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Die Auseinandersetzung mit biblischen Themen verbindet der chinesische Künstler Tsang Kin-Wah mit aktuellen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen. Im Kunstmuseum Thurgau wird er den Ausstellungsraum in die begehbare Inszenierung „Ecce Homo Trilogy II“ verwandeln. Der in Hongkong lebende Tsang Kin-Wah schafft Räume, in denen Fragen nach Gerechtigkeit, Wahrheit und Menschlichkeit als universelle Werte zur Diskussion gestellt werden. Er vertritt 2015 Hongkong an der Kunstbiennale von Venedig und wird nun vom Kunstmuseum Thurgau erstmals im deutschsprachigen Raum in einer Einzelausstellung vorgestellt.

Tsang Kin-Wah erhielt internationale Aufmerksamkeit für seine Installationen, in denen er die Apokalypse des Johannes als raumfüllende Lichtprojektionen umsetzt. Biblische und philosophische Texte, aber auch eigene Gedanken und Interpretationen ranken sich in ornamentalen Schriftzügen durch die Räume, was eine eindrückliche Befragung von Schuld und Gerechtigkeit nach sich zieht. Während Tsang Kin-Wah auf der diesjährigen Kunstbiennale von Venedig den Auftritt von Hongkong gestaltet, wird er nun vom Kunstmuseum Thurgau erstmals im deutschsprachigen Raum in einer Einzelausstellung vorgestellt. In den Räumlichkeiten des ehemaligen Kartäuserklosters Ittingen ist der zweite Teil seiner Trilogie „Ecce Homo“ inszeniert. „Ecce Homo“ – mit diesen Worten präsentierte Pontius Pilatus der Öffentlichkeit den gegeisselten Jesus vor der Kreuzigung. Die wörtliche Übersetzung aus dem griechischen Urtext des Johannesevangeliums lautet „Siehe, der Mensch“. Luther übersetzte den Ausspruch mit „Sehet, welch ein Mensch“. In der Einheitsübersetzung heisst es „Seht, da ist der Mensch“. Die Bibelstelle wirft die existenzielle Frage auf, was denn das Menschsein ausmacht. Als die Passionsgeschichte zum zentralen Thema der abendländischen Frömmigkeit wurde, entwickelte sich in der bildenden Kunst eine reiche Darstellungstradition der Szene. In der Literatur betitelte dann gar der Philosoph Friedrich Nietzsche seine Autobiografie mit „Ecce Homo. Wie man wird, was man ist“. Während der 1976 geborene Tsang Kin-Wah in seiner Jugend vom Christentum fasziniert war, setzte er sich später anhand von Nietzsches Schriften äusserst kritisch mit religiösen Werten, Moralvorstellungen und gesellschaftlichen Konventionen auseinander. Im ersten Teil seiner Trilogie thematisierte er das Todesurteil gegen den rumänischen Diktator Nicolae Ceauşescu. In „Ecce Homo Trilogy II“ untersucht der chinesische Künstler die Verurteilung des irakischen Staatspräsidenten Saddam Hussein im Jahr 2006. Dabei nutzt er filmisches Dokumentationsmaterial, das im Internet frei verfügbar ist. Unter Verwendung dieser Bilder verwandelt Tsang Kin-Wah den Ausstellungsraum im Kunstmuseum Thurgau in eine begehbare Inszenierung, welche die Hinrichtungen von Menschen zum Gegenstand einer eingehenden Befragung von Begriffen wie Wahrheit, Gerechtigkeit und Menschlichkeit macht. Der zweite Themenkomplex im Werk von Tsang Kin-Wah betrifft die Distribution von Informationen durch die neuen Medien. Anhand des teilweise heimlich aufgenommenen, aber heute frei verfügbaren Filmmaterials der Tötungen werden auch die Macht- und Bedeutungsproduktion von Bildern in einer digital vernetzten Welt zur Diskussion gestellt.

Zur Ausstellung im Kunstmuseum Thurgau erscheint im Verlag für moderne Kunst eine deutsch-englische Publikation mit Texten von Stefanie Hoch, Markus Landert, Christoph Noe und Li Zhenhua.