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Think Line ist eine umfassende Ausstellung, die ein bisher weitgehend unbeachtetes Segment der Medienkunst aufgreift. Sie widmet sich dem Thema Zeichnung, die auf einem selbstgeschriebenen Computerprogramm des Künstlers basiert, und stellt Arbeiten der letzten 40 Jahre vor. Dabei zeigt sie Werke von international renommierten Künstlern wie Manfred Mohr und Vera Molnar, die in diesem Herbst an einer Gruppenausstellung am Museum of Modern Art in New York zum Thema Linie teilnimmt, sowie junge Positionen z. B. Marius Watz. In der Ausstellung wird dem jeweiligen Kunstwerk das niedergeschriebene Konzept des Künstlers, das der Arbeit zugrunde liegt, zur Seite gestellt.

Zeichnen ist eine künstlerische Tätigkeit mit langer Tradition. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts jedoch wurde es möglich, Zeichnungen mit Hilfe eines Computers zu erzeugen. Eine Tatsache, die die künstlerischen Möglichkeiten erweiterte und dem Begriff der Zeichnung eine neue Dimension hinzufügte. Die Künstler schreiben ein Konzept, das sie mittels einer Programmiersprache in einen Algorithmus umsetzen und können so mit Hilfe eines computergesteuerten Zeichengeräts - eines Plotter - Zeichnungen ausführen. Das Arbeiten in Serien wird so zum Grundprinzip, denn durch Einfügen von Zufallsparametern in das Programm können immer wieder veränderte visuelle Resultate erzielt werden. So entstehen Werkzyklen, die in Farbe oder Schwarz-Weiß auf Papier ausgeführt sind. Der Stiftplotter bringt die Zeichnungen elegant und mit kontinuierlichem Strich auf das Papier. Die selbstgeschriebene Software des Künstlers ist nicht nur der kreative Prozess des Kunstwerks sondern auch das Mittel, durch das die Ideen dargestellt werden. Diese Kunstrichtung vereint also sowohl Charakteristika der Konzeptkunst als auch der Medienkunst. Viele junge Künstler entdecken das Programmieren als Mittel eines eigenen künstlerischen Ausdrucks wieder, sie wollen nicht mit vorgefertigten kommerziellen Softwarepaketen mit festgelegten ästhetischen Resultaten arbeiten.

Think Line stellt das breite Spektrum der Zeichnungen vor, von den Anfängen aus den 60er Jahren, bis hin zu zeitgenössischen Werken, in denen die Zeichnung nicht mehr auf Papier, sondern mittels eines Lasers auf Aluminiumplatten aufgeführt wird. Tony Longson führt mit seinen Objekten, die aus montierten, eingefrästen Plexiglasscheiben bestehen, die Zeichnung in die dritte Dimension. Diese Ausstellung, die die Anfänge der Computerkunst einschließt, ergänzt das Spektrum der Ausstellungen im Zuse-Jahr 2010, das dem 100. Geburtstag von Konrad Zuse, dem Erfinder des Computers, gewidmet ist.

Kurze Biographien der Künstler: Hans Dehlinger (*1939 in Stetten/Remstal, lebt in Kassel) In den frühen 1980ern begann Dehlinger, Computer künstlerisch zu erforschen, mit Schwerpunkt auf algorithmisch erzeugten Zeichnungen, die mittels Stiftplottern ausgeführt wurden. Charakteristisch sind seine feinen Linienzeichnungen, die beim Betrachter auf den ersten Blick den Eindruck von Unschärfe erwecken. Sein Werk wurde weltweit ausgestellt; einzelne Arbeiten befinden sich in Sammlungen, z.B. im Block Museum of Art und im Victoria & Albert Museum. 1980 erhielt er einen Lehrauftrag als Professor für Industriedesign an der Universität Kassel.

Jean-Pierre Hébert (*1939 in Frankreich, lebt in Santa Barbara, USA) gehörte zu den ersten Künstlern, die hauptsächlich mit Code arbeiteten. Seit fast vier Jahrzehnten verbindet er seine Vorliebe für Muster und Oberflächenstrukturen in der Natur mit Programmierung und schafft meditative, mathematikbasierte Arbeiten auf Papier, Sand, Wasser und anderen Materialien. 2003 war Hébert Artist in Residence am Kavli Institute für Theoretische Physik an der University of California in Santa Barbara. 2006 erhielt er eine Pollock-Krasner Fellowship und 2008 ein Stipendium der David Bermant Foundation. Seine Arbeiten werden in internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt und sind Bestandteil diverser internationaler öffentlicher Sammlungen.

Tony Longson (lebt in Großbritannien) gehört zu den frühen Computerkünstlern und hat bereits in den 70er-Jahren begonnen, Zeichnungen um die Dimension des Raums zu erweitern. Er zeichnete oder fräste mittels eines Plotters geometrische Formen auf Plexiglasscheiben, die er hintereinander sezte und zu Objekten montierte. Seine Arbeiten wurden u. a. im Oxford Museum of Modern Art, im Long Beach Museum of Art sowie mehrfach auf der SIGGRAPH gezeigt. Er war langjähriger Professor an der California State University in Los Angeles.

Manfred Mohr (*1938 in Pforzheim, lebt in New York) studierte Kunst in Paris, widmete sich zuerst der Konkreten Kunst und arbeitet seit 1969 ausschließlich mit dem Computer. Seit fast 30 Jahren beschäftigt er sich dabei mit dem Würfel als geometrische Form, den er inzwischen in 13 Dimensionen rechnet. Seine Zeichnungen und Softwarearbeiten befinden sich in zahlreichen Museen und Sammlungen weltweit. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen u. a. 2006 den d.velop digital art award [ddaa] in Berlin, 1998 SiGGRAPH, 1997 den Preis der New York Foundation for the Arts 1990 die Golden Nica der Ars Electronica in Linz, 1973 den Preis der 10. Biennale in Ljubljana, 1973 die World Print Competition in San Francisco.

Vera Molnar (*1924 in Budapest, lebt in Paris) war 1967 Mitbegründerin der Gruppe Art et Informatique am Pariser Institut d‘Esthétique et des Sciences de l‘Art. 1968 erstellte sie ihre ersten Computergrafiken und arbeitete fortan kontinuierlich mit dem Computer. Ihre Werke basieren auf Serien, wobei sie sich vor allem dem Zufall und den Gegenpolen Ordnung-Unordnung widmet. Sie hat immer wieder Arbeiten mit dem Computer und per Hand in verschiedenen Materialien gegenübergestellt. Molnar hat seit den 1960er Jahren in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen international teilgenommen. 2010 wird sie an einer Ausstellung im MoMA in New York beteiligt sein. Ihre Arbeiten waren u. a. im Centre Georges Pompidou, Musée d'Art Moderne in Paris, Kunsthalle Bremen, Museum Ritter zu sehen. Sie erhielt 2005 den ersten d.velop digital art award [ddaa].

Frieder Nake (*1938 in Stuttgart, lebt in Bremen) entwickelte als Student am Recheninstitut der Technischen Hochschule Stuttgart 1963 die Basis-Software für den Flachbett-Plotter Zuse Graphomat Z64 und unternahm die ersten Experimente mit algorithmischer Kunst. Als eine der ersten Ausstellungen digitaler Kunst weltweit präsentierte er bereits im November 1965 seine Arbeiten (zusammen mit Georg Nees) in der Galerie Wendelin Niedlich in Stuttgart. Seit 1972 ist er Professor für Interaktive Computergrafik an der Universität Bremen und unterrichtet seit 2005 an der Kunsthochschule Bremen. Er hat zahlreiche Publikationen über Grafik, theoretische Informatik, Ästhetik, Semiotik und digitale Kunst verfasst und war als Pionier der Computerkunst an vielen Ausstellungen weltweit beteiligt. 2004/05 hatte er eine Einzelausstellung in der Kunsthalle Bremen und 2005 im ZKM, Karlsruhe.

Roman Verostko (*1929 in West-Pennsylvania, lebt in Minneapolis, USA) entschloss sich nach seinem Kunststudium für das Leben im Kloster. Er trat dem Benediktinerorden bei und studierte Philosophie, Theologie und Kunst. 1968 löste er sich von der Religion und lehrte Geisteswissenschaften am Minneapolis College of Art & Design, aus dem er 1994 als Professor Emeritus ausschied. Seinen ersten generativen „Code“ in der Kunst verwendete er 1982 und präsentierte auf der ISEA 1988 erstmals Plotter-Arbeiten mit Pinselstrichen. Seine Arbeiten sind geprägt von seinen philosophischen Erkenntnissen. Er erhielt folgende Auszeichnungen: Erster SIGGRAPH Award für das Lebenswerk, 2009; Golden Plotter First Prize, 1994; Prix Ars Electronica Honorary Mention, 1993, Bush Leadership Fellow, CAVS at MIT, Cambridge, 1970. Seine Werke sind in zahlreichen Sammlungen und Museen, z. B. dem Victoria & Albert Museum in London, zu finden.

Marius Watz (*1973 in Oslo, lebt in New York) erstellt abstrakte Bilder und skulpturale Formen auf der Basis von Software. Er experimentiert mit Lasern als Zeichengeräte auf Holz oder Aluminium. Er hat u. a. ausgestellt im Victoria & Albert Museum, London; Ítau Cultural, Sao Paulo; Henie-Onstad Art Center, Oslo; Todaysar, Den Haag. Watz lehrt digitale Ästhetik in Oslo – sowohl an der Hochschule für Architektur und Design als auch an der nationalen Kunsthochschule.

Mark Wilson (*1943 in Oregon, lebt in Connecitcut, USA) studierte Malerei und stellte in den 70er-Jahren geometrische Gemälde in New York aus. Seine abstrakten Arbeiten enthielten oft technologische Motive. Seit 1980 programmiert Wilson und hat seitdem hat er alle seine Werke mit eigener Software geschaffen. Seine Arbeiten sind Bestandteil verschiedener Sammlungen, darunter IBM Corporation, Block Museum, Virginia Museum, Museu de Arte Contemporanea in Sao Paulo, Portland Art Museum, Victoria and Albert Museum. 1982 erhielt er den National Endowment for the Arts und 1992 eine Distinction in Computer Graphics der Ars Electronica in Linz.