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Eröffnung: Freitag, 05. April 2008, 19h

Pressetext:

Februar 2008 - Die neue Ausstellung der international renommierten Künstlerin Susan Hiller in der Galerie Volker Diehl befasst sich mit bedrohten bzw. ausgestorbenen Sprachen sowie dem Bedeutungsverlust tribaler Bild- und Zeichensysteme. Anlass der Ausstellung ist Susan Hillers Beteiligung an der 5. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst, auf der Werke der Künstlerin gezeigt werden, die mit der Galerieausstellung inhaltlich verbunden sind. Im Zentrum der Ausstellung stehen rätselhafte, archaische Symbole, die Hiller in verschiedenen Teilen der Welt entdeckt hat. Auf ihren Reisen durch Irland, Frankreich, Nord-Amerika und Australien hat sie Spuren prähistorischer kultureller Aktivität fotografisch dokumentiert, die auf Felsen oder in Höhen hinterlassen wurden. Wegen ihres hohen Abstraktionsgrads und unserer Unkenntnis über den Anlass ihrer Einschreibung stellt sich ein Großteil dieser Petrogylphen (in Stein geritzte bildliche und grafische Darstellungen) derzeit als unentzifferbar dar. Die ausgestellten Werke sind Piezo-Pigmentprints, die stark vergrößerte und digital modifizierte Ausschnitte der Fotos zeigen: Ein Prozess der Transformation, der die magisch-halluzinatorische Wirkung der verwitterten Symbole wieder gegenwärtig macht. Dabei geht es sowohl um eine eingehende Betrachtung dieser Symbole als auch um eine persönliche Meditation über deren verloren gegangene Bedeutung. Hillers Beschäftigung mit der verlorenen Bedeutung von Zeichen, die lediglich in ihrer materiellen Form, gewissermaßen als leere Hülle ohne Signifikat überliefert sind, vollzieht sich in der Ausstellung sowohl visuell als auch akustisch.

Komplementär zu den Prints ist die Arbeit Last Silent Movie von 2007 zu verstehen, die in einer zweiten Version auf der Berlin Biennale gezeigt wird. Vor einem projizierten Schwarzbild hört der Betrachter die Stimmen von Männern, Frauen und Kindern, die in seltsam klingenden Sprachen reden. Sie singen, erzählen Geschichten oder rezitieren Vokabellisten. Andere beklagen sich über das Unrecht, dass ihre Sprachen in Vergessenheit geraten sind und adressieren dabei direkt den Betrachter. Hillers Ton-Choreographie thematisiert auf unheimliche Weise den Prozess historischer Auslöschung und der Flüchtigkeit kultureller Überlieferung. Gleichzeitig befragt die Künstlerin das eurozentrische Konzept und Selbstbild der modernen Zivilisation. Auf Last Silent Movie ist eine Serie von Radierungen bezogen, die mit den grafischen Darstellungen von Klangwellen der 24 unterschiedlichen Sprachen operiert, die in dem Video gesprochen werden. Der Titel „Journey to the land of the Tarahumaras“ verweist auf die Reise Antoine Artauds zu isoliert lebenden Tarahumara-Indianern im Norden Mexikos, bei denen der surrealistische Dichter und Dramaturg 1936 einige Monate lebte. Artauds Begegnung mit der indigenen Sprache und den Ritualen der Tarahumara – wozu u.a. die Einnahme der psychedelischen Kaktusdroge Peyote gehörte – war auch begleitete von der Entdeckung abstrakter Petroglyphen, in denen er einen linguistischen Hinweis auf eine urzeitliche universale Kultur erkannte, die gerade von der modernen abstrakten Kunst wieder entdeckt wurde.

Susan Hiller wurde 1940 in Tallahassee, Florida (USA) geboren und lebt seit 1969 in London. Ihr konzeptuelles, von anthropologischen Fragen geprägtes Werk hat großen Einfluss auf jüngere Künstlergenerationen. Es ist eine Ausgrabung der übersehenen, unbekannten oder verworfenen Bestandteile unseres kollektiven Alltags. In seiner Gesamtheit wurde es auch als eine Erforschung des "Unbewussten" unserer Kultur bezeichnet. Susan Hiller hat zahlreiche Preise gewonnen und ihre Arbeiten sind in bedeutenden Sammlungen vertreten, wozu u.a. das Museum of Modern Art in New York, die Tate Gallery in London, die UBS Art Collection, das Museum Ludwig in Köln und die Kunstsammlung des Deutschen Bundestages in Berlin zählen. Ihre künstlerische Karriere überspannt mehr als 30 Jahre und beinhaltet große Einzelausstellungen, unter anderem im Institute of Contemporary Arts, London (1986), in der Tate Liverpool (1996), in der Gagosian Gallery, New York (2001), im Baltic Center of Contemporary Art, Gateshead (2004), in der Kunsthalle Basel (2005), im Castello di Rivoli, Turin (2006) und im Moderna Museet, Stockholm (2007). In diesem Jahr ist ab März die sechsmonatige Installation von Hillers Video-Arbeit „Psi Girls“ in der Tate Modern, London, sowie eine Einzelausstellung in der BAWAG-Generali Foundation in Wien (Mai 2008) geplant. Im Herbst 2008 wird Susan Hiller mit einer Einzelausstellung im Kunstraum des Deutschen Bundestages geehrt. „Journey to the land of the Tarahumaras“ ist nach 2003 und 2006 Susan Hillers dritte Ausstellung in der Galerie Volker Diehl.