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Zu diesen Plastiken

Manche davon sind - um es mit der Unmittelbarkeit ihrer Wirkung auszusprechen - analytische Fragmente, haben etwas von geöffneten, organischen Hohlräumen, von Anleitungen für die Operation, die der Betrachter (auch als Selbst des Künstlers) vornehmen muß, um all- an- und -einsichtig und tatsächlich durchsichtig zu machen, was sonst als Hülle nur ein durchlöchertes Äußeres wäre. Der Künstler legt ideale Schnitte, deren Lineament sauber das Vorhandene vom nicht mehr vorhandenen trennt - dessen ehemalige Anwesenheit (oder zumindest ideale Anwesenheit) sich aber im Grundriß der Schnitte zeigt. Sogesehen seziert der Künstler das Fragment als Form der reinen Anschauung aus dem Komplex des labyrinthischen Wachstums, der wuchernden, möglichen Formen. Er entwirft das Fragment als das Zentrum einer unendlichen Verwicklung des Lebens, als das Herz des Golem, der alle Formen verschlingt. Andere davon entwerfen ihr amorphes, organisch gewordenes Sein aus der Überwindung einer Vorstellung des Vollkommenen, wie es uns im Allgemeinen durch Funktionalität und Angewandtheit vertraut ist. Aus dieser Absprache mit dem Ding, daß darauf liegen bleibt, was man daraufgelegt hat, oder daß man darauf Platz nehmen könnte, ohne abgeworfen zu werden, ziehen sich Reinholds quasi ehemalige Stühlchen leichtfüßig zurück: sie haben mit ihren geglätteten, reduzierten, gefesselten und in jeder Hinsicht unterdrückten Vorfahren nicht mehr viel zu tun. Statt dessen wächst ihnen eine neue Sinnlichkeit an, die sie bald wird sehend und gehend machen. Oder aber eine Schale, die getragen worden ist, wie man an den Abdrücken der Hände sehen kann, und dann auf drei rote Steine gelegt wurde, oder besser: drei Nacherzählungen von Steinen oder ganz geschlossene, zugewachsene Schädel (da sie ihrer Öffnungen, ohne Leben, nicht mehr bedürfen). Zuunterst also der Tod, und leicht daraufgelegt das offene Leben, die getragene, gehaltene Lebendigkeit, in der sich alles versammelt, was mit dem Licht durch die Augen geht.

Otmar Rychlik

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Stand und Gegenstand, Plastiken von Thomas Reinhold