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J. Huizinga: "Kultur entfaltet sich im Spiel und als Spiel." In der postindustriellen „Freizeitgesellschaft“ mit ihrer Medien- und Unterhaltungsindustrie scheinen sich Spiel und Spaß als Entertainment überall hin ausgebreitet zu haben. Die Gegenüberstellung von Spiel und dem Ernst des Lebens scheint aufgehoben: „Das ganze Leben ist ein Spiel“. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Begriff, der sowohl in der Natur- und Gesellschaftswissenschaft, Politik, Ökonomie, Psychologie und Pädagogik eine Rolle „spielt“? Besonders die Künste sind aufs engste mit Spiel assoziiert, nicht nur das Theater und die Musik, deren Aufführungen immer „gespielt“ sind, sondern gerade auch die Bildenden Künste, die im 20. Jahrhundert verschiedenste „Spielformen“ erprobten.

Schon in den sechziger und siebziger Jahren hatten Kunstrichtungen wie die Kinetische Kunst, Aktionskunst, Fluxus und Happening den herkömmlich passiven Zuschauer in einen kreativen Prozess einzubinden versucht. Auch ein erweiterter Skulpturen – Begriff, wie ihn Beuys und andere Künstler vertraten, verband sich mit einer Utopie der Aufhebung von entfremdeten Zuständen in der Gesellschaft. Kunst nahm damit interaktive und partizipative Aspekte auf. Wie das Spiel sollte die Kunst den Zwängen der Realität entgehen und in einem nicht von Zwecken und Interessen bestimmten Freiraum "kreative" Energien zur Entfaltung bringen und auf einer symbolhaft-spielerischen Ebene gesellschaftliche Prozesse reflektieren. Das aufklärerische Argument des "interesselosen Wohlgefallens", das Kant in der Kunst als dem "schönsten aller Spiele" sah, ebenso wie das des "freien Spiels mit der Schönheit" (Schiller), welches zur ästhetischen und schließlich moralischen Erziehung des Menschen führt, steht immer noch bei der Beschäftigung mit dem Phänomen Spiel am Anfang.

Wenn damit schon die Bereiche Kunst und Künstler, Kind und Pädagogik angerissen sind, so ist Spiel und Spielerisches fast überall zu finden: in Mathematik und Chaosforschung, in Bio-Technologie und Philosophie - und natürlich im Sport. Alte Gegensatzpaare wie Spiel und Arbeit, Vergnügen und Erkenntnis scheinen aufgehoben, ohne jedoch die Komponenten des Spiels, nämlich Regeln, Zufall oder Strategie auszuhebeln. Künstlerische Arbeit wird per se als Spiel, als spielerische Herangehensweise an Problemstellungen verstanden und als Gleichsetzung mit Kreativität auf andere Arbeitsbereiche übertragen und propagiert. Somit wird das Spielen, welches nur dem Kind vergönnt war, auf immer breitere gesellschaftliche Felder ausgedehnt. Ja, es scheint geradezu ein gesellschaftliche Spielsucht ausgebrochen zu sein.

23 internationale zeitgenössische Künstler zeigen zu den Themen Rollenspiele, Körperspiele, Gesellschaftsspiele und Spielorte ihre Arbeiten, die teilweise die Besucher zum Mit-Spielen verführen.

Sophie Calle, Christoph Draeger, Öyvind Fahlström, Belu-Simeon Fainaru, Peter Friedl, Carsten Höller, Martin Honert, Mike Kelley, Tracey Moffat, Beverly Naidus, Takako Saito, Georgina Starr, Mindaugas Tendziagolskis, Erwin Wurm. Video/Film-Kunst von Sun Tek Chung, Andrea Fraser, Mark Formanek, Peter Land, John Bock, Christian Jankowski, Florian Slotawa, Uri Tzaig, Susanne Weirich.

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