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Das Projekt umfasst Kunstwerke, die sowohl temporär als auch auf Dauer in Bochum aus- und aufgestellt sind. Neben dem Kunstmuseum Bochum sind die Burg Haus Kemnade, die Kunstsammlung der Ruhr-Universität Bochum, die Situation Kunst, die Galerie m bzw. der Schlosspark Weitmar sowie Plätze der Innenstadt und der Stadtteile Ausstellungsorte. Während der Dauer der Ausstellung werden die Skulpturen im Innen- und Außenraum durch Vorträge, museumspädagogische Angebote, Führungen und Aktionen miteinander verbunden.

Es bewegt sich alles, Stillstand gibt es nicht. Lasst Euch nicht von überlebten Zeitbegriffen beherrschen. Fort mit den Stunden, Sekunden und Minuten. Hört auf, der Veränderlichkeit zu widerstehen. SEID IN DER ZEIT – SEID STATISCH, SEID STATISCH – MIT DER BEWEGUNG. Für Statik, im Jetzt stattfindenden JETZT. Widersteht den angstvollen Schwächeanfällen, Bewegtes aufzuhalten, Augenblicke zu versteinern und Lebendiges zu töten. Gebt es auf, immer wieder „Werte“ aufzustellen, die doch in sich zusammenfallen. Seid frei, lebt! Hört auf, die Zeit zu „malen“. Lasst es sein, Kathedralen und Pyramiden zu bauen, die zerbröckeln wie Zuckerwerk. Atmet tief, lebt im Jetzt, lebt auf und in der Zeit. Für eine schöne und absolute Wirklichkeit! Düsseldorf, März 1959 TINGUELY

Dieses anlässlich seiner Ausstellung in der Galerie Schmela von Jean Tinguely in 150.000 Exemplaren über Düsseldorf abgeworfene „Manifest für Statik“ bekommt eine besondere Aktualität: Die fortschreitende Globalisierung fordert von jedem einzelnen immer mehr Mobilität und lässt dabei die Frage nach der „Qualität“ von Bewegung außer Acht. Der metaphorische Titel der Bochumer Ausstellung bzw. die Anspielung auf Galileis legendäre Worte signalisiert eine unkonventionelle Betrachtung von Phänomenen der Bewegung in der Kunst. Dabei bleibt offen, was sich bewegt – das Kunstwerk an sich, das Publikum beim Um- oder Beschreiten, das Auge des Betrachters und damit sein Bewusstsein ...

Jedes Kunstwerk thematisiert faktisch oder imaginativ Bewegung. Die Entwicklung der Fotografie und des Films führten im Umfeld des Impressionismus, Futurismus, Konstruktivismus und des Bauhauses zur differenzierten Analyse von Bewegungsabläufen. Alexander Calder und Jean Tinguely machten sich zusätzlich die Ideen Marcel Duchamps, des Dadaismus und des Surrealismus zu Nutze und brachten Bewegung in die Kunst – und das bis heute. In Erweiterung zum Begriff der „kinetischen Kunst“ macht die Bezeichnung „mobile Kunst“ eine Zusammenschau vielfältiger, sogar scheinbar widersprüchlicher Ansätze möglich. Kreativ assoziierend wird innerhalb der Ausstellung eine Typologie der Bewegung entwickelt.

Historische Positionen treffen auf zeitgenössische Statements und Experimente, werden erweitert oder konterkariert. Neben den unter diesen Aspekten ausgewählten Exponaten gehören in Bochum vorhandene und konzipierte Kunstwerke im öffentlichen Raum zum Ausstellungsprojekt. Zusätzlich initiieren und provozieren Aktionen und temporäre Interventionen neue Bewegungserfahrungen im Stadtraum.

Das „Terminal“ von Richard Serra steht exemplarisch für eine Reihe von „statischen“ Skulpturen und Objekten (Siegfried Cremer, Lutz Fritsch, François Morellet, Michelangelo Pistoletto, Nol Hennissen, Giuseppe Spagnulo, Lee Ufan, Günther Zins), die konzeptionelle, optische und imaginative Bewegung thematisieren. Serras vielansichtige Stahlskulptur lässt gleichermaßen Stabilität, Labilität und Mobilität erfahrbar werden. Alexander Calder fasst Bewegung und Ruhe als polare Kräfte in seinen „Mobiles“ und „Stabiles“ auf und führt in vielfältigen Konstellationen immer wieder neu einen Ausgleich dieser Energien herbei. Labile, balancierende und atmosphärische Bewegung findet sich auch in den Arbeiten von Hans Haacke, Tim Prentice oder George Rickey.

Jean Tinguely konstruiert hoch komplexe Maschinen, die manuell betrieben zweckfrei funktionieren und die moderne Technikwelt in ein fantastisches Panoptikum transformieren. Derart mechanisierte Bewegung mit absurd-grotesken Verknüpfungen technischer, androider und narrativer Bilder thematisieren Rebecca Horn, Theo Jansen, Peter Könitz, Werner Reiterer, Kai Richter, Stephan von Huene oder Frauke Wilken. Mathematisch kalkulierte Bewegung findet sich bei Attila Csörgö, die auf ständige Wandlung stereometrischer Körper zielt; zwar berechnend aber weniger streng arbeiten Yaacov Agam und Günther Uecker. Thomas Baumann inszeniert eine computergenerierte Bewegung, ein determiniertes Aktionsfeld mit einer identischen Antriebskraft erzeugt ungleiche Schwingungsverläufe. Roman Signer provoziert die Natur – Wetter, Wind oder Wasser – zum Spiel der Kräfte in seinen „Zeitskulpturen“ und setzt energetische Bewegung in Gang.

Künstlerische Licht- und Klangbewegungen, natürlich und künstlich erzeugt, sind längst aus dem Schutzraum Museum in den öffentlichen Raum gedrungen. Christine Camenisch, Eva-Maria Joeressen/Klaus Kessner und Maria Nordman schaffen jeweils ein visuelles Kontinuum, das selbst immateriell, Raum körperhaft erfahrbar werden lässt. Gleiches gilt für die durch Geräusche, Töne und Klänge gebildeten akustischen Felder der Fluxuskünstler Joe Jones und Al Hansen oder für die Horchobjekte von Edmund Kieselbach. Bei Gunnar Friel belauscht der Betrachter eine ihm verborgene Bewegung, deren allein akustische Präsenz eine beklemmende und irritierende Wirkung hat. Dem gegenüber reizen Max Sudhues und Fernando Palma Rodriguez die Möglichkeiten verschiedener mobiler Konstruktionen aus und führen sie in narrativen Installationen ausführlich vor Augen – es handelt sich um illusionierende Bewegung. Auf Interaktion zielen die Arbeiten von Wendy Jacob, Werner Reiterer und Michael Sailstorfer. Durch die Nutzung oder Inbetriebnahme der künstlerischen Objekte wird eine performative Bewegung in Gang gesetzt. Auf eine provozierende Intervention zielt Julien Berthier; in Aktionen bringt er absurde Maschinerien zur Visualisierung sozialer Problem und Konflikte in die Öffentlichkeit. Gleichzeitig führt er durch eine, die alltäglichen Abläufe irritierende Bewegung die grotesken Auswirkungen eines immer weiter vorangetrieben Fortschrittsdenken vor Augen – stellt „Mobilität“ selbst in Frage. Ähnlich „sozial bewegt“ agieren Gilbert Geister, Thomas Klegin, Matthias Schamp, Axel Schweppe, Roi Vaara, Christian Hasucha, Helmut Dick, MC o.T. (Motorradclub ohne Titel) und Kim Zieschang.

Lutz Fritsch praktiziert globale Mobilität - er lässt eine seiner energetischen Raumlinien verpackt während der Laufzeit der Bochumer Ausstellung rund um den Globus transportieren; konzeptuelle und faktische Bewegung fallen so ineinander, dass sich mit großem Aufwand Bewegung an sich nachvollziehen lässt. Kunst thematisiert und visualisiert „Mobilität“ wie keine andere geistes- oder naturwissenschaftiche Disziplin. Die Ausstellung lässt spielerische, kalkulierte und ausbalancierte, überraschende, irritierende, unsinnige oder provozierende Bewegungen erfahrbar werden – im Sinne Jean Tinguelys können es Momente der Freiheit sein.

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und es bewegt sich doch ...
Von Alexander Calder und Jean Tinguely bis zur zeitgenössischen „mobilen Kunst”
Kooperation: Tinguely Museum, Basel

Künstler: Thomas Baumann, Julien Berthier, Alexander Calder, Attila Csörgo, Gunnar Friel, Lutz Fritsch, Hans Haacke, Rebecca Horn, Wendy Jacob, Eva-Maria Joeressen / Klaus Kessner, Joe Jones, Al Hansen, Maria Nordman, Fernando Palma Rodriguez, Tim Prentice, Werner Reiterer, George Rickey, Michael Sailstorfer, Richard Serra, Roman Signer, Max Sudhues, Jean Tinguely, Gilbert Geister, Thomas Klegin, Matthias Schamp, Axel Schweppe, Roi Vaara, Christian Hasucha, Helmut Dick, MC o.T. , Kim Zieschang ...