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Die in London lebende Künstlerin Tomma Abts (1967) zeigt in ihrer ersten Einzelausstellung in der Galerie Daniel Buchholz eine Gruppe neuer Bilder. Der folgende Text ist ein Auszug aus einem Gespräch, dass Ulrike Groos im Dezember 2002 mit der Künstlerin geführt hat.

Ulrike Groos (UG): Ich möchte mit der Betrachtung Deines Werkzeugs, also deiner Malutensilien, beginnen. Welche Farben und Pinsel verwendest du?

Tomma Abts (TA): Ich arbeite immer mit Acryl und Öl. Ich beginne mit wässrig-dünnen Acrylschichten, damit ich schneller eine Grundkomposition aufbauen kann. Später, wenn ich genauer weiß, was sich herausbildet, arbeite ich mit Öl darüber. Was ich technisch an der Stelle, an der ich gerade arbeite, brauche, so ist der Pinsel, dick oder dünn.

UG: Die Farben, die du verwendest, lassen auf eine reiche Farbpalette schließen. Es gibt ja einerseits Farben, die einen realen Landschaftsbezug besitzen bzw. etwas mit der "wahren" Welt zu tun haben, andererseits gibt es künstliche Farben. Bei Dir findet sich beides, Naturtöne und künstliche, poppige Farben. Aus dieser Wahl kann sich eine Verwandtschaft oder eine Dissonanz der Farben ergeben.

TA: Das stimmt, es handelt sich jedoch um meine älteren Bilder, die oft noch leuchtender, bunter und künstlicher in den Farben sind. Als ich dann mit den kleinen Formaten begann, funktionierte das Bunte und Poppige nicht mehr. Sie fangen zwar oft bunt an, werden dann aber im Laufe des Prozesses immer mehr abgedunkelt. Es kommt jedoch vor, dass noch etwas von den alleruntersten bunten Acrylschichten durchscheint. Häufig ist die Komposition so komplex, dass man sich das Bild gar nicht angucken könnte, wenn es sehr bunt wäre. Ich erreiche teilweise so subtile Farbunterschiede, dass ein Bild, bei dem eigentlich schon die ganze Komposition stimmt, oft wegen kleinster Farbnuancen nicht funktioniert - weil die Nuancen noch nicht interessant sind oder noch zu kontrastreich. Ich denke auch, dass dieses Dunkle der merkwürdigen Braun- oder Grautöne eine ganz besondere Stimmung ausstrahlt. Es gibt jedoch auch Bilder, die ganz hell und beißend sind, in Grün- oder Gelbtönen. Bei denen geht es um das Licht, das im Bild ist.

UG: Folgst Du bei deiner Farbwahl und ihrer Zusammensetzung in den oberen Malschichten einer Farbenlehre?

TA: Meine Farbwahl ist immer rein intuitiv.

UG: Bei der Betrachtung deiner Bilder stellen sich insbesondere Fragen nach der Komposition, den Bildmotiven, nach Fläche und Raum und der Bedeutung von Licht und Schatten.

TA: Ich sehe die Motive im Bild nie als Abbildung einer Form an, die ich irgendwo gesehen habe. Ihre Größe ist immer eins zu eins. Und deswegen sehe ich z.B. Schatteneffekte als etwas, was zwar die Form im Bild definiert, aber auch die Bildfläche selber definiert oder aktiviert. Das, was die Bilder räumlich oder körperlich macht, benutze ich ganz bewusst. Es ist mir klar, dass Lichteffekte oder Schatten eine dreidimensionale Wirkung dadurch erzeugen, dass ein Lichtreflex auf einem Körper liegt. Das passiert, um eine Form zu beschreiben, um eine Räumlichkeit in dem Bild herzustellen.

UG: Was bedeutet Größe von eins zu eins in ungegenständlichen Bildern?

TA: Das ist etwas, was mir total wichtig ist, das ist mir in letzter Zeit wieder klargeworden. Das hat mit kongruent sein zu tun oder mit konkret sein. Viele vermuten, dass ich bestimmte Formen, die im Bild auftauchen und dort sehr gegenständlich aussehen, irgendwo gesehen habe und nun eine Abbildung davon machen. Aber die Formen existieren nur in der Größe, in der sie auch im Bild sind.

UG: Es gibt also nie reale Bezugspunkte?

TA: Nein. Die Größe der Formen ist ihre eigentliche Größe, das ist nicht leicht zu beschreiben. Ich meine mit kongruent: Die Form, die man sieht, ist gleichzeitig das Bild selbst. Das ist keine Abbildung von dem, was man da sieht, das ist es selbst. Inzwischen weiß ich, wie sich ein Bild aufbaut, weil sich so etwas einfach im Laufe der Jahre entwickelt. Aber ich weiß vorher nicht, wie die Form aussehen soll. Wenn ich anfange, kann es sein, dass erst einmal nur eine einfache Aufteilung erfolgt, dass ich das Bild beispielsweise in drei Farbflächen aufteile und mich dann entscheide, dort drei Kreise reinzusetzen und zu sehen, was passiert.

UG: Deine Bilder wirken jedoch, als entständen sie durch einen strengen Formwillen deinerseits. Es überwiegen eckige, geometrische Formen, also solche, die immer sehr definiert erscheinen. Deswegen besitzen sie meist auch etwas Figuratives. Gibt es ein bestimmtes Repertoire an geometrischen Formen, auf das du immer wieder zurückgreifst und das sich ständig erweitert?

TA: Ja, ich glaube, dass sich das erweitert. Manchmal werde ich gefragt, ob ich an bestimmte Phasen der Malereigeschichte anknüpfen möchte und deswegen ganz bewusst ein spezifisches Formenrepertoire benutze, aber das ist wirklich nicht so. Ich verwende deshalb häufig geometrische Formen, runde oder eckige, Kreise oder kantige Linien, weil diese Formen den Bildraum am besten in Spannung versetzen, ihn zusammenhalten oder aufspannen. Außerdem entsteht deshalb ein Spannungsverhältnis, weil die Bilder so eine Logik haben, die man aber nicht rational erklären kann.

UG: Das ist für mich das Erstaunliche und auch Besondere an deinen Bildern, dass es eben gerade nicht so ist, dass deinen Kompositionen ein Gerüst zugrunde liegt, oder dass die Art, wie du die Malschichten aufbaust, einem bestimmten Konzept folgt. Es sind vielmehr während der Entstehung Improvisationen und Experimente möglich und auch notwendig, damit am Ende dieses "perfekte Gemälde" herauskommt, der Moment erreicht ist, in dem der Arbeitsprozess an dem Bild abgeschlossen ist. Ich denke auch, dass die Intuition eine ganz wesentliche Rolle spielt.

TA: Der Entstehungsprozess ist wirklich sehr wichtig. Denn er ist ja auch noch Teil der Bilder, wenn sie fertig sind. Man kann die unteren Spuren durchsehen. Daran sieht man auch, dass das Bild gefunden ist und nicht schon von vorne herein da war. Diese Offenheit ist total wichtig, wenn ich anfange. Jedesmal, wenn ich ein Bild male, komme ich an den Punkt, an dem ich denke, jetzt weiß ich, was funktioniert. Es wird meistens in einem Moment fertig, in dem etwas Überraschendes passiert, oder in dem man gerade nicht soviel Kontrolle über das Bild hat. Der Moment, wo es fertig ist, ist der, wo auf einmal alles funktioniert. Das weiß ich dann auch ganz genau.

UG: Einige deiner Bilder sehen aus wie Reliefs, enthalten statt Linien Stege und Grate, die aus der Fläche hervorragen.

TA: Das liegt technisch daran, dass ich nie etwas abklebe, sondern immer frei Hand arbeite. Und wenn ich an Details wer weiss wie oft noch etwas verändere, an einer Linie beispielsweise, dann wird die immer dicker. Bewegung ist in dem Zusammenhang auch sehr wichtig. Die Bilder sind alle so angelegt, dass es keine statischen Kompositionen sind, sondern man durch das Bild hindurchgeführt wird, so dass sich in der Wahrnehmung vom Bild eine Art Bewegung ergibt. Es ist auch sehr wichtig dass in meinen Bildern bestimmte Lichtverhältnisse existieren oder eine Lichtquelle vorhanden ist. Letztendlich muss alles zusammenwirken, der Raum, das Licht, die Bewegung usw.

UG: Die dreidimensionale Wirkung in deinen Bildern entsteht also durch die Konstitution der Bildstruktur selbst und eben nicht durch die Imitation von irgendwelchen räumlichen Situationen.

TA: Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Robert Ryman z.B. benutzt den Begriff "konkret” bei seinen Gemälden. Für mich bedeutet das, dass der Schatten jetzt nicht die Illusion von etwas anderem hervorruft, sondern den eigentlichen konkreten Bildraum, der vor einem ist, definiert.

UG: Was haben die Bildelemente in diesem Bildraum für ein Verhältnis zueinander?

TA: Eine totale Gleichrangigkeit. Meistens ist auch einfach gar nicht klar, was Vordergrund oder Hintergrund ist, wodurch eine Ambivalenz in der Räumlichkeit entsteht.

UG: Spricht man von Form, dann sind Formdefinition und Formzerschlagung zwei gegensätzliche Begriffe. Bei dir handelt es sich eindeutig immer um Formdefinition. Dieses Wort beschreibt denke ich genau das, was letztendlich dieses Konkrete in deinen fertigen Bildern ausmacht, das Definierte, das eindeutig wird.

TA: Ja, genau. Dass am Schluss etwas ganz genau definiert ist, was es vorher noch gar nicht gab, sondern was ich selber hergestellt habe.

* in: "Kunstpreis der Böttcherstraße in Bremen" (Katalog), Hrsg. E. Schmidt u. B. Nierhoff, Kunsthalle Bremen 2003

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Tomma Abts