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Ula Stöckl – Pionierin des Feministischen Films
WERKSCHAU
09.02.2018 - 14.02.2018 10. Programm
Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2, 10785 Berlin
www.arsenal-berlin.de

"'Das Private ist politisch' ist ein Schlüssel zur Filmkunst, mit dem ich die Machtstrukturen bis in die intimsten Beziehungen hinein aufzeigen kann." (Ula Stöckl) Wie ein roter Faden zieht sich dieser Gedanke nicht nur durch Ula Stöckls filmisches Œuvre, er grundiert gleichermaßen ihre umfassende kuratorische Tätigkeit in zahlreichen internationalen Auswahlgremien wie ihre bis heute andauernde Lehrtätigkeit als Regie-Professorin in den USA. Und er reicht bis in die frühen 60er Jahre zurück, als sie begann, als eine der wenigen Frauen in der Bundesrepublik Filme zu drehen. Anfang der 60er Jahre stand für Ula Stöckl fest, dass sie als Drehbuchautorin arbeiten wollte. Sie bewarb sich an der Hochschule für Gestaltung in Ulm und wurde als erste Frau am Institut für Filmgestaltung aufgenommen. Alexander Kluge, der zusammen mit Edgar Reitz die Abteilung Film aufbaute, fragte sie damals, ob sie sich vorstellen könne, als Filmemacherin Alleinverantwortung für ihr Werk zu übernehmen. Das sei etwas völlig Neues, man wolle an die Autorenposition aus der Frühzeit des Films anknüpfen. Ihren ersten Kurzfilm drehte Ula Stöckl mit einer stummen 35-mm-Arri-Kamera gleich in den Festungsanlagen neben der Hochschule: ANTIGONE (1964), das klassische Epos, in sieben Minuten, auf reine Handlungsmomente reduziert. Ihr Langfilmdebüt NEUN LEBEN HAT DIE KATZE (1968) gilt als der erste feministische Film der Bundesrepublik und avancierte zu einem Kultfilm der 60er Jahre. Die von Bärbel Freund und Thomas Mauch kuratierte Werkschau zeigt vom 9.-14.2. insgesamt 17 Filme von Ula Stöckl aus den Jahren 1963 – 1993 und zuletzt 2014. Ula Stöckl wird bei allen Vorführungen zu Gast sein.

Ula Stöckl schrieb, realisierte und produzierte über 25 Dokumentar-, Spiel- und Fernsehfilme, in deren Mittelpunkt starke mythologische Frauenfiguren, Beziehungs- und Generationenkonflikte und das Aufspüren gewalttätiger Machtstrukturen stehen. Zusammen mit Edgar Reitz entstanden "Die Geschichten vom Kübelkind" (25 Episoden) und "Das goldene Ding".

Viele Jahre war Ula Stöckl als Mitglied von Auswahlgremien verschiedener internationaler Festivals wie auch als Moderatorin tätig: 20 Jahre im Auswahlkomitee für den Wettbewerb der Berlinale; 15 Jahre als Auswahlberaterin des Festival de Films de Femmes in Sceaux und Créteil bei Paris; zwei Jahre als Mitglied der Auswahljury für die Filmfestspiele in Venedig. 1999 erhielt sie den Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste. Seit 2004 ist sie als Professorin an der Universität von Central Florida (UCF) tätig. Ihre Schwerpunkte sind Regie und Produktion sowie Frauen im Film, Frauen vor und hinter der Kamera und der deutsche Film.

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Auszug Interview

Laura Méritt: In „Erikas Leidenschaften“ geht es um Beziehungen, Freundschaften und Liebe, stets aktuelle Themen. Wir schauen Frauen beim Denken, sich Austauschen, Streiten und Lachen zu. Das sind wesentliche Elemente in all deinen Filmen.

Ula Stöckl: „Das Private ist politisch“ ist für mich ein wichtiger Leitsatz. Veränderung beginnt im Mikrokosmos, eine wichtige Erkenntnis der Frauenbewegung. Mit Lachen machen wir den ersten Schritt.

Laura: Der Film ist aus den 70ern, eine Zeit der Aufbruchsstimmung, in der besonders Frauen neue Lebensformen auch ohne Männer ausprobieren. Du wählst zwei arbeitende Frauen, die zusammen ziehen und ein Experiment wagen: erst verdient die eine Geld und die andere gibt sich Revolutionärem hin, dann soll es umgekehrt sein. Die beiden Frauen müssen erkennen, wie tief sie in den alten patriarchalen Denk- und Machtstrukturen verhaftet sind.

Ula Stöckl: Ich möchte zeigen, wie sich Machtstrukturen im Alltag auf alle Geschlechter auswirken und durch Bewusstmachen verändert werden können. Ziel ist das Auflösen von struktureller Gewalt als Voraussetzung für eine Demokratie. Ich zeige auch Frauen und Minderheiten als (Mit-)Täterinnen, wobei es mir nicht darum geht, sie anzuklagen. Ich will offen legen, wie eben diese Machtdynamik funktioniert, wie Abhängigkeitsstrukturen von allen getragen werden, Unterdrückung weitergegeben oder sich arrangiert wird. Ich möchte die verschiedenen Zusammenhänge aufzeigen, die zu diesen komplexen Strukturen führen.