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Der Badische Kunstverein zeigt von Februar bis April 2010 die Einzelausstellung „Through the looking glass“ von Susanne M. Winterling. Winterling formuliert ihre künstlerische Arbeit in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Medien: Von Fotografie über Film, Collagen und Objekte bis hin zu raumbezogenen Installationen und Performances. Mit einer hohen bildhauerischen Sensibilität ordnet sie diese unterschiedlichen Materialitäten in immer neuen und überraschenden Konstellationen an, die pointiert auf die jeweilige Raumsituation des Ausstellungsraums reagieren.

Winterling entwickelt im Badischen Kunstverein eine neue Serie räumlicher Interventionen, die in engem Bezug zur Architektur und Geschichte des Kunstvereins stehen. Sie nimmt verschiedene Strukturen und architektonische Elemente des Gebäudes auf oder verweist auf versteckte Details, die auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. So lädt sie die Betrachter ein, die offenen und verborgenen Geschichten des Kunstvereins zu entdecken und den kulturellen Kontext für eine alternative, auch kritische Betrachtungsweise neu zu öffnen. Diese Untersuchung der verschiedenen Embleme und Räume bürgerlicher Öffentlichkeit verknüpft sich mit einem weiteren zentralen Motiv der Ausstellung: das der (weiblichen) Adoleszenz auf der Schwelle zur Individuation und Selbstfindung. Schmuck, Porzellanfiguren und Embleme der Punk- und Gothic-Kultur sind nur einige der konkreten Verweise auf die – auch biografisch motivierten – Obsessionen aus der Teenagerzeit.

Die Suche nach der eigenen Identität und Individualität übersetzt die Künstlerin aber vor allem durch den formalen Einbezug des Spiegelmotivs. Der Spiegel ist dabei selbstbezügliches Modul sozialer und politischer Reflexionsdynamiken und zugleich wichtiges Instrument für Selbsterkenntnis und Selbstvergewisserung. Allerdings basiert der Blick in den Spiegel als Erforschung des eigenen Ichs immer nur auf einem Abbild, einer künstlichen Projektion – für Winterling der entscheidende Anknüpfungspunkt für ihre Inszenierung einer imaginativen Welt, die sie der vermeintlichen Realität im Ausstellungsbetrieb entgegenstellt. Was passiert mit unseren Wahrnehmungsgewohnheiten, wenn sich die Perspektive verschiebt, die Architektur doppelt, die Hierarchien verschwimmen? Wie in Lewis Carolls Erzählung „Through the looking glass“ (1871) sperrt sich diese neue Welt gegen gängige Normen und Konventionen und entwirft ein spielerisches Gegenbild, in dem sich die Zeiten und Räume verkehren, das Außen stülpt nach Innen, der Spiegel die Realität ersetzt und das Schachspiel als strategische Metaebene der Handlung fungiert.

Eng verknüpft mit diesen Fragen nach der eigenen Identität und Prägung ist die Einrichtung einer „Hall of Fame“ im Waldstraßensaal des Kunstvereins. Bereits in früheren Arbeiten bezieht sich Winterling auf Künstlerinnen wie Eileen Gray, Berenice Abbott oder Annemarie Schwarzenbach, die paradigmatisch für einen weiblichen Kampf um Autonomie und künstlerische Freiheit in einer zumeist männlich dominierten Geschichte der Moderne stehen. Diese und andere weibliche Vorbilder bringt die Künstlerin nun erstmals zusammen und fordert den Ruhm, der ihnen gebührt.

Susanne M.Winterling (*1970, lebt in Berlin) studierte zunächst Philosophie und Kunstgeschichte, anschließend Bildende Kunst an den Hochschulen in Hamburg und Braunschweig und war Gründungsmitglied der Akademie Isotrop, Hamburg. Einzelausstellungen (Auswahl): 2009, GAK, Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Bremen; Galerie Lüttgenmeijer, Berlin; The Front Room, Contemporary Art Museum, St. Louis; Hiromi Yoshii, Tokyo, Fondazione Morra Greco, Neapel 2008, Art Basel: Statements Basel (Daniel Reich Gallery). Gruppenausstellungen (Auswahl): 2009, Little Theatre of Gestures, Museum für Gegenwartskunst, Basel und Konsthall Malmö; Modern Modern, Chelsea Art Museum, New York; Scorpio’s Garden, Temporäre Kunsthalle, Berlin; 2008, twice upon a time, Galerie Andreas Huber, Wien; 5. berlin biennale; geschichtet, Kölnischer Kunstverein.

Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der GAK, Gesellschaft für aktuelle Kunst in Bremen.