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Mit The New Ten präsentiert das Künstlerhaus Wien im Obergeschoß von 29. Oktober 2004 bis 02. Jänner 2005 in Kooperation mit dem Museum Küppersmühle MKM, der Kunsthalle Mannheim und dem Museum voor Moderne Kunst Oostende junge und aktuelle Kunstpositionen von 20 Kunstschaffenden der mittleren und jüngeren Generation aus den 10 EU-Beitrittsländern: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.

Gezeigt werden 50 ausgewählte Werke aus den Bereichen Installation und Skulptur, Film und Video sowie Malerei von Viktor Bernik (Slowenien), Trevor Borg (Malta), James Vella Clark (Malta), Famous Five (Lettland), Bohdan Hostinák (Slowakei), Karolis Jankus (Litauen), Katarzyna Józefowicz (Polen), Ivan Kafka (Tschechien), Matej Krén (Slowakei), Kristine Kursisa (Lettland), Antal Lakner (Ungarn), Maria Loizidou (Zypern), Petras Mazuras (Litauen), Kaido Ole (Estland), Jadwiga Sawicka (Polen), Ene-Liis Semper (Estland), Ágnes Szépfalvi (Ungarn), Theodoulos (Gregoriou) (Zypern), Katerina Vincourová (Tschechien) und Dusan Zidar (Slowenien).

Einen besonderen Schwerpunkt bilden dabei KünstlerInnen aus den neuen Mitgliedsländern, die nicht unmittelbare Nachbarländer Österreichs sind. Neuentdeckungen künstlerischer Positionen zwischen Ostseestrand, den Metropolen Prag, Budapest und Laibach und den Ateliers auf Malta oder Zypern sind zwar nur mehr in einem sehr beschränkten Maße möglich, trotzdem verspricht die von Lorand Hegyi, Raminta Jurenaite und Evelyn Weiss kuratierte Ausstellung einige Überraschungen. Die präsentierten Arbeiten stammen in erster Linie aus den vergangenen drei Jahren und geben einen aktuellen Einblick in die Vielfältigkeit der zeitgenössischen Kunst in neuen EU-Ländern. Die Werke widmen sich keinem thematischen Schwerpunkt, sondern stellen das gesellschaftspolitische Umfeld der Künstler dar und beleuchten Alltagsthemen.

INSTALLATION UND SKULPTUR Bis zum Jahr 2000 arbeitete Petras Mazuras (geb. 1949) ausschließlich als Bildhauer und fertigte Bronze- und Steinskulpturen. Heute widmet sich der litauische Künstler dem Werkkonzept "Bildhauer-Gärtner" und entwickelt komplizierte Bewässerungssysteme um exotische Pflanzen in Vilnius zu züchten. Die aus Stein gehauenen Gefäße werden dem Charakter und dem Wachstum einer Pflanze angepasst. Mazuras´ Konzept beruht auf dem harmonischen Zusammenspiel zwischen Natur und Kultur, wobei dem Faktor "Zeit" eine besondere Rolle zukommt: anstatt die Zitrone billig im Supermarkt zu erwerben, züchtet er diese mit seiner Installation "Citrus" (2004) mit großem Zeitaufwand und viel Mühe selbst und gibt damit der Sehnsucht nach exotischen Früchten ihren alten Zauber zurück.

In seiner erfolgreichsten Installation "Idiom" (2000) arbeitet Matej Krén (geb. 1958) mit der Zweckentfremdung von ausgelesenen Büchern. Seit 1992 wurde der "Turm aus Büchern", auf einer Spiegeloberfläche als "axis mundi" an mehreren Orten präsentiert. Im Rahmen von "The New Ten" zeigt der slowakische Künstler das Skulpturenobjekt "Omphalos" (2004): ein Iglu aus lose geschichteten Büchern. Der kontemplative Raum, der dabei entsteht, fasziniert durch seine Einfachheit.

Seit 1981 entwickelt Ivan Kafkas (geb. 1952) ortsbezogene Installationen aus Naturmaterialien wie Laub, Stroh, Schnee, Eis, Sand, Steinen und anderen Fundobjekten. Organischem und Prozeßhaftem in der Natur und gefundenen Objekten begegnet der tschechische Künstler mit behutsam ordnenden Systemen. In Wien präsentiert Kafka die Installation "Böhmische Tüten" (2004): einfache, billige Plastiktaschen aus dem Kaufhaus, aufgeblasen mit seinem eigenen Atem. Durch die Wahl der Farben Weiß, Rot und Blau und durch die regelmäßige Reihung der Plastiktaschen entsteht ein Feld, das an Fahnen und Trikolorstreifen erinnert. Die hohe Bedeutung des Staatswappens als Symbol für ewige Werte wird durch die Verwendung des billigen, vergänglichen Materials konterkariert.

Katerina Vincourová (geb. 1968) zählt seit den neunziger Jahren zu einer der zentralen Figuren der jüngeren Prager Kunstszene. Bezeichnend für ihr Werk ist die Unbeschwertheit und der spielerische Umgang mit der sie an die künstlerische Arbeit herangeht. Interessiert an der Konsumwelt und fasziniert von jeder Art von Plastikmaterial bläst sie aus farbigen und durchsichtigen Plastikfolien ganze Landschaften, Gehäuse, Interieurs, Terrarien und jeden beliebigen Gegenstand auf, so auch die Installation "Bag" (1999), die in der Ausstellung zu sehen ist.

Antal Lakner (geb. 1966), setzt sich kritisch mit der aktuellen Entwicklung von verschiedenen Wissenschaften in unserer Gesellschaft auseinander. In der Installation "Dermoherba" (2000) beschäftigt sich der Ungar mit Biotechnologie. Lakner schafft ein imaginäres Labormodell, in dem wissenschaftliche Forschungsexperimente simuliert werden. Beim Betrachter entstehen Assoziationen zu genetischen Manipulationen und künstlich erschaffenen hybriden Lebensformen. Die Forschung definiert Lakner als lebendiges System, das Unvorhergesehenes hervorbringen kann und deutet damit in seinen Installationen die Faszination der Wissenschaft in Gefahr um.

In der Installation "Carpet" (1997-2000) beschäftigt sich die Polin Katarzyna Józefowicz (geb. 1953) mit dem Thema Individuum als Masse und läßt damit historische Assoziationen zum legendären Aufruhr der Solidarnoscz auf der Danziger Werft wach werden. In der aus unzähligen Fotografien von aus Papier ausgeschnittenen Personen zusammengesetzten Installation erscheint das Individuum aus der Distanz betrachtet der Menschenmenge untergeordnet. Aus der Nähe jedoch betrachtet verwandelt sich die Menschenmasse in eine Ansammlung von Erinnerungsfotos. Die Individuen haben ihr Volumen und ihre Kraft verloren und wirken verkleinert und zerstückelt.

Noch während ihres Studiums für visuelle Kommunikation an der Kunstakademie in Riga haben die drei Letten Liga Marcinkevica (geb. 1975), Martins Ratniks (geb. 1975) und Leva Rubeze (geb. 1977) 1998 die legendäre Gruppe Famous Five (F5) gegründet. Mit ihren Filmen und audiovisuellen Aktionen, Installationen und Objekten war sie bereits auf den Biennalen von Venedig (2003) und Sao Paulo (2002) vertreten. Im Mittelpunkt ihrer multimedialen Projekte steht das Erforschen ihres sozialen Umfelds: nächtliche Straßenbahnpassagiere, Kinder, die sich McDonalds-Spielzeug wünschen oder die Begeisterung der Menschen für Soap Operas. In der Installation "Time will show" (2003/2004) findet die Thematik ihre Fortsetzung. Das triviale Symbol der neuen Macht, der "Monitor", thront auf einem hohen Sockel. Der Besucher nähert sich mit langsamem Schritt und steigt die Treppenstufen hinauf. Das mit künstlichen Blumen geschmückte Objekt wirkt wie ein riesiger Altar und die Vergötzung der neuen Medien wird mit der Zeremonie völlig ins Lächerliche gezogen.

FILM UND VIDEO In Kristine Kursisas (geb. 1979) künstlerischem Werk kippen dokumentarisch festgehaltene Alltagsbeobachtungen unerwartet in fast somnambule Albträume. In ihren Videoinstallationen erzählt die Lettin Geschichten, in denen Frauen die Protagonisten sind. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht die Erforschung von psychischen Zuständen unter bestimmten sozialen Bedingungen. In den beiden Videoinstallationen "Woman and Wolves" (2001) und "Rubrik´s Cube" (2002) läßt die Videokünstlerin offen, ob es sich bei den Spielorten um eine Privatwohnung oder ein Bordell handelt. Der Besucher selbst verfolgt die Videofilme in einer authentischen Zimmersituation mit tapezierten Wänden. Mit ihren suggestiven und metaphorischen Videofilmen, die auf eigenen biographischen Erfahrungen basieren, gehört Ene-Liis Semper (geb. 1969) zu den international anerkanntesten Videokünstlern Estlands. Mit ihren Erfahrungen als Schauspielerin hat Semper eine besondere Sensibilität für Körpersprache entwickelt, die sie in ihren Videofilmen gezielt einsetzt. Ihre Aktionen, in denen sie stets selbst Akteurin ist, spielen in leeren Räumen und konzentrieren sich auf Bewegungen, Gesten und Laute. Auf den ersten Blick wirken die von ihr geschaffenen Bilder poetisch und schön. Allmählich jedoch entsteht ein Gefühl beklemmender Langsamkeit des Geschehens und die Handlungen entpuppen sich als selbstquälerisch und selbstverletzend. In ihrem jüngsten Film "Untitled" (2004) läßt sie die Frustration über den Verrat des Ehemannes und den Verlust ihres Glaubens an ein gemeinsames Glück mit aggressiver Wucht heraus. Sie greift zu grotesken Bildern, tanzt, schreit und trampelt wild im Häschen-Kostüm. Grausamkeit und Unerträglichkeit der Existenz äußert sich nicht mehr unterschwellig, sondern direkt und kämpferisch.

Karolis Jankus (geb. 1974) Filme behandeln heikle Themen der postkommunistischen Gesellschaften: die steigende Kriminalität und Armut. In seinen Kurzfilmen verflechtet der Litauer das Schicksal sozialer Randgruppen mit der Welt der Neureichen und Durchschnittsbürger auf kuriose Weise. Im Mittelpunkt stehen Beziehungen zwischen Mann und Frau, Vater und Sohn, Verbrechern, Prostituierten und Normalbürgern, die die Kontrolle verlieren. Jankus Darsteller sind größtenteils Laien aus dem engeren Bekanntenkreis. Der Filmkünstler arbeitet nach einem streng ausgefeilten Drehbuch, betont aber den improvisierten Charakter der Darstellung. Im Rahmen von "The New Ten" präsentiert Jankus zwei Kurzfilme. In "Poor Boy" (2003) bekommen die Mißverständnisse zwischen Vater und Sohn eine aberwitzige Wendung, als der Sohn den Inhalt des Familienkühlschranks einem Bettler schenkt und der Vater seine tragikomische Wut auf den Bettler ausläßt, in dem er auf ihn einschlägt. In "Girl and Bones" (2003) wird die Tragödie einer Liebe im Angesicht eines Mordes in einen skurrilen privaten Sepulkralkult verwandelt. Die Sinnlichkeit der Bilder geht Hand in Hand mit einem Hang zum Morbiden.

MALEREI In den Gemälden der Polin Jadwiga Sawicka (geb. 1959) sind Menschen gänzlich abwesend, nur ihre Hüllen sind zurückgeblieben - eine Jacke, ein Stiefel, eine Handschuh, eine Maske von Batman. Sawickas Werk beschäftigt sich mit selektiver Erinnerung mit Hilfe von Wiederholungen. Dabei spürt sie Unheilvolles in banaler Realität auf. "Wenn man zwischen toten Gegenständen verweilt, ist es manchmal gar nicht möglich, sich davon abzugrenzen (...). Die neuen Gegenstände regen auf, die alten machen müde" (Jadwiga Sawicka).

In ihren Malereien thematisiert die Ungarin Ágnes Szépfalvi (geb. 1965) die heile und glamouröse Welt der Medien, wie sie sich in Kinofilmen, Illustrierten und in der Werbung manifestiert. In ihren Gemälden entfalten sich Geschichten von anonymen Frauen in farbigen Kleidern und Männern in Smokings in endlos verschiedenen Konstellationen, gepaart mit einer Mischung aus Melancholie und Schönheit. Eine ursprünglich sentimentale Botschaft mit beunruhigender Wirkung.

Die Landschaftsbilder von Bohdan Hostinák (geb. 1968), erinnern an Filmstills und Fotografien. Der slowakische Künstler thematisiert die trügerische Vorstellung einer Idylle der freien, unberührten Natur und andere Gefühlsklischees. Als Bildvorlage für seine Landschaften und Genreszenen verwendet Hostinák oft Lehrbücher und Prospekte. Mit seinen Arbeiten setzt Hostinák eine Tradition der slowakischen und tschechischen Kunst, die der frechen Malerei - "illustrative Bilder mit fröhlichen Banalitäten" (Milan Kunc) fort.

Der konzeptionelle Ansatz im Umgang mit geometrischer Malerei ist in der slowenischen Kunst seit den siebziger Jahren vorhanden und entwickelte sich zuerst im Rahmen des Minimalismus. Viktor Bernik (geb. 1971) greift zu anderen Mitteln. In seinen Werken prallen geometrisch Geregeltes auf gegenständliche Zitate der Realität. Er kombiniert Motive und Objekte aus seinem Alltag und seiner Umgebung, ohne dabei seine private und intime Welt preiszugeben. Erfrischend frech mischen sich Darstellungen von Wohnungen, Stilleben und Straßenszenen mit geometrischen Formen.

Kaido Ole (geb.1973) greift in seinen Bildern zur klassischen Ikonografie der großen Themen - Gefängnis, Kreuzigung, Begräbnis, Kreuzprozession - , inszeniert sie aber neu in Form und Ablauf eines Computerspiels. Die estnische Kunstkritikerin Heie Treier versteht seine Bilder und Figuren als "gesellschaftliche Schraubenzieher, indifferente Werkzeuge ohne Gesicht - Erzeugnis medialer Gehirnwäsche und technologischen Fortschritts". Zur Ausstellung ist die umfangreiche Publikation "The New Ten" erschienen.

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THE NEW TEN
Kunstpositionen von 20 Kunstschaffenden der mittleren und jüngeren Generation aus den 10 EU-Beitrittsländern: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern.
Kooperation: Museum Küppersmühle, Duisburg

mit Viktor Bernik, Trevor Borg, James Vella Clark, F5 , Bohdan Hostinak, Karolis Jankus, Katarzyna Jozefowicz, Ivan Kafka, Matej Kren, Kristine Kursisa, Antal Lakner, Maria Loizidou, Petras Mazuras, Kaido Ole, Jadwiga Sawicka, Ene-Liis Semper, Agnes Szépfalvi, Theodoulos Gregoriou, Katerina Vincourova, Dusan Zida