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Eröffnung: Freitag, 25. November, 19 Uhr

Till Krause (*1965, lebt in Hamburg) untersucht, wie wir mit der uns umgebenden, städtischen wie ländlichen Landschaft umgehen, wie dies vor Ort konkret ablesbar ist und wie sich daraus neue Blickweisen entwickeln können. Michel de Certeau spricht in Kunst des Handelns von der Stadt als einem „Text“, den die an ihr Teilhabenden schreiben, aber erst dann auch lesen können, wenn sie eine gewisse Distanz zu ihm einnehmen. Diese Vorstellung, die Strukturen einer vom Menschen geprägten Umgebung als Text zu betrachten, den es zu entziffern gilt, entspricht exakt der künstlerischen Praxis von Till Krause. Er macht sich auf die Suche nach dem, was in unserem von Nutzungsinteressen bestimmten Umgang mit dem urbanen und naturhaften Raum verschüttet wurde. Er schaut genau an, was uns alltäglich und bekannt erscheint, um neue Lesarten des „Stadt- oder Landschaftstextes“ offen zu legen. Dabei geht es ihm nicht um eine Beschreibung der (Erscheinungs-)Formen von Landschaft und Raum, sondern um die Imaginationen von ihnen, um die gesellschaftlichen Parameter, die sie und unsere Wahrnehmung von ihr konstituieren. Seine Kunst bezeichnet er selbst als „Arbeit an diesen Parametern“. Till Krause nimmt sich die „Texte“ vor, die von geschichtlich-gesellschaftlich-ökonomischen Gegebenheiten geschrieben und wieder überschrieben wurden, um ihre Subtexte lesbar zu machen und auf dieser Grundlage neue Formulierungen zu finden.

Die Ausstellung Briesener Zootzen in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst konzentriert sich auf Krauses mehrteilige Arbeit Achse Kiel-Hamburg und präsentiert zum ersten Mal alle Karten dieses Konvoluts in ihrer Gesamtheit. Für Achse Kiel-Hamburg ist er auf einer exakt graden Linie von seinem Haus in Hamburg-Altona bis in die Kieler Innenstadt gewandert. Auf seinem Weg hat er aufmerksam unterschiedliche zivilisatorische Spuren in der Landschaft vermerkt und minutiös in großformatige Landkarten oder handschriftliche Aufzeichnungen übertragen. So legt etwa eine der Karten die Verbindung zur Welt über den Handyempfang auf dem Weg zwischen Altona und Kiel offen, eine andere kartiert die mögliche Einsicht in das Gelände ohne Blickhindernisse und wieder eine andere führt die öffentlichen Areale entlang der Strecke auf. Jedes der detailreichen Ergebnisse zeichnet so über das subjektive Erleben innerhalb objektiv festgelegter Parameter (der grade Weg und die Kartierung) ein ästhetisches Bild gesellschaftlicher Realitäten, die wir so noch nie angesehen haben. Oder, um es noch einmal mit de Certeau zu sagen: Krause legt die „Fremdheit des Alltäglichen“ offen, die einen neuen Blick auf das Bekannte und damit eine Deutung erst möglich macht. Diesen Ansatz verfolgt er auch mit einer weiteren Arbeit, die aus Anlass seiner Ausstellung in der GAK über den öffentlichen Raum in Bremen entsteht und sich in ihm verortet.

1850 veröffentlichte Edgar Allan Poe seine Erzählung The Island of the Fay. Sie vollzieht nach, wie die Wahrnehmung einer natürlichen Erscheinung, hier einer Insel inmitten eines Flusses, durch genaues Hinsehen und exakte Beschreibung immer geheimnisvoller wird und sich schließlich zu etwas Märchenhaftem wandelt. Der Blick des Erzählers lädt sich allein durch die Kraft seines Blickes auf und vermag das Gesehene zu transzendieren. Till Krause mag diese Geschichte sehr.

Die Ausstellung wird ergänzt von einem ausführlichen Begleitprogramm.