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Ausstellungstext: „Tracks“ Thomas Thiede

Selbstheilung durch Technobeats. Elektrobeats, Popkultur und Therapieprogramm: Thomas Thiede elektrisiert in der Ausstellung „Tracks“ mit dem Denken für eine neue Zeit. Und erzählt ganz nebenbei vom Glück der Selbstvergessenheit. Ein Track, das ist eine eigenständige popkulturelle Größe. Das Wort Track wird oft als Äquivalent zum Lied oder Song verstanden. Doch Tracks sind mehr. Tracks haben eine eigene Kultur, die in den 90ern um Techno und Housemusic entstanden ist. Das wesentliche Kennzeichen dieser Kultur: Unverbundenheit. Grenzten sich andere Subkulturen von den Werten des Mainstream ab, so fehlt der Trackkultur schlicht jeder Bezug. Ein Track bezieht sich auf sich selbst. Das reicht aus. Nicht visuelle Kunst, sondern minimale elektronische Sounds sind wesentliche Einflussgröße der Arbeit des Münchner Künstlers Thomas Thiede. Trotz visueller Unverdächtigkeit entspringt diese Kunst direkt dem Leben ihres Produzenten. Und der schöpft hier aus dem Vollen. Mit Kindern, Job und Einkaufswagen. Tracks im Schaffen von Thomas Thiede meinen kleine „Einheiten“ des individuellen Lebens. Hier ist alles möglich, weil kollektive Werte für sein Werk nicht relevant sind. Diese obszöne Freiheit ist der Puls in Thiedes Werk. Er schöpft aus dem Jetzt und lässt Mensch, Erlebnis und Material, Klang, Farbe und Form verschmelzen. Jede Arbeit ein eigener Track, jeder Track ein Kondensat aus Selbstversenkung, handwerklicher Exzellenz, Dopamin. Man kann erahnen, dass der Zustand, in dem Thiede seine Tracks erschafft, vergleichbar ist mit dem, was der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi „Flow“ nennt – oder positive Sucht. Intensiv, selbstversunken, rätselhaft. Und vor allem sehr lebendig. Kreatives Schaffen als Rausch, das Leben als Selbstheilung. Was für den Künstler funktioniert wie ein Therapieprogramm, ist für den Betrachter Anstoß. Denn dieser Zustand ist zutiefst erstrebenswert und für Jeden erreichbar. Versenkung und Verschmelzung sind schließlich nicht auf die Kunst und Popkultur begrenzt. Thiedes Tracks verweisen damit auf etwas, das in unserer fragmentierten Welt abhanden gekommen ist: das Gefühl der Ganzheit. Und liefern nebenbei die Anleitung, wie Glück durch Selbstvergessenheit entsteht: Jeder Tag ist ein neuer Track - heilig sei der Alltag. Diese Idee hätte wohl auch Joseph Beuys sehr gefallen.

Thomas Rohde

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Thomas Thiede
"Tracks"
Kurator: Emmanuel Walderdorff