompidou (Paris), Haus der Kulturen der Welt (Berlin), sowie bei der dOCUMENTA (13) in Kassel.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Groninger Museum.