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"Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." Ferdinand von Schill, in einer Ansprache auf dem Marktplatz von Arneburg an der Elbe am 12. Mai 1809

Die Sehnsucht nach dem Neuen. Nach endlosen Wiederholungen des längst Dagewesenen ist sie größer als je zuvor. Doch vor jedem Phoenix kommt die Asche, die symptomatisch für die Hoffnung auf einen Neuanfang nicht nur in Ausstellungen und Ateliers herumgeistert.

Ein kleiner in Metall gegossener Atompilz von Jone Kvie (*1971 in Stavanger/Norwegen, lebt und arbeitet in Malmö/Schweden) steht im Eingangsbereich der Ausstellung. Die Skulptur spielt mit dem Gegensatz zwischen dem Absoluten ihrer natürlichen Form und der ihr inhärenten Geste der Zerstörung. Ihre polierte Oberfläche ist eine Stilisierung, die sie einfach nur schön macht, aber auch unantastbar. Dabei reflektiert sie die Umgebung, absorbiert sie fast wie ein postmoderner Bau - wie auch den Betrachter, der als Reflektion im Symbol der Zerstörung schlechthin Teil der Arbeit wird.

Dahinter ist das Video Tate Modern von Chris Cornish (*1979, lebt und arbeitet in London/ Großbritannien) projiziert. Darin zu sehen ist das gleichnamige Museum an der Themse, jedoch nur mehr als Fragment der Zivilisation nach einem atomaren Schlag. Mit verwackelten Bildern sind Einstellungen eines Unortes festgehalten, einer Ruine, die im Verfall begriffen ist, schon von Bäumen statt Häusern umzäumt langsam überwuchert wird. Cornishs Computeranimation steht hier sowohl für die romantische Vorstellung einer Natur, die sich zurückholt was ihr einst gehört hat, wie auch für ein Ende des Systems Kunst und dessen Protagonisten - den Museen, Galerien und Institutionen, deren Banalität und Vergänglichkeit angesichts einer derart existenziellen Katastrophe vor Augen geführt wird.

Auch bei der großformatigen Arbeit von Sophia Schama (*1966 in Sofia/Bulgarien, lebt und arbeitet in Berlin) im nächsten Raum ist eine Ruine dargestellt - bei ihr allerdings im Medium der Malerei. Holzlatten stehen in alle Richtungen, geborstene Balken lassen noch eine ehemalige Behausung erahnen. Ein verbogener Metallzaun steht zwischen dem Betrachter und dem Bau, obsolet geworden markiert er das Ende einer gesellschaftlichen Ordnung von Besitz und Nicht-Besitz. Vor dem Zaun wuchert etwas, das in seiner Farbigkeit an Gras erinnert, das hier wieder an Terrain gewinnt. Doch im Gegensatz zu Cornishs Arbeit ist es hier nicht die Natur, die wieder ins Geschehen eingreift, sondern die Abstraktion, die von der Seite her beginnt das Bild zu überdecken. Ein medienimmanenter Diskurs also, ein Zitat des Endes der Malerei mit und durch die Abstraktion. Aber Totgeglaubte leben länger, wie die Geschichte zeigt.

Das verdeutlicht auch Philipp Goldscheider (*1976, lebt und arbeitet in Wien/Österreich) mit seinem Beitrag zur Ausstellung: einer Performance zur Eröffnung. Als Junkie lebte er jahrelang auf der Straße, hat die Abgründe am eigenen Körper durchlebt. Mittlerweile hat er über die Kunst wieder zu einem geregelten Leben gefunden, seine Arbeiten zehren von diesem Werdegang. In seinen Performances trägt er eigene Texte vor, die von Tod, (Sehn-)Sucht und Auswegslosigkeit handeln und an Authentizität und Intensität ihres Gleichen suchen.

Die gesellschaftliche Isolation, die Goldscheider in seinen Texten beschreibt, kehrt in veränderter Form in den Videos von Sigur©£ur Gu©£jónsson (*1975, lebt und arbeitet in Reykjavík/Island) wieder. In Death Bed erkundet die vermummte Hauptfigur ein heruntergekommenes Haus in der Einöde. Die ihm dabei begegnenden Gestalten erscheinen gesichtslos - es wird offen gelassen, ob es sich bei ihnen um reale Figuren oder um Einbildungen und Erinnerungen des Protagonisten handelt. Letztlich läßt einen das Video nur mit einer vagen Ahnung einer geheimnisvollen Situation in einer post-apokalyptischen Szenerie zurück, dem Wahnsinn eines vereinsamten Einsiedlers ausgesetzt.

Diese Atmosphäre einer dem Aussterben geweihten Spezies wird von der Installation von Magnús Árnason (*1977, lebt und arbeitet in Reykjavík/Island) im selben Raum noch einmal unterstrichen. Sein Werk umfaßt das Magische und Albtraumhafte, macht sich das Unterbewußte in einem Spiel zwischen Neugier und Furcht zunutze. Árnasons Welten sind Konstruktionen einer natürlichen Umgebung, die man als Gegenentwurf zum Paradiesischen beschreiben könnte und die von mythischen Figuren bewohnt werden. Für die Ausstellung konzipiert er eine Installation, die sich über ihre organischen Formen dem Leben im Erdreich annähert. Inspiriert durch Dokumentationen von Richard Attenborough läßt er der menschlichen Urangst vor den Gesetzen von Fressen und Gefressen werden durch die Überdimensionierung eines Mikrokosmos freien Lauf.

Im nächsten Raum sind es menschliche Abgründe, die Tomasz Mróz (*1975 in Opole/Polen, lebt und arbeitet in Poznan/Polen) in seinen Skulpturen manifestiert. Er reduziert den Menschen auf seine biologischen Funktionen, ja attestiert fast eine biologische Determination. Eine Skulptur etwa zeigt einen nackten, auf dem Boden sitzenden Mann mit weit gespreizten Beinen. Seinen Kopf hat er zurückgelehnt, der Mund steht weit offen. Im dazugehörigen Video sieht man eine Reihe von mutantenähnlichen Geschöpfen in weißen Kitteln. Auf einem Förderband präparieren sie Hackfleisch und kippen es der Figur in den Rachen. Das von der Skulptur sogleich wieder ausgeschiedene Fleisch wird sofort wieder an ihn verabreicht - ein Teufelskreis, dem der Mann regungslos beiwohnen muss. Die gedrungene Kreatur gemahnt uns der niederen in uns schlummernden Instinkte und ist gleichzeitig Andeutung einer in unserer Kultur verwurzelten, über den Köpfen schwebenden moralischen Keule, die über irdisches Tun zu urteilen verspricht.

Die Konsequenz einer angenommenen, kollektiven und jenseitigen Einlösung der Schuld durch die irdische Auslöschung der Menschheit wird in den Fotografien von Szymon Roginski (*1975 in Danzig/Polen, lebt und arbeitet in Warschau/Polen) evident. Seine - wie er sie selbst nennt - "post-apokalyptischen Landschaften" sind menschenleer und bedrücken durch einen pessimistischen Blick auf die Überbleibsel einer Gesellschaft: verlassene Architektur mit noch funktionierender Infrastruktur.

Während sich Roginski mit seinen Fotografien an die Ästhetik von Computerspielen, sogenannten Ego Shootern in guter alter Survival-Of-The-Fittest-Manier anlehnt, ist der Mensch in der Welt von Troels Carlsen (*1973, lebt und arbeitet in Kopenhagen, Dänemark) schon vollkommen verschwunden. Seine Arbeiten erzählen von einer Gesellschaft der Affen, deren Kultur sich ebenfalls im Niedergang befindet. Die Überbleibsel seiner post-apokalyptischen Affen-Gemeinschaft, die Jungen, liegen in einem Dornröschenschlaf. Angehängt an Milchpackungen werden sie aufgepäppelt, harren voll kindlicher Unschuld aus auf den Neuanfang.

Pressetext

only in german

the end, my friend

mit Jone Kvie, Chris Cornish, Sophia Schama, Philipp Goldscheider, Sigurdur Gudjonsson, Magnus Arnason, Tomasz Mroz, Szymon Roginski, Troels Carlsen