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Wucht und Fragilität

Grob behauene Kolosse, Sitzende mit phallisch hochgerecktem Oberschenkel, in der Senkrechte ausbalancierte Kugeln, extrem überlängte, sehr schmale Gestalten oder amorphe Körperhüllen, in deren Innerem feinste Verästelungen wachsen – das Werk von Trak Wendisch scheint schier unerschöpflich in seinem Bilderreichtum. Ein ganzer Kosmos von Figuren und Figurengruppen – von Körpern – ist im vergangenen Jahrzehnt entstanden. Eine Vielzahl von Holzskulpturen, Bronzen und Plastiken, die auf oft drastische Weise den Menschen in seinen ursprünglichen Seinszuständen erkunden.

Gewaltig ist die Schaffenskraft des Künstlers. Und gewaltig sind seine Skulpturen. Im Ausmaß häufig überlebensgroß, oft monumental spiegeln sie das Drama der menschlichen Existenz; verkörpern Verlassenheit und Leid, Hilflosigkeit und Zurückgezogenheit, Bedrängnis oder Verlangen. Und das mit einer Wucht und Expressivität, die mitunter erschauern lässt. Da ist zum Beispiel die ‘Hockende’, eine Bronze aus dem Jahr 1995. Wie erstarrt wirkt die Gestalt; hier im Foto noch durch den Raureif gesteigert. Oder der Frauenträger aus dem Jahr 1991. Die aufrechte, schlanke Figur hält in übergroßen Händen das Bein einer Frau, deren Körper ängstlich zusammengekrümmt daran baumelt. Der Moment des möglichen Absturzes trifft den Betrachter mit Wucht. Und dann wieder wachsen ausgezehrte Körper – dem vollständigen Verschwinden nahe – dünn in die Höhe. Vorbeischauen kann an den Skulpturen von Trak Wendisch niemand. Selbst wenn sie fast entmaterialisiert kaum noch vorhanden scheinen, bewahren sie ihre suggestive Macht.

Woraus speist sich diese Kraft? Aus dem Grotesken, das in Körperhaltungen, Übersteigerungen oder Attributen zum Vorschein kommt? Aus der halsbrecherischen Balance, in die Wendisch Gewichte verschiebt? Oder aus der Bearbeitung der Oberfläche, die als solche nicht selten ein Kraftakt war? Am ehesten wohl aus der Radikalität, mit der all das in Erscheinung tritt. Trak Wendisch ist ein Radikaler. Er gibt sich nicht mit lauen Empfindungen zufrieden. Er geht den ganzen Weg – und dringt bis an die Grenzen vor. Sehr nahe an die Grenze der Zerstörung, etwa wenn er seine Holzfiguren in martialischem Akt kurz abfackelt, um ihnen die Patina der Vergänglichkeit zu geben. An die Grenzen seiner Körperkraft, wenn er mit der Kettensäge Figuren aus Baumstämmen herausschält, an die Grenze des Machbaren, wenn er die Statik einer Skulptur in der Verlagerung der Schwergewichte bis aufs Äußerste ausreizt. Wie etwa in einer der neueren Arbeiten, die unter dem Ausstellungstitel ‘Bastarde’ im Jahr 2002 in der Galerie Borchardt zu sehen waren. Zwischen zwei riesigen Kugeln, vertikal ausbalanciert, schwebt ein nur noch in minimalen Andeutungen erkennbarer Frauenkörper. Die Aufhebung der Schwerkraft unterstreicht Trak Wendisch noch durch die Farbgebung. Die untere Kugel ist weiß, die obere schwarz. Mit den ‘Bastarden’ radikalisiert Trak Wendisch den thema-tischen Schwerpunkt seiner Arbeit: Figürlichkeit, eingebunden in einen geometrischen Aufbau. All seine Arbeiten verweisen mehr oder weniger deutlich auf die Polarität zwischen wilder Expressivität und kühler Strenge, zwischen Gefühl und Ver-stand. Aber während in früheren Werken die Figur in ihrer lebendigen Natürlichkeit im Vordergrund steht, liegt bei diesen restfigürlichen Skulpturen das Gewicht auf der Form.

Hier im Katalog (ab Seite 76) sind einige der letzten Austellungssituationen mit diesen Arbeiten zu sehen. In neuer Gestalt und etwas beruhigter, wie es scheint, treibt Trak Wendisch das Spiel mit den Gegensätzen. Mit dem Zeigen sowohl des Außen wie des Innen, mit glatten und gekerbten Flächen, mit gewölbten und kantigen Formen reizt er die Möglichkeiten der Bildhauerei aus. Und stellt den Betrachter zugleich vor geheimnisvoll-auratische Gestalten.

Schon oft überraschte der Berliner Bildhauer mit Formgebungen, die scheinbar wenig mit bis dahin bekannten Arbeiten zu tun hatten. Aber schöpferisch tätig zu sein bedeutet für Trak Wendisch stets aufs Neue den Verzicht auf Gewohntes und die Hinwendung zum Unbekannten. ‘Ich kann mich nicht zu dieser Einfachheit im Geiste überreden, der wie ein Hochspringer nach dem Muster agiert: Das Nächste wird immer besser. Das ständige Aufhäufen interessiert mich immer weniger. Ich habe vor allem die Idee, gern ins Atelier zu gehen. Das ist mein zentrales Problem.’ Er weiß, dass das luxuriös ist. Aber gelingt es ihm nicht, mit dem bekannten Formenvokabular eine Steigerung an Intensität im Ausdruck zu erreichen, verspürt er Langeweile. Der Satz von ihm ‘Nicht ich hatte die Form erschöpft, sondern sie mich’ beschreibt anschaulich diesen kreativen Nullpunkt, an dem es für Trak Wendisch nur eines gibt: Das Zurücklassen des Gewohnten und den Vorgriff auf unbekanntes Gebiet. Dann bleibt zum Beispiel der Holzvorrat in der Ecke liegen, und der Bildhauer knetet aus Wachs äußerst filigrane Objekte aus einem anderen thematischen Zusammenhang. Mit der Zeit werden sie immer größer. Bis schließlich ein mehr als zwei Meter hohes Modell entsteht, das in abstrakter aber immer noch lebendiger Form vom Wachstumsprozess berichtet. Die Bronze ‘Aguirre’ etwa ist aus einem solchen Wachsmodell entstanden. Für Trak Wendisch bedeutete ihre für ihn selbst unerwartete Form einen Anfang. Und tatsächlich scheinen sich in ihrem Inneren Grate und Verästelungen zu neuem Leben formieren zu wollen.

Was dem Betrachter als klarer Bruch erscheint, vollzieht sich im Atelier in kleinen Schritten. Im Zulassen des Experiments, das ja auch immer die Gefahr des Scheiterns in sich birgt. Trak Wendisch ringt nicht um Form. Er ringt um Augenblicke größter Klarheit. Um Momente der Absichtslosigkeit. Wenn Eindrücke, Gedanken, Gefühle, der eigene Rhythmus und das Material in seinen Händen ineinander aufgehen. Er nennt das ‘Zustände der Verwesentlichung’. Sehr schwer zu erreichen. Zu bedrängend sind die äußeren Eindrücke manchmal. Die Hoffnungen, Ängste, Wünsche und Nöte der Menschen, die so oft auf Äußerlichkeiten gerichtet sind. Trak Wendisch braucht die Abgeschlossenheit des Ateliers. Dann kann er nach eigenen Worten ‘die Rüstung ablegen’, um etwa mit dem Zeichenstift Existenzielleres zu formulieren. Das Existenzielle finden wir in den Idolen gleichen Gestalten, die der Künstler nach einem Aufenthalt in Costa Rica schuf, genauso wie bei den überlängten, gotisch anmutenden Grazien oder in den kubisch aufgebauten Formen, die nur noch Anklänge an Figürlichkeit zeigen. Welche Form Trak Wendisch auch immer wählt – gemeinsam ist all seinen Skulpturen eine ungeheure Kraft, die aus eben der absoluten Haltung des Bildhauers entsteht.

Gemeinsam ist den Skulpturen auch ein ungeheure Spannung, die sowohl in der Figur selbst, wie in ihrem Verhältnis zum Raum Ausdruck findet. Etwa wenn der Bildhauer filigranstes und massiges miteinander verbindet. Oder wenn – wie in der monumentalen Figur der Mondträgerin – Vertikale und Horizontale in Umkehrung der Schwerkraft um ihren Rang kämpfen. Oder wenn Tänzerinnen in weit ausgreifender Geste den Raum einfangen. Die Kunst von Trak Wendisch lebt aus diesem Spannungsverhältnis zwischen den Polen von archaischer Wucht und Fragilität, Instinkt und scharfem Verstand. Unverkennbar ist sie in ihrer Kompromisslosigkeit. Wie nah die zwar in ihrer Form verschiedenen Werke von Trak Wendisch tatsächlich beieinander angesiedelt sind, zeigt dieser Katalog auf beeindruckende Weise. Erstmals gibt er eine Übersicht über sein Schaffen seit 1989. Und was beim Durchblättern des Bildbandes deutlich wird – das nämlich gerade die lebendige Fülle an Ausdruckskraft das Wesen dieses Œuvres ausmacht – konnte Trak Wendisch vielfach bei großen internationalen Ausstellungen in Museen und im Außenraum vorführen. Auch davon legt dieser Katalog Zeugnis ab.

Ursula Herrndorf

Pressetext

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Trak Wendisch: Körper und Fäden