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Eröffnung Freitag, 26. Juni 2015, 19 Uhr, Eröffnungsparty ab 20:30 Uhr

Die Ausstellung THE GOOD TIMES (are killing me) – benannt nach einem Punksong der Headcoats – beschäftigt sich mit Ritualen des Feierns und deren gesellschaftlicher Bedeutung. Das Feiern ist eine zwiespältige Angelegenheit: Auf der einen Seite bieten gute Partys Gesprächsstoff und einen Pool glücklicher Erinnerungen, andererseits fürchten wir den Kater danach. Massenveranstaltungen wie der Karneval bilden für manche den Höhepunkt des Jahres, während andere die Stadt verlassen. Zum Feiern gehören einige Grundelemente: laute Musik und Alkohol; vor allem aber eine Gruppe feierfreudiger Menschen, die bereit ist, die Regeln des Alltags zu überschreiten und sich dem Feiern hinzugeben. So entsteht eine temporäre Gruppe von Individuen, die eines vereint: das gestaltende Teilnehmen am aktuellen Fest.

Dabei verwandelt das Feiern schädliche, unangenehme oder zweifelhafte Dinge wie laute Musik, schräge Kleidung, Alkoholkonsum und ausgelassenes/albernes Verhalten in wertvolle Notwendigkeiten, um eine Ausnahmesituation herzustellen, für die, so der Philosoph Robert Pfaller, „es sich zu leben lohnt.“ Er beschreibt das Feiern als Notwendigkeit und diagnostiziert eine derzeitige „maßlose Mäßigung“ und eine Unfähigkeit, die zahllosen Angebote zu genießen und durch den Akt des Feierns in ein genussvolles Leben zu integrieren.

Welche sozialen, ökonomischen und kulturellen Funktionen hat das Feiern? Welchen Werten und Regeln unterliegt es? Inwiefern ist das Feiern eine kulturelle Praxis? Ist das Feiergebot Zwang oder Befreiung? Die Ausstellung zeigt Werke von internationalen Künstler_innen, die sich mit Feier- und Musikkulturen befassen und nach den kulturellen Ursprüngen, Freiräumen und Abgründen von „guten Zeiten“ fragen. Dabei geht es auch um die Auseinandersetzung mit Sub- und Fankulturen, um Musik als soziales Phänomen und deren identitätsstiftende Kraft.

THE GOOD TIMES (are killing me) verfolgt verschiedene Fährten: Im obersten Stockwerk des Kehrwiederturms ist der Video-Essay Rock My Religion (1983–84) von Dan Graham (1942 in Urbana, lebt in New York) zu sehen. Die Arbeit verfolgt die These, dass Nordamerikas Jugendkultur von Rock’n’Roll bis Punk auf die religiöse Gruppe der „Shaker“ zurückgeführt werden kann und knüpft Verbindungen zwischen Rock und Religion. Massenphänomene wie Elvis Presley, Patti Smith und Jerry Lee Lewis werden analysiert in ihren Funktionen der Gruppenbildung und der „Anbetung“ von Idolen. Angeregt von Dan Grahams Video, hat das spanische Künstlerduo Jeleton (Gelen Alcantara, 1975 in Murcia, lebt in Mexico DF und Jesús Arpal Moya 1972 in Barakaldo, lebt in Barcelona) 2008 bis 2009 Workshops veranstaltet, in denen es um die kritische Auseinandersetzung mit Kultur durch Musik ging. Dieses Projekt, Rock My Religion, Annoté, wird hier ausgestellt und durch neu für die Ausstellung produzierte Zeichnungen ergänzt. Das in Hannover ansässige Künstlerduo Lotte Lindner & Till Steinbrenner (1971 und 1967) produziert eine neue performative und bildhauerische Arbeit, die mit der Eröffnungsfeier Gestalt annimmt. Eine Party-Maschine wird in Gang gesetzt, mit dem Ziel der Produktion der Partyessenz. Am Anfang, als Start in die Ausstellung, steht eine Variation des Themas, in dem die „good times“ eher als Zwangsvorstellung erscheinen: Im Video Mime in the Video Studio (1988) von Jos de Gruyter & Harald Thys (*1965 und 1966, leben in Brüssel) ist ein Mann zu sehen, der sich, beobachtet von der Videokamera, in einer kargen Umgebung zu lauter Radiomusik bewegt.