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Timothy Greenfield-Sanders ist einer der anerkanntesten Portraitphotographen in den USA. Seit über zwei Jahrzehnten erfasst er mit seinen Photographien die führenden internationalen politischen und kulturellen Persönlichkeiten: Präsidenten, Schriftsteller, Musiker und vor allem Künstler. Im November 2003 erwarb das Museum of Modern Art in New York 700 seiner Portraitstudien.

Mit seinem aktuellen Projekt "XXX 30 Porn-Star Portraits" betrat er riskantes Neuland, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass noch vor wenigen Monaten das mächtigste Land der Welt einen folgenreichen Skandal erlebte durch die (unbeabsichtigt?) bloßgelegte Brustwarze der Sängerin Janet Jackson während des live übertragenen SuperBowls. Seit diesem Vorfall werden alle Live-Fernsehübertragungen zeitversetzt gesendet, um Sender und Publikum durch die Möglichkeit kurzfristigen Ausblendens solche moralgefährdenden Ausstrahlungen zu ersparen. Die möglicherweise entsetzten Zuschauer können dann kurzfristig auf Kriegsberichterstattungen oder Wrestling-Brutalitäten umschalten.

Dennoch ist das oft bigotte Amerika immer noch ein freies Land, Pornographie z.B. ist nicht verboten, sondern in summa ein Milliardengeschäft. Sie existiert in schmuddeligster Form ebenso wie in ästhetischen, professionell gestalteten Publikationen und Filmen. Jeder Gast in amerikanischen Hotels kann neben den normalen Kanälen zwischen mehreren pornographischen Filmen in seinem TV Programm wählen, wenn er dafür bezahlt. Statistisch gesehen erfolgt mehr als die Hälfte aller Internet Zugriffe auf sexistisches Material. So existieren zwei Welten nebeneinander: die liberal geduldete Privatsphäre und das öffentliche Umfeld mit moralistisch strengsten Einschränkungen.

Wie in jedem gesellschaftlich relevanten Kontext gibt es auch hier Stars der spezifischen Szene. Sie sind – alle Klischees abdeckend – die Darsteller auf den Photos: blond – schwarz – und rothaarig, jünger und älter, hetero- und homosexuell, weiblich und männlich, Weiße, Farbige und Asiaten. Und sie werden nackt photographiert.

Natürlich ist hier der Kurzschluss zu vermeiden, dass es sich bei Aktphotos von Pornodarstellern automatisch um pornographisches Material handeln muss. Timothy Greenfield-Sanders wäre kein Künstler, wenn er primitive Klischees bedienen würde. Er vermeidet durch hohe Auflösung in vielen Aktdarstellungen ein gefiltertes Idealbild und zeigt die nackte Realität mit allen Operations- und Altersspuren. Allein durch die Einbeziehung älterer Darsteller(-innen) werden die noch perfekten Körper der jüngeren Stars in den unvermeidlichen Kreislauf des körperlichen Verfalls eingebunden.

Und er schafft vor allem zum Bild ein Gegenbild: die jeweils selbe Person im bürgerlichen Outfit. Dieser Kunstgriff macht die Stars einer bizarren Kunstwelt (als provozierte Projektion bürgerlicher Träume) zu normalen symphatischen Mitbürgern, die man gerne in den Vorstand eines lokalen Vereins wählen würde.

Andererseits ist bekannt, dass Photos nicht zu trauen ist. Politiker wissen schon lange um die wirksame Dualität der eigenen Darstellung als Kriegsherr oder weiser Staatsmann auf der einen Seite und den Konträrphotos mit kleinen Kindern oder dem symphatieheischenden Streicheln von Hundebabys.

Doch hier kann guten Gewissens Entwarnung gegeben werden: Timothy Greenfield-Sanders ist kein manipulierender Photograph, er bildet die Menschen so ab wie sie sind. Und er ist mutig genug, alle puritanisch-ideologisch bedingten Vorurteile und Tabus zu ignorieren, um in einer verlogenen Welt der "political correctness" der Wahrheit etwas näher zu kommen. Ohne diese Glaubwürdigkeit hätten sich renommierte Autoren wie Gore Vidal, Nancy Friday, Lou Reed, John Malkovich oder Salman Rushdie nicht bereit erklärt, Essays zu diesem provozierenden Thema im Buch zur Ausstellung zu veröffentlichen.

Nach der erfolgreichen Premiere in der New Yorker Galerie von Mary Boone (mit zahlreichen positiven Rezensionen vom Artforum bis zur New York Times) wird die Ausstellung zum ersten Mal in Europa in unserer Galerie vorgestellt.

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Timothy Greenfield-Sanders
XXX 30 Porn-Star Portraits