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Vernissage im Rahmen des Season Opening: Freitag, 5. September, 17 – 21 h

Wir freuen uns sehr über unsere zweite Ausstellung mit Arbeiten des britischen Konzeptkünstlers Stephen Willats, die neue Zeichnungen, Diagramme und Filme vorstellt. Attracting the Attractor rückt als erste Ausstellung in der Schweiz Willats’ Zeichnungen in den Mittelpunkt und erkundet seine Verwendung des Diagramms als grafisches Mittel zur Veranschaulichung der Ideen hinter seinem Schaffen. Der Künstler ist der Schweiz und Deutschland seit Langem verbunden – neben seinem Heimatland England, wo er in den letzten 18 Monaten drei grössere Ausstellungen hatte: in der Raven Row und der Whitechapel Gallery in London sowie in der Modern Art Oxford. Stephen Willats ist ein Pionier der Konzeptkunst. Sein Werk umfasst Zeichnungen, fotografische Wandarbeiten und Installationen, Diagramme, Filme und interaktive Projektarbeiten. Über die vergangenen fünf Jahrzehnte hat er Netzwerke, kybernetische Theorien von Interaktion, Kommunikation, Wahrnehmung und Feedback im sozialen Kontext untersucht und fortwährend neue grafische Formate zur Auseinandersetzung mit diesen Konzepten entwickelt. Sein Werk stellt die traditionelle Rolle des Betrachters infrage, stets bildet die Beziehung zwischen Kunstwerk und Publikum eine entscheidende Triebfeder seines Schaffens. Inspiriert von Heinz von Foerster, einem wegweisenden Denker auf dem Gebiet der Kybernetik in den 1960er-Jahren, entfaltet Attracting the Attractor Foersters Begriff des seltsamen Attraktors – der unbekannten Kraft als Motor von Situationen. Diese Kraft selbst ist unsichtbar, doch den Teil der Situation, der sichtbar ist, kann man sich zu eigen machen. Zum Beispiel weiss man beim Blick auf einen Passanten nicht, woher er kommt, wohin er geht, oder warum er unterwegs ist. Doch solange diese andere Person im eigenen Blickfeld, im eigenen Bezugsrahmen weilt, kann man den eigenen Kontext beisteuern – als „angewandte Theorie“, die einen möglichen Sachverhalt repräsentiert und die eigene Beziehung zum Passanten umso komplexer werden lässt, je länger man sie auf ihn projiziert. Die Arbeiten auf Papier, ausgeführt mit Wasserfarben, Acryl, Bleistift und Letraset, sind zwischen 2010 und 2013 entstanden. Sie zeigen verschiedenartige Diagramme, Denkabläufe, Muster und Reihungen, deren Komplexität sich beim Hinzufügen unterschiedlicher Bestandteile in Schichten und Farben entwickelt. Die feinen Bleistiftgitter werden kleiner, Farben vereindeutigen und verdichten sich. Folgt man Pfeilen, kann man in ein Labyrinth mit oder ohne Ausgang geraten: Wie in unseren Gedanken gibt es verschiedene Alternativen, doch man muss zuweilen verschiedene Wege einschlagen, um eine Lösung zu finden. Willats hat für die Ausstellung auch drei neue Filme geschaffen. Der eine porträtiert eine Reihe von Menschen zu zweit und erkundet, wie wir andere Menschen betrachten und wie wir die Signale deuten, die ein Bild eines Paares über seine Beziehung offenbart. Die anderen beiden – Stilllebenfilme – konzentrieren sich auf die Verhältnisse zwischen den Formen unbelebter Gegenstände und verwandeln die Grösse von Alltagsgegenständen wie zum Beispiel Vasen in etwas viel Monumentaleres und Mysteriöseres. Willats’ Interesse an Soziologie, Psychologie, Kommunikation und Zufällen zeigt sich in seinen Zeichnungen, Filmen und Fotografien des täglichen Lebens in einer Grossstadt, die den Blick auf zwischenmenschliche Kommunikation richten – ob tatsächlich stattfindend oder imaginiert, ob in Worten oder Gesten. Dies führt zu weiteren Konversationen und Gedanken. In unserem täglichen Leben sind Konversationen kürzer, direkter, häufiger. Durch Mobiltelefone und das Internet sind wir aneinander gebunden. Privatheit und Privatsphäre sind rar und können denen, die an permanente Kommunikation gewöhnt sind, unangenehm sein. Stephen Willats’ Arbeiten befinden sich u. a. in den Sammlungen der Berliner Nationalgalerie, des Museums Folkwang in Essen, des Museums Ludwig in Köln, des Landesmuseums Münster, des französischen Fond national d’art contemporain (FNAC) sowie verschiedenen Fonds régionaux d’art contemporain (FRAC), des Van Abbemuseums in Eindhoven, des Kunsthauses Zürich, des Zürcher Migros Museums, des New Yorker Museum of Modern Art, der Londoner Tate Gallery sowie der National Portrait Gallery und des Victoria & Albert Museums. 2011 war Willats Teilnehmer der ART BASEL Conversations, die von Hans-Ulrich Obrist moderiert wurden. Seit 1965 gibt Stephen Willats das Magazin CONTROL heraus. Issue Nineteen (2014) ist in der Galerie erhältlich. Die nächsten Ausstellungen des Künstlers werden u. a. im Museo Rufino Tamayo in Mexiko-Stadt, im Rahmen der Shanghai-Biennale, in die Kunsträumen MD72 und DAAD in Berlin gezeigt.