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Nusser & Baumgart freut sich sehr, zum Kunstwochenende die Installation "schön." des in München lebenden Künstlers Thomas Weinberger (*1964) vorzustellen.

„Die Bechers haben eigentlich auch nichts Anderes gemacht, als Sonnenuntergänge zu fotografieren.“ Dieser Kommentar Thomas Weinbergers zu seinen neuen Arbeiten provoziert. Tatsächlich sucht Weinberger nach Ikonen: Visuelle Phänomene, die durch den fotografischen Blick Prozesse der ästhetischen Wahrnehmung aufdecken. Die Referenz zu den Bechers wird dem Besucher vorerst durch das Mittel der Akkumulation und die charakteristische Hängung der Arbeiten sichtbar gemacht. Doch überrascht nach Weinbergers Zitat, dass das Motiv seiner Arbeiten nicht im industriellen Kontext zu verorten ist. Vielmehr besteht die Ausstellung aus 99 Sonnenuntergängen.

Mit seiner im ersten Moment als antithetisch anmutenden Präsentation macht der Fotograf auf ein Phänomen in der menschlichen Wahrnehmung aufmerksam: Trotz der unzähligen Versuche von Philosophen, Soziologen oder Kunstwissenschaftlern die Bedingungen dafür, dass etwas als „schön“ eingestuft wird, zu benennen, gibt es keine allgemeingültige Definition von Schönheit. Dennoch gibt es bestimmte Erscheinungen, die von der Gesellschaft fast einstimmig als „schön“ betrachtet werden. Bei der Suche nach den Kriterien, die diesen Kanon zu bestimmen scheinen, erwiesen sich für Weinberger die Sonnenuntergänge als paradigmatisch. Anhand der Masse an gezeigten Sonnenuntergängen und deren speziell ausgewählter Motivik, soll der Besucher dazu angeregt werden, die Sensation „Schönheit“ an sich infrage zu stellen. Wieso genau wird der Sonnenuntergang unweigerlich ästhetisch wahrgenommen? Für Weinberger ist vor allem ein Charakteristikum der untergehenden Sonne wichtig: Je näher die Sonne dem H orizont kommt, desto mehr verliert sie ihre eigentliche Funktion Licht zu spenden. Erst von dieser sie definierenden Funktion losgelöst, wird die Sonne in ihrer unmittelbaren Erscheinung gesehen und ästhetisch wahrgenommen. Durch die installative Häufung wird das Motiv von seinem Ursprung entfremdet und die formalen Aspekte der Komposition sichtbar. ....

Sloterdijk stellt in seinem Buch „Stress und Freiheit“ fest: „Seit erwiesen ist, dass Realität vergessen werden kann, braucht sie Anwälte, die für ihre Wiederkehr plädieren. Tatsächlich ist die Ideen- und Mentalitätsgeschichte Europas seit zweihundertfünfzig Jahren im wesentlichen ein Kampf gegen die Folgen von Rousseaus Entdeckung. Sie ist das endlose Gefecht des Realismus gegen das, was man seither zumeist verächtlich oder warnend Romantik nennt.“

Thomas Weinberger nimmt diese Kritik gegen eine kollektive Verurteilung des Romantischen auf, und stellt sie in den Kontext der Fotografie. Ihr gegenüber besteht noch immer die Erwartungshaltung, ein objektives Abbild der Realität und damit einen Erkenntnisgewinn generieren zu müssen. Die Auseinandersetzung mit Fragen einer reinen Ästhetik steht diesem Anspruch entgegen. Die gezeigten Arbeiten Weinbergers ignorieren diese Maximen und fragen bewusst nach der Position des Fotografen innerhalb einer Theorie der Ästhetik.

Text: Dana Weschke

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Thomas Weinberger
„schön." / „beautiful."