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Viele Performances von Stefanie Trojan erinnern an die "Feldexperimente" der qualitativen Sozialforschung. Sie bringt soziale Interaktion und Kommunikation, die je nach Rahmen durch eine Vielzahl unsichtbarer aber starrer Regeln und Normen bestimmt ist, durch gewisse Regelverletzungen ins Wanken - und macht dadurch eben diese Regeln sichtbar und fühlbar. Die Regeln, die gewöhnlich hinter dem unhinterfragten Alltagshandeln und dem Selbst-verständlichen verborgen liegen, werden durch Trojans konsequente Überschreitungen sozusagen bis zur Kenntlichkeit entstellt.

Indem sie in ihren Aktionen die Besucher von Ausstellungen konkret anredet, sie zu etwas auffordert oder auf etwas hinweist, durchbricht sie die stillschweigenden Übereinkünfte darüber, daß etwa das Publikum anonym bleibt, oder die Aufteilung in Aktive (Künstler, Darsteller) und Passive (Betrachter, Rezipienten). Der zunächst unbeteiligte Zuschauer wird, so angesprochen, schlagartig zum Teilnehmer und zum Bestandteil der Arbeit; er ist es, der nun von den anderen Besuchern angesehen, beobachtet wird. Der Versuch, in die gewohnte Rolle zurückzukehren, ist vergeblich, solange er in dem Dispositiv aus Künstlerin, Aktion, Publikum und Raum verbleibt; Ignorieren hilft ebensowenig wie irgendeine bestätigende, negierende oder ausweichende Reaktion. Denn Trojan reagiert nicht darauf. Mit irritierender Gelassenheit und fast entrückter Selbstsicherheit hält sie jedem herausfordernden Blick, jeder Reaktion stand - und läßt das Gegenüber ausgesetzt, entblößt und auf sich selbst zurückgeworfen gewissermaßen im Regen stehen.

Daß Trojan bei ihren Performances häufig zeitweise ganz oder teilweise unbekleidet agiert ist keine feministisch oder tabukritische motivierte Provokation mehr, sondern dient eher einer Verstärkung dieses Umkippens der Machtverhältnisse zwischen beobachtetem Objekt und beobachtendem Subjekt - und ihren jeweiligen sozialen Hüllen.

Der überraschende, prozessuale, situationistische Charakter von Stefanie Trojans Arbeiten legt es nahe, vorab nichts Konkretes über die aktuelle Performance zu verraten. Die Interessierten lassen sich am besten vor Ort damit konfontieren.

Zusätzlich zur aktuellen Performance werden in der Galerie Royal in einem separaten Raum fotografische und filmische Dokumentationen ausgewählter früherer Performances gezeigt. www.stefanietrojan.de

Stefanie Trojan über ihre Arbeit:

„Seit fünf Jahren arbeite ich performativ sowohl im Innen- als auch im Außenraum. Ich hinterfrage die Gewohnheiten der Menschen und stelle sie dem Betrachter in einer Aktion wieder gegenüber. Dabei geht es vor allem um gesellschaftliche Verhaltensmuster, um Gewohnheiten, um Alltägliches.

Wie stark werden wir von unserer Umwelt dominiert, sind wir in unserem Zeitkontext gefangen. Ich entwickele meine Performances wie soziale Untersuchungen, überprüfe Routine und Tabus auf ihren Wert und gebe meine Fragen an den Betrachter weiter.

Ich arbeite nicht mit Bildern sondern mit dem Erleben. Eine wesentliche Frage ist: Was kann der Betrachter mit mir erleben? Kann er mit mir über Grenzen der Gesellschaft gehen, über Tabus hinweg? Wo liegen die eigenen Grenzen, die wir uns innerhalb einer Gesellschaft auferlegen? Was sind Traditionen? Warum sind sie uns so wichtig? Und warum sind sie uns so unwichtig? Über uns selbst hinaus wachsen, uns selbst nicht so ernst nehmen, über uns lachen können.

Ich versuche in meinen Arbeiten immer die Gegebenheiten eines Ortes aufzugreifen, auf das Umfeld und die Menschen dort zu reagieren. Ihre Gewohnheiten zu analysieren und sie in Form einer Performance damit zu konfrontieren.

Über die Beschäftigung mit der figürlichen Skulptur bin ich zum Einsetzen meiner eigenen Person als künstlerischem Material und zur Performance gekommen. Wesentlicher Bestandteil meiner Arbeiten ist jedoch die Reaktion des Betrachters. Ich gebe die Aktion an ihn weiter, lasse die Performance durch ihn erst entstehen.“

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