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Thea Djordjadze: all building as making
18. September 2021 bis 16. Januar 2022

Die umfangreiche Einzelausstellung all building as making von Thea Djordjadze im Gropius Bau untersucht die Wandlungsfähigkeit von Raum, Erinnerung und Material

„Die Arbeiten von Thea Djordjadze machen deutlich, wie Geschichte und institutionelles Gedächtnis durch alltägliche Materialien, Objekte und Präsentationsformen vermittelt werden. Wir freuen uns, mit Djordjadzes Ausstellung im Gropius Bau einen wichtigen Beitrag einer der weltweit bedeutendsten Künstlerinnen Berlins zu zeigen. Das Projekt richtet den Fokus auf die materielle Unterbringung von Kunst, auf Artefakte und deren Präsentation – und korrespondiert so mit unserem fortwährenden Interesse an wechselseitigen Beziehungen, Gastgeber*innenschaft und den ethischen Imperativen von Care und Sichtbarkeit innerhalb von Kunstinstitutionen.“
– Stephanie Rosenthal, Direktorin, Gropius Bau

Im September eröffnet der Gropius Bau die umfangreiche Ausstellung all building as making der international renommierten Künstlerin Thea Djordjadze. In ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in Berlin – der Stadt, in der sie lebt und arbeitet – präsentiert Djordjadze eine neue Serie von Installationen und skulpturalen Rauminterventionen, die ihre charakteristische Materialsprache und ihre präzise Semiologie der Formen zum Ausdruck bringt. In den historischen Räumlichkeiten des Gropius Bau spürt sie den anhaltenden, oft unbewussten Auswirkungen der materiellen Erinnerung nach, wie sie sich in den angewandten Künsten spiegelt und bricht – von der Architektur bis hin zu Elementen des visuellen Displays wie Vitrinen und Sockeln.

In ihren Arbeiten, die sich durch Subtilität und überraschende Materialkombinationen auszeichnen, setzt sich Thea Djordjadze sowohl mit den Impulsen zur autonomen Form – wie in der historischen und modernistischen Skulptur – auseinander, als auch mit Anwendungstechniken wie architektonischen Modulen, Vitrinen, Sockeln, Rahmen und Podesten. Djordjadze kombiniert Materialien wie Gips, Metall, Schaumstoff, Textilien, Holz und Pappmaché und schafft fragmentarische Raumsituationen, in denen sie das klassische Display neu formuliert. Sie verklärt die Formen, die wir aus dem alltäglichen Raum und den architektonischen und künstlerischen Traditionen kennen, um ein sinnliches Bewusstsein für die Poetik des Displays zu schaffen.

Djordjadzes neue Werkreihe für den Gropius Bau berührt die wenig erforschte Geschichte des Schliemann-Saals im Gropius Bau, der von 1881 bis 1885 die archäologischen Ausgrabungen des Archäologen Heinrich Schliemann (1822–1890) aus dem nahöstlichen Altertum beherbergte. Djordjadzes hier gezeigtes Projekt reflektiert die affektiven Bedingungen von Museumsräumen und die Bewegung von Objekten und Artefakten durch Raum und Geschichte; es unternimmt eine gleichzeitige Konstruktion und Dekonstruktion von formalen Empfindungen, die wir aus der angewandten Kunst kennen. Ihre neue Arbeit beschäftigt sich so auch mit den affektiven Resonanzen von visuellen Präsentationsmethoden, sei es in Museen, halbprivaten oder kommerziellen Umgebungen.

Ein Ausgangspunkt für Djordjadzes Arbeiten, die in der Regel auf autobiografische Bezüge verzichten, sind ihre häufigen Besuche im Staatlichen Simon-Dschanaschia-Museum in ihrer Heimatstadt Tiflis, Georgien, in den 1980er und -90er Jahren. Dort stieß Djordjadze auf handgefertigte Vitrinen, die der Anthropologe Alexander Javakhishvili und der Maler Avto Varazi in den 1950er Jahren gebaut hatten. Diese Museumsvitrinen wurden zu einem wichtigen visuellen Bezugspunkt für Djordjadze, insbesondere aufgrund ihrer Aufmerksamkeit für den Maßstab der Betrachter*innen innerhalb einer ansonsten de facto unpersönlichen institutionellen Umgebung. In diesen historischen Vitrinen begegnete Djordjadze einer Haltung gegenüber der visuellen Repräsentation innerhalb von Institutionen, die Bescheidenheit, Demut, Vorläufigkeit und Menschlichkeit vermittelte – und in einem klaren Gegensatz stand zu dem Prunk, der Unterdrückung und der institutionellen Distanz, die für die Architektur der Sowjet-Ära in der UdSSR typisch waren. Diese Dekonstruktion von Macht durch eine Ästhetik der Bescheidenheit, Begrenztheit oder sogar Unbeholfenheit liegt Djordjadzes Untersuchung von Form und Affekt zugrunde.

Im Gropius Bau setzt Djordjadze ihre intensive Arbeit am Ausstellungsort fort, die mit einer intuitiven, ausgeprägten, aber immer präzisen Berücksichtigung von Material als Umgebungsbedingung entsteht, sei es in Bezug auf Atmosphäre, situative Details oder Licht. In ihren Installationen, die immer Unikate sind, ist kein Element unbedeutend. Sie ist eine Archäologin der Stimmungen und zeigt, wie eng Display und Empfindung miteinander verbunden sind. Obwohl sich Djordjadzes Arbeiten intensiv mit der Art und Weise und dem Ort der Präsentation von Kunst auseinandersetzen, sind sie nicht im gewöhnlichen Sinne „ortsspezifisch“, da sie eher versucht, Reibung oder Spannung zwischen den Räumen und ihrem Inhalt zu erzeugen – oft indem sie eigene Rahmen oder Vitrinen erschafft. Wenn sie in einer Institution wie dem Gropius Bau gezeigt werden, können ihre Arbeiten als Hinterfragung zentraler Konventionen des institutionellen und musealen Displays gesehen werden.

Djordjadze geht es nicht darum, Formen mit starrer Geometrie und Dauerhaftigkeit auszustatten; mit einer charakteristischen Leichtigkeit möchte sie die Aufmerksamkeit vielmehr auf die Fragilität und Wandelbarkeit lenken, auf das Gefühl, dass alle Formen von der Geschichte durchdrungen sind und somit der Entropie, dem Verfall und der Zeit unterliegen. In vergangenen Ausstellungen baute Djordjadze oft ihre eigenen materiellen Gehäuse, um ihre Werke im Raum zu isolieren und infrage zu stellen; im Gropius Bau geschieht diese gleichzeitige Art der Aktivierung und Infragestellung eines Raumes durch ihre Auseinandersetzung mit der Konvention der Vitrine und Trägerelementen, sowie durch ihr Interesse am Einsatz von Gips an den Fenstern und von architektonisch anmutenden Elementen an Wänden oder quer durch Räume. Wenn das Gegenteil von Zurschaustellung Privatheit ist, dann manifestieren ihre Arbeiten Wege, auf denen Kunst sich sowohl zur Schau stellen als auch zurückziehen kann, und auf denen die Vergangenheit – durch Material gebrochen – in die Gegenwart transponiert wird.