press release only in german

Venray 26. Mai 2009: ‚The New Judgement of Paris’ - Der Odapark im grenznahen Venray zeigt vom 21. Juni bis 15. August 2009 Skulpturen und Photographien des in Frankreich viel diskutierten ‚Enfant Terrible’ Olivier Blanckart in einer Einzelausstellung.

Blanckart, 1959 geboren in Brüssel und gelernter Klempner, thematisiert in seinen Arbeiten Bilder, die zu populären Ikonen wurden. Olivier Blanckart verarbeitet in seinen Skulpturen die photographische Reproduktion an sich, oder die Interpretation eines photographischen Abbildes aus der öffentlichen Erinnerung. Dazu nutzt er billige Materialien wie zum Beispiel Packpapier, Verpackungstape oder Karton. All diese ‘wertlosen’ Materialien, die normalerweise nur benutzt werden, um das ‘eigentlich’ Wertvolle zu schützen. Sie werden so bearbeitet und geformt, dass sie selbst zu ‘wertvoller’ Kunst werden. Genau diese Ambivalenz im Materialeinsatz lässt die ‚wirkliche’ Geschichte des öffentlichen Bildes wieder an die Oberfläche gelangen. Sei es als Photographie oder als von der Photographie inspirierte Skulptur - Blanckart wird immer getrieben von einer postmodernen Obsession: Ikonen zu demontieren und wo immer möglich, diese modernen Götzen von ihren Sockeln zu stoßen. Olivier Blanckart versteht es dabei, aus wertlosen Materialien geradezu theatralische Tableaus zu zaubern, ausgehend von Bildern, die tief in unser kollektives Gedächtnis graviert sind.

Persiflierte der Titel „Pauvre France’ seiner aktuellen Büsseler Ausstellung mit ihren fünf Positionen noch die 150 Jahre alte Schmähschrift von Charles Bodelaire ‚Pauvre Belgique’, so reagiert Blanckart auf den veränderten Kontext im niederländischen Venray mit sechs Skulpturen unter dem anspielungsreichen Titel ‚The New Judgement of Paris’/ ‚Das Neue Urteil des Paris’.

‚The New Judgement of Paris’ (2009) Auf einem Siegerpodest stehen drei berühmte Frauen, die für Schlagzeilen gesorgt haben – nackt. Ganz oben auf dem Podest sehen wir Simone de Beauvoir. Auf Platz 2 steht – nach einem im Internet kursierenden Handy-Schnappschuss, auf dem sie provokant sexy für ihren Freund posiert - die französische Olympiaschwimmerin Laure Manaudou. Platz 3 nimmt Carla Bruni-Sarkosy ein - nach einem Aktportrait, das erst neulich für 91.000$ bei Christie’s versteigert wurde.

‚The Curator’ (2007) Diese Skulptur ist die Re-Interpretation einer Photographie von August Sander aus der Serie „Menschen, die an meine Tür kamen“ aus dem Jahre 1920. Zeigte Sanders’ Photographie einen Hausierer, der Lose verkauft, so ersetzte Blanckart die Lose durch Badges mit den Portraits prominenter Kuratoren. Genau wir der Hausierer, der umher reist und seine Waren von Haus zu Haus feilbietet, um seine Existenz zu sichern, so tut klappert auch der zeitgenössische Kurator die Kunstmessen ab. Die Arbeit scheint nur auf den ersten Blick Adolf Hitler darzustellen! Um 1920 war ein solcher Oberlippenbart in Deutschland Mode.

‚The Remix of Babylon’ (2008) In dieser ‚bushianischen’ Re-Interpretation des Plattencovers von Boney M’s melancholischem Discohit ‚By the Rivers of Babylon’ sind die politisch-religiösen Wirren und ihre Entgleisungen das Thema einer theatralischen Inszenierung auf der Bühne des Teehauses. Nachdem die jamaikanische Band ‚The Melodians’ den Psalm 137 bereits 1972 zu einem Reggae-Song verarbeitet hatte, machten Boney M, eine Discoformation aus Tänzern, und nicht etwa Sängern, den Song einige Jahre später zu einem Welthit. In The Remix Of Babylon geht es nicht nur um den Krieg, die USA, den Tod oder das Militär, sondern viel mehr um den Verlust der Ordnung und die Rolle des babylonischen Mythos als Inspirationsquelle zu dieser Skulptur. Blutverschmierte Soldaten und Disco-Ästhetik, das Tragische und das Groteske, Perlen und Blut - diese Skulptur enthüllt Größenwahn und Brutalität des Irakkrieges als eine befremdliche Kombination aus Lügen und Chaos.

‚Katmandoo’ (2002) dekonstruiert das offizielle Staatsfoto der im Jahre 2001 grausam massakrierten nepalesischen Königsfamilie. Die tödlich Verwundeten wenden dem Betrachter dabei gnädig ihre unversehrten Frontseiten zu.

‚NASDAQ, / Now Art Seemingly Deserves A Quotation (2007) Hier deckt Blanckart die auffälligen Parallelen zwischen der Epoche der Konzeptuellen Kunst der Sechzigerjahre und dem Aufkommen des NASDAQ-Index Anfang der Siebziger des 20. Jahrhunderts auf. Innerhalb dieser einzigartigen Ära beispielloser Verkäufe war Kunst zu einem gewinnbringenden Investment geworden, mit Spitzenpreisen für Arbeiten der hippesten internationalen, zeitgenössischen Künstler. Aber Blanckart spielt auch mit der Abkürzung NASDAQ, und unterstreicht damit die Parallele zwischen New Economy und Neuer Kunst, die sich beide aus ihren Randexistenzen zügig in Richtung Mainstream bewegten. Die konzeptuellen Künstler Robert Barry, Lawrence Weiner, Joseph Kosuth und Douglas Huebler posieren – nach einer Photographie von Seth Siegelaub - für diese Skulptur und werden, nicht zufällig, als Polizisten aufgereiht.

Femmes Déviolées (2004 – 2005) In dieser ergreifenden Gruppe klagt Blanckart die Brutalität französischer Soldaten an, die während des Algerienkrieges muslimische Frauen mit Gewalt entschleierten, um sie zu fotografieren.

Die Tatsache, dass insbesondere die aktuelle Ausstellung in Frankreich keine Aussteller fand, verleiht Blanckarts künstlerischen Statements besondere (medien-) kritische Relevanz.

Olivier Blanckart * 1959 Brüssel (B), lebt und arbeitet in Paris.

Diese Ausstellung wurde ermöglicht in Zusammenarbeit mit Aeroplastics Contemporary, Brüssel.