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Die Arbeit von Sven Fritz, geboren 1976 und gegenwärtig Student an der Kunstakademie Düsseldorf bei Thomas Grünfeld, ist geprägt vom Spiel mit Ambivalenzen, ihrer Ausweitung und Zuspitzung. Im Titel bildet sich auf struktureller Ebene seine Vorgehensweise wie auch die Wirkung seiner Malerei ab: auf der einen Seite die Mehrdeutigkeit des Begriffes Tropen zwischen klimatischer Zone und bildhafter Ausdrucksweise in der antiken Stilistik und Rhetorik; auf der anderen der formale Umgang mit der Motivik auf den klein- und mittelformatigen Leinwänden.

Für seine Arbeiten greift Fritz auf bildliche Vorlagen aus einem differenzierten Gesamtspeicher zurück. Abbildungen aus den Printmedien und dem (wertfreien) Fundus des Internet selektiert er nach strukturalen Mustern, z.B. dem Verhältnis von Figur und Grund; eigene Kritzeleien und Entwürfe sind als Vorstellungsnotizen bereits durch seinen Wahrnehmungs- und Erinnerungsfilter gesickerte und damit gewertete Artefakte. Aus diesem Archiv wählt er dann diejenigen Bildartefakte aus, die sich im Besonderen für den malerischen Prozess der Differenzierung, Reduktion und Verdichtung zu archetypisch zeichenhaften Figurationen eignen. Während der malerischen Genese der Bilder, die an den Schichtungen, Abtragungen und Korrekturen noch abzulesen ist, verlieren die Bildvorlagen an bezeichnender Eindeutigkeit, sie konzentrieren sich zu schablonenartigen Formen im farbigen Gefüge.

Die Reduzierungen der Gegenstandsformen stehen einer Differenzierung von Körper und Form der Farbe ebenso entgegen wie einer signifikativen Aufspreizung. Für dieses subtile Arbeiten mit den Qualitäten der Farbe zwischen Opakheit und Transparenz, Luzidität und Absorption erweist sich die Ölfarbe als ideales Medium. Durch diese sinnliche Präsenz im Verein mit der fast heraldisch-emblematischen Formensprache gelingt es Sven Fritz, Bilder von tatsächlich ikonischer Aura herzustellen, anstatt nur das Bildmuster der Ikone als Code zu zitieren. Von einer Geschichte, einem mythischen Raum, bleiben in den Arbeiten nur epische Leerstellen, Lakunen in der Geschichtetheit, signifikative Fossilien, drusische Einschlüsse.

Der Betrachter oszilliert vor den Bildern zwischen dem Schweifen in den Raum der Assoziationen, der möglichen Bedeutungen der figürlichen und monumentartigen Motive (er folgt dem Deuten, ohne an einen Endpunkt gelangen zu können) und dem Erleben des materiellen Gegenübers im konkreten Erfahrungsraum. Die Betrachtung bleibt im Schwanken und folgt damit den Ambivalenzen von Figur und Grund, Positiv- und Negativformen, zwischen Räumlichkeit und Flachheit, Körper und Gefäß.

So bewegt sich ein Decodierungsversuch bei dem kleinformatigen Bild 'Chin' auf syntaktischer Ebene immer zwischen körperhafter Form im Raum und Öffnung einer Lage vor einer anderen hin und her; zur Schablone geronnener Gegenstand oder Stanzung einer Schichtung? Semantisch kreist die lichte, gleichzeitig verdichtete und tiefe Form vom silhouettenhaften Portrait zum keramischen Behälter, vom Kriegerkopf zur Urne, vom irrisierenden Nebel zur festen Glasur – und wieder zurück. Das Verhältnis der Farbmaterie zum Träger, der Formen zum Rand (wie die Blauform nach außen flieht und die hellen Spalte zeigen, dass der graue Fond kein Fond ist) hält das Sehen in brisanter Schwingung.

Auf ganz ähnliche Weise bleibt das mittelformatige Bild 'Kanzler' in der Schwebe: die zentral plazierte Figur lässt sich als Positiv- aber eben auch als Negativform lesen, als spielfigurenartiger Körper mit spiegelnd transparenter Oberfläche oder als Durchsicht in einen erdigen Sedimentschnitt. Delikat wirken hier der Abstand zum unteren Rand der Leinwand und die Schabungen im grünlich hellen Umraum, die nicht nur untere Farbschichten durch die Verwundungen blitzen lassen, sondern gar die Fasern des Stoffes entblößen. Ein Bild, das in Bezug auf die Struktur seines Materials wie auch seiner Zeichenhaftigkeit fadenscheinig ist: es legt das Gewebe der Signifikation frei. Zugleich lässt es inhaltlich den Raum für ein Pendeln zwischen majestätischer Schwere und Würde und verspielt leichter Beiläufigkeit.

In 'Polymer' dagegen zeigt sich besonders das Spiel zwischen farbmaterieller Autonomie der Formen und ihrer intentionalen Willkür, dem Alibi der Bezeichnung. Formen organisieren sich gleichermaßen nach koloristischen wie symbolischen Parametern, verschieben und durchdringen sich, wie es die Wirkkräfte tun, denen sich ihre Entstehung verdankt; Formen vernebeln sich – und damit erst recht ihre Signifikate, so sie denn existieren. Ein blaues Gitter schiebt sich gegen ein gedrungenes, blumenkohlartig gegliedertes Haupt, das auf ihm ruht oder dessen Spieglung es ist; zwischen ihnen komprimiert sich ein erdrotes Glimmen: jedwede Assoziation bleibt allerdings geerdet, bindet sich zurück an die lichte Realität der Farbe. Letztlich bewegt sich Fritz aber auch hier in Grenzbereichen der Semiotik: welche Formgefüge lassen sich wann (und von wem) überhaupt noch sicher (!) als Repräsentanten einer Bedeutung lesen? Und: welcher Bedeutung?

Stephan Engelke

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Sven Fritz
Tropen