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“Es ist alles ganz einfach. Mit Benzin Gerichtsvollzieher übergießen, dann Kohleanzünder, sie sollen brennen. Dann: sie sollen anrücken mit ihren Autos, mit ihren Megaphonen, mit ihren Psychologen und schließlich ihren Ritterrüstungen und Gewehren. Ich werde die Kettensäge nehmen. Beim Aufstieg empfiehlt es sich, freundlich zu den Überholten zu sein, man begegnet ihnen beim Abstieg wieder. Was lange gärt, wird endlich Wut. Mit einem Vulkan ist nicht zu reden.“ aus: Ostdeutsche Landschaften

Die Bilder dieser Serie sind das Resultat einer zweimonatigen Reise durch Ostdeutschland, die Johne Ende 2004 zusammen mit Falk Haberkorn unternahm. Jedes Motiv ist mit einer Geschichte gepaart, die in journalistischem Schreibstil Zeugnis von aus Verzweiflung geborenem Wahnsinn ablegt. Da die Landschaften nicht lieblich und schon gar nicht blühend sind, vielmehr flach und karg, wird die vom Künstler letztlich nur behauptete Kongruenz von Text und Bild vom Rezipienten widerstandslos akzeptiert. Nur zu gerne glaubt er, diese ausgemergelten Landstriche sind nunmehr ausschließlich von gewissenlosen Schafsmördern, größenwahnsinnigen Geschichtsleugnern und militanten Wirtschaftswissenschaftlern bevölkert.

Auch in „Ship Cancellation“ und „Kleistners Archiv“, sozusagen die maritimen Gegenstücke zum historischen Genre des Landschaftsbildes, werden auf informationslose Freiflächen (in diesem Fall Meereswellen) gefundene, vielleicht erfundene, zweifelsohne aber vom Künstler ausgewählte Inhalte projiziert. Mühelos gelingt es Johne so, mit den Fotos ruhiger See, dramatische Bilder von Stürmen und Schiffsuntergängen zu evozieren. Abbildungen eher belangloser Ostseestreifen werden zu Schauplätzen ungewöhnlich tragischer Biografien. Es scheint, als würden in diesen Arbeiten Orte der Identität konstruiert, wie sie Pierre Nora in seinem Buch Lieux de mémoire beschreibt: als Orte, an denen Erinnerung stattfindet.

Sven Johne ist weder Fotograf noch Autor. Er ist ein Archivar von Dokumenten, die Zeugnis ablegen von Begebenheiten, die in ihrer Gesamtheit einen Einblick in die Absurdität des Daseins ermöglichen. Es ist dabei völlig belanglos, ob diese Dokumente objektiv überprüfbar oder frei erfunden sind. Johne nutzt den Reflex des Betrachters, den Glauben an das Abbild auf den Text zu übertragen und das eine als Beweis für das andere zu akzeptieren. Wenn hier und da Zweifel aufkommen, dann nur ganz leise. Es ist mehr eine Taktik der Vernebelung und Zuspitzung, der Halbwahrheiten und Schwerpunktverschiebungen die seine Arbeit bestimmt. Dieser Mann lügt nicht, er irritiert. Sollte sich am Ende herausstellen, dass Johne sich gerade bei den „Großmeistern der Täuschung“, deren Identität fast vollständig hinter ihren jeweiligen Geschichten verschwindet, am engsten an der Wahrheit hielt, wäre das nicht überraschend.

Sven Johne wurde 1976 geboren, er lebt und arbeitet in Leipzig.

Pressetext

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Sven Johne - Großmeister der Täuschung