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Lädt man Thom Merrick für eine Ausstellung ein, so hat er seine Arbeiten lediglich als Konzept im Handgepäck. Anfang der Neunziger Jahre hat er sein New Yorker Atelier aufgegeben und macht sich seither seine Gedanken über Kunst am liebsten auf Reisen. Als Ausgangsmaterialien für seine Malereien, Skulpturen und Installationen dienen ihm häufig gefundene Objekte. Er arbeitet bevorzugt direkt vor Ort und sieht die Ausstellungsräume als Ateliers auf Zeit an.

Für die aktuelle Präsentation in der Galerie Susanna Kulli hat er (diesmal aber) kleine Tier-Skulpturen mitgeführt. Auf Flohmärkten erstanden, in einer abgebrannten Scheune in der Mojave Wüste in Kalifornien gefunden, handelt es sich um Skulpturen aus Bronze, die wohl in ihrem ersten Leben durch die gelungene Ausarbeitung, die schimmernde Oberfläche oder aus einer sentimentalen Bedeutung wegen, als Accessoires im häuslichen Ambiente aufgefallen sind. Nach dem malerischen Eingriff von Thom Merrick zieht aber vor allem die pastos aufgetragene Farbschicht die Aufmerksamkeit auf sich. Der Künstler hat eine bunte Schicht Acrylfarbe auf die Oberfläche aufgetragen und den Skulpturen dadurch eine neue Identität und eine neue Form verliehen. Die bronzenen Tierfiguren balancieren jetzt zwischen Portrait- und Landschaftsmalerei. Einzig der Schattenwurf lässt die Verbindung von Sockel und Podest im Sinne Brancusis weiterbestehen.

Ebenso beweist die Arbeit einen subtilen Sinn für Humor: die Frustration der Ausmusterung aus dem alltäglichen Umgang ist zu einer produktiven künstlerischen Aktion mutiert. Die fein gesponnene Übermalung ist so unverfroren schön anzusehen, dass die behauptete Aussichtslosigkeit der Fundstücke aufgehoben wird. Durch die Betrachtung beginnen Malerei, Skulptur und Zeit, Präsenz und Nichtpräsenz, Realität und Vorstellung zu vibrieren; die Kunst verlagert sich in den Kopf. Was ist die Beziehung von Idee, Prozess und Produkt? Welches Konzept für den Umgang von Originalität und Reproduktion ist für solche Arbeiten relevant?

Für den Amerikaner ist die Skulptur heute nicht mehr etwas Feststehendes, sondern eine Situation, die einer bestimmten Wahrnehmung folgt, die sowohl verschiedene Zeitebenen verbindet als auch ein vielfältiges Interesse an der sichtbaren Welt artikuliert, denn so Merrick: “I mean painting isn’t so clear, even sculpture - people aren’t even making sculptures - performance is part of sculpture now, economic situations, political situations, everything, it’s all a kind of flux. It permeates that kind of freedom and all this kind of romantic, ideological, mental travelling.”

Thom Merrick (geboren 1963, in Sacramento, Kalifornien) hat in den Achtziger Jahren am San Francisco Art Institute studiert und hat seinen Lebensmittelpunkt heute in Wonder Valley, Kalifornien. Seine Arbeiten waren unter anderem an der Documenta IX in Kassel prominent vertreten. Die Galerie Susanna Kulli vertritt Thom Merrick seit 1992. In der galerieeigenen Editionsreihe „Im Rahmen der Ausstellung – Künstlergespräche“ liegt ein Künstlergespräch mit Thom Merrick und Corinne Schatz vor, das 1996 anlässlich dieser Ausstellung publiziert wurde.

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