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Statement #20 | AG Minimales Reisen — Parallelprotokolle

Projektpräsentation, 25. Jänner 2023, 14 – 18 Uhr
Performance, 25. Jänner 2023, 17 Uhr

„in der alten kunst werden alle bücher in der gleichen weise gelesen.
in der neuen kunst erfordert jedes buch eine andere art zu lesen.“
Schon vor knapp einem halben Jahrhundert machte der Künstler, Schriftsteller, Herausgeber und Buchhändler Ulises Carrión in seinem Manifest Die neue Kunst des Büchermachens zum Thema, dass jedes Künstler
innenbuch eine spezifische Art der Betrachtung herausfordert. Und wie verhält es sich mit dem Schreiben? Mit dem Produzieren von Büchern? Ähnlich, wenn man Stefie Steden und Anna Firmberger von der AG Minimales Reisen folgt. Mit performativen Schreibwerkstätten, ihren sogenannten Parallelprotokollen, erschließen sie sich den jeweiligen Ort der Produktion zwar mit derselben künstlerisch-literarischen Methode, die Ergebnisse könnten aber nicht unterschiedlicher sein. Schreibend und im Kollektiv dokumentieren alle Mitwirkenden für einen bestimmten Zeitraum das umliegende Geschehen am Austragungsort der Performance und alles, was ihnen dabei durch den Kopf geht.

Unter dem Motto „Schreiben, ordnen, vorlesen. Langsam und unsystematisch den Ort erfassen.“ entstehen vielstimmige Texte, die auf die jeweilige Umgebung, aus der heraus sie geboren wurden, reagieren. Mit den Parallelprotokollen konstituiert die AG Minimales Reisen in einem vorstrukturierten Schreibprozess Beziehungen zwischen unterschiedlichen Parteien: Im Kunstraum Lakeside kommen die Mitwirkenden, die sich frei am umliegenden Campus bewegen, nicht nur miteinander und mit dem architektonischen Innen und Außen des Raums in Kontakt, sondern auch mit den institutionellen Voraussetzungen und der relativen Autonomie einer künstlerischen Produktions- und Präsentationsstätte, die in einem Wissenschafts- und Technologiepark eingebettet ist.

Die AG Minimales Reisen versteht sich als anti-elitäre Künstlerinnen-Initiative. Ihr Anliegen ist es, unterschiedliche Menschen und Wirklichkeiten aufeinandertreffen und so die Welt in ihrer vielfältigen Gleichzeitigkeit sichtbar werden zu lassen. Das Reisen begreifen sie dabei als zentrale Kulturtechnik unserer Zeit und nutzen deren Mechanismen, um verschiedene, an künstlerischen Prozessen und Recherche ausgerichtete Formate zu initiieren. Aus den Texten der Parallelprotokolle produzieren sie konzeptuelle Künstlerinnenbücher, die in der Folge konzeptueller Kunst verstanden werden können. Sol LeWitt zufolge benötigen derartige, durchaus als demokratisch zu verstehenden Publikationen „keinen besonderen Ort, um angesehen zu werden. Sie sind nur wertvoll im im Hinblick auf die Ideen, die sie beinhalten. […] Es handelt sich um eigene Werke, keine Reproduktionen von Werken. Bücher sind für viele Künstlerinnen, die heute arbeiten, das beste Medium. Das Material, das auf Galeriewänden ausgestellt wird, kann in vielen Fällen auf diesen Wänden nicht besonders gut gesehen/gelesen werden, aber es kann viel leichter zuhause unter weniger einschüchternden Umständen gelesen werden. Künstlerinnen wollen, dass ihre Ideen von so vielen Menschen wie möglich verstanden werden. Bücher erleichtern es, diesen Anspruch zu erfüllen.“**

* Ulises Carrión, The New Art of Making Books, in: Ders.: „Second Thoughts“, VOID Distributors, Amsterdam 1980, S. 20 (Übers. des Autors).
** Sol LeWitt, Statement on Artists’ Books, in: Walter Robinson und Edit DeAk (Hg.), „Art-Rite Magazine“ #14,Winter 1976 ⁄ 1977, S. 10 (Übers. des Autors).

AG Minimales Reisen
Konzept: Stefie Steden
Umsetzung vor Ort: Anna Firmberger und Stefie Steden
www.minimalesreisen.de