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Der Preis für Junge Schweizer Kunst der Zürcher Kunstgesellschaft wird dieses Jahr dem 1957 in Bern geborenen, in Davos aufgewachsenen und in Paris lebenden Künstler Thomas Hirschhorn verliehen. Aus diesem Anlass richtet Hirschhorn eine Installation im sogenannten Baselitz-Saal des Kunsthauses ein.

Im Kontext der Sammlung wird Hirschhorn seine üppigen Schautafeln und individuellen Dokumentationen ausbreiten. Thema der Installation: “Wirtschaftslandschaft Davos” – ein grosses begehbares Panorama, in welchem der Künstler die Verwandlung des sonnenbeschienenen, beliebten, in die Literatur (Thomas Mann) und Kunstgeschichte (Ernst Ludwig Kirchner) eingegangenen Bergortes Davos hin zu einer international für Schlagzeilen sorgende, krawallgebeutelte Hochsicherheitszone in den Brennpunkt stellt.

Als einer der eigenwilligsten neuen Künstler bevorzugt Hirschhorn die aufwendig in den Raum greifende Installation unter Einsatz radikal “armer”, hinfälliger und zugleich symbolkräftiger Materialien wie Karton, Klebeband, Haushaltsfolien, Zeitungsausschnitte, Fotokopien, Bauplastik, Neonröhren, Petflaschen, billige Fernsehgeräte und allerlei Waren vom Flohmarkt und Billigstläden – nebst Büchern und Schriftstücken in bedrängenden Mengen. Die Präsenz seiner Werke gleicht einer Okkupation: “Ich bin kein Chaot. Ich bin ein Künstler-Arbeiter-Soldat”, sagt er. Während die komprimierten Inhalte und das Engagement als die treibende Kraft dieses Künstlers erscheinen, arbeitet er mit grösster formaler Präzision, die auch einen eigenen, revidierten Schönheitsanspruch zu stellen wagt. Bewusst werden dabei Paradoxien ins Spiel gebracht: Was aussieht wie die Zeichen hilflosen Aufbegehrens von Amateuren und Randständigen am Strassenrand, ist bei Hirschhorn Frucht von Kontrolle und genauer Planung. Nicht nur fertigt er ausführlich durchdachte, erläuternde Konzepte zu

jedem Projekt an, sondern es wird häufig darauf hingewiesen, wie sehr Thomas Hirschhorn auch die Geschichte der Skulptur internalisiert habe. Pop, Post-Minimal, Ready Made- und Anti Form-Ikonographie werden aber nicht etwa zitiert, sondern sozusagen unter Hochdruck transformiert. Hirschhorns Vokabular richtet sich gegen das Besserwisserische, Elitäre; dafür wirft es ein Schlaglicht auf das Prekäre (ein Lieblingswort dieses Künstlers), die Peripherie, den Rand, das Randständische: “Ich lehne es entschieden ab, politische Kunst zu machen. Ich mache Kunst auf politische Art.“

In der Schweiz hat Thomas Hirschhorn einige grössere Auftritte gehabt, so etwa die beeindruckende Ausstellung “Swiss Army Knife” in der Kunsthalle Bern, 1998, sowie in der Uni Irchel in Zürich, wo sein Beitrag am Kunst-am-Bau-Wettbewerb für das neu erstellte Institut für Hirnforschung zwar den ersten Preis gewann, jedoch eine Kontroverse unter Vertretern der Universität und der Jury entfachte: “Soll Kunst Harmoniegefühle wecken oder darf sie Sinnsuche stiften?”, wurde dabei gefragt. Bis heute sind dort jeweils ein paar Monate lang in der Eingangszone von Thomas Hirschhorn “Kioske” eingerichtet worden, die einer Dichter- oder Künstlerpersönlichkeit gewidmet sind. Mit seiner Installation im Kunsthaus Zürich regt Hirschhorn dazu an, die Kultur unter dem Vorzeichen der Fragilität und Ohnmacht zu überdenken. Der Betrachter, der die Installation im Kontext traditioneller Kunst erlebt, wird mit völlig neuen Zugangsweisen und unerwarteten Zusammenhängen konfrontiert.

Seit 1985 vergibt die Zürcher Kunstgesellschaft alle 2 Jahre den Preis für junge Schweizer Kunst. Die Preissumme beträgt CHF 20'000 und ist mit einer Ausstellung verbunden. Die Entscheidung für Hirschhorn fiel bereits im Jahr 2000. Die letzten Preisträger waren Christian Marclay (1997) und Alexander Hahn (1995).

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Thomas Hirschhorn
Wirtschaftslandschaft Davos