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Eröffnung: Fr, 25. November 2016, 18 Uhr, mit einer Performance von Sophie Jung, 19 Uhr und anschliessender Party, 22 Uhr
Performance Sophie Jung: Do, 8. Dezember 2016, 19 Uhr
Finissage / Führung II: So, 12. Februar 2017, 15 Uhr, mit einer Performance von Sophie Jung, 16 Uhr

Mit Kevin Aeschbacher, Ramon Feller, Nelly Haliti, Sophie Jung, Jan Vorisek/Anina Troesch

Bei vielen Positionen im gegenwärtigen Kunstschaffen ist zu beobachten, dass Kunstwerke als offener Prozess verstanden werden, die in ihrer Form beweglich sind und Impulse direkt aufnehmen oder wiedergeben. «Unmittelbare Konsequenzen» konzentriert sich auf dieses Performative, Spielerische und Prozesshafte und vereint hierfür unterschiedliche Positionen junger Schweizer Kunst. So stark sich die Arbeitsweisen von Kevin Aeschbacher, Ramon Feller, Nelly Haliti, Sophie Jung und Jan Vorisek mit Anina Troesch unterscheiden, so differieren auch ihre Beiträge. Mit Performances, interaktiven Arbeiten sowie Installationen befragen sie sowohl zeitliche, räumliche, materielle als auch soziale Strukturen, wobei das Transitorische und die Bewegung im Blickpunkt bleiben: Momente, in denen sich Formen zu Affekten modifizieren, Elemente animiert werden, Prozesse der Steuerung hervortreten und das Zufällige sich entfalten kann ­– trotz Rekurs auf traditionelle Gattungen wie Malerei oder dem Einbezug von Objekten. «Unmittelbare Konsequenzen» ist eine Ausstellung, die in jedem Augenblick eine andere Form annehmen kann und das Unmittelbare ins Zentrum rückt.

Auftakt der Ausstellung bilden Arbeiten von Kevin Aeschbacher und Ramon Feller, die eine kühle, saubere Ästhetik teilen, thematisch aber unterschiedliche Akzente setzen. Kevin Aeschbacher beschäftigt sich in seinen Werken mit Material- und Oberflächenbeschaffenheiten, wobei er bekannte Stoff- und Formreferenzen verfremdet wiedergibt. Beispielsweise sind in 037 Holz- und Wellblechstrukturen klar erkennbar, wenn auch Form und Materialität nicht übereinstimmen. Die Malereien fluktuieren zwischen Figuration und Abstraktion, Bekanntem und Fremdem. Eine Praxis, welche die Wahrnehmung der BetrachterInnen herausfordert.

Die Bildwelten zeichnet der Künstler zunächst am Computer und überträgt sie später minutiös in Öl auf Leinwand, womit das Spielerische manifest wird. Dennoch rufen die luftig angeordneten, sich überlappenden Bildelemente eine visuelle Haptik hervor, die Aeschbacher in «Unmittelbare Konsequenzen» um eine physische Begegnung erweitert: Skulpturale Elemente am Bildrahmen können bedient werden und mobilisieren die Material- und Raumwahrnehmung zusätzlich. Es ist erwünscht, dass die BesucherInnen (mit Vorsicht!) die magnetischen Prothesen versetzten und neue Zusammenspiele der Materialien und Formen mit dem Bild- und Ausstellungsraum erleben.

Ramon Feller verfolgt sein Interesse für unterschiedliche Zeiterfahrungen, Abhängigkeiten innerhalb von Systemen sowie Prozesse der Animierung mit zwei unterschiedlichen Arbeiten. In der Mitte des Raumes hängt Ittan Momen (2016), eine Aluminiumrolle, die sich über die gesamte Ausstellungsdauer zu einer eigenständigen Skulptur ausbreitet. Die Drehung der Rolle ist kaum wahrnehmbar, bildet aber eine der Vektoren, welche die Arbeit formt. Feller hat aber auch kulturelle Konnotationen von bewegtem Material im Blick, angesichts des eingravierten Yo Kai-Geisterwesens am Rollenanfang, das mit der Zeit in der Faltung verschwinden wird. In Japan visualisieren solche Geister die Seele von Alltagsgegenständen wie Geschirr oder Baumwollrollen.

Die zweite Arbeit besteht aus einer zahlenförmigen Tonskulptur, mit welcher Feller zeitliche Strukturen und Steuerungsmechanismen vorführt. Auf den kleinen Bildschirmen ist unter anderem eine Zeitzählung zu sehen sowie Filmmaterial über Wasserläufe, Menschenansammlungen oder Rotationen in der Galaxie. Alles Vorgänge, die Mengen, Massen und Zeitlichkeiten visualisieren. Der Künstler bricht diese Wahrnehmungen mit verschiedenen Programmierungen: Einerseits mobilisieren Zufallsgeneratoren die Skulptur, andererseits werden die Bewegungen der Monitore interaktiv durch die BesucherInnen ausgelöst.

Im mittleren Raum folgt eine Landschaft aus Objekten von Sophie Jung, die ganz anders als Aeschbachers und Fellers Werke funktioniert, obschon auch ihre Objekt- und Textassemblagen vermeintliche Gewissheiten herausfordern. Die Künstlerin arbeitet mit einem Sammelsurium an Materialien und Ausdrucksweisen, welche erst vor Ort zu fragilen Narrativen zusammenfinden. Mit Freude am Detail und Kuriosen stellt sie ungewohnte Verbindungen her zwischen Popkultur, Hochkultur, Autorschaft, Publikum, Data und Diskursen – und erzeugt so einen Raum für vorübergehende Definitionen, Bild- und Sprachspiele. Immer geht es aber auch um Machtverhältnisse, die in der Leichtigkeit der künstlerischen Praxis brutale und tragisch-komische Schatten werfen.

Sophie Jungs Entklassifizierung von stabil geglaubten Konzepten kann in Facts and Fingers (2016) auf verschiedenen Ebenen nachgegangen werden. Formal lässt sich beispielsweise eine Verbindung ziehen zwischen den fotografierten Knaben in Blumenverkleidung und der einblättrigen Blüte, die an der Baulatten-

vorrichtung neben dem Wort 'sexual' klebt. Viele Objekte verkörpern symbolische Gesten oder ikonische Kulturgüter: Der mintgrüne 'Self-Clasping Handshake' à la Ronald Reagan schwebt aufgespiesst auf der Zinkstange, Lippenstifte im hollywoodschen Korallenrot der verstorbenen Grossmutter umringen die CD-Tapete und ein signierter Trommelschlägel des verstossenen Beatle Pete Best lehnt am Körper eines Hundes. Wichtig im Schaffen der Künstlerin sind vor allem auch verbale Aktivierungen. Neben einem Text, der während der Ausstellungsdauer mehrmals ausgewechselt wird, zeigt Jung drei unterschiedliche Performances (25. November, 8. Dezember, 12. Februar), die sowohl improvisierte und interaktive Momente als auch Assoziationen aus dem Fundus der Künstlerin umfassen.

Gedanken und Eindrücke, die sich neu zusammenfügen, sind auch in der Installation von Nelly Haliti von Bedeutung. Die Künstlerin ist in erster Linie Malerin, arbeitet aber jüngst vermehrt mit Film, Foto und Programmierung. In der Kunst Halle präsentiert Haliti eine neue Serie Ölmalereien, kontrastiert mit einer digitalen Projektion auf Basis eines Real-Time-Textes. Die Serie Italic Sequence 1 mutet modernistisch an, da Form- und Farbspiele ausgeflacht dargestellt werden. Die Farbfeldmalereien, die an abstrahierte Landschaften erinnern, entstanden im Studio der Künstlerin in Rom. Das helle, natürliche Licht brachte die Sonne zurück in Halitis Malerei, was die Tektonik der Bildfläche stark beeinflusst. Haliti konstruiert die Bildelemente zunächst spielerisch auf Papier, bevor sie einen Ausschnitt in Öl auf Leinwand malt. Dabei soll die Dynamik der malerischen Spuren klar sichtbar bleiben.

Diese Malereien werden in der Ausstellung zur Projektionsfläche für die Arbeit Random Memory (2016-2017). Tagebuchartige Assoziationen der Künstlerin, die während der Ausstellungsdauer laufend neu eingespiesen werden, begleiten die stimmungsvollen Bilder im Dreisekundentakt. Haliti programmierte selbst einen Zufallsgenerator durch den sich Wörter und Symbole mit den Bildern überlappen, was unvorhergesehene Bedeutungen schafft.

Im gleichen Raum realisieren Jan Vorisek und Anina Troesch unter dem Titel Your Madness is my Apartment (2016) eine ort- und zeitspezifische Arbeit mit offenem Ausgang. In performativer Praxis entwickeln sie parallel zur Ausstellungsdauer einen Werkkörper, der erweitert oder reduziert wird. Die beiden werden sich in eine Art Feedbackschleife begeben, die von verschiedenen Faktoren wie Wetter, Nachrichten oder persönlichen Ereignissen abhängt.

Bis Mitte Dezember war je eine Arbeit von Vorisek und Troesch zu sehen, welche die Ausgangslage für den gemeinsamen Arbeitsprozess bildeten. Voriseks Trolley (2016) bestand aus Materialien wie Metallresten, die für den Künstler typisch sind und konnte im Hinblick auf Themen wie Temporalität oder Mobilität gelesen werden. Ateliers und Wohnräume sind Transitzonen, oft müssen die Zelte neu aufgeschlagen werden. Diesem Wagen stand eine Stoffarbeit von Troesch gegenüber, eine organische Textillandschaft, die sich in der jetzigen Phase des Prozesses ausbreitete und zusammen mit einer Art Tischchen, das noch von Voriseks Trolley übrig blieb, an eine abstrakte Wohnszenerie erinnert. Die bespielte Fläche einer Einzimmerwohnung wächst ab dem 21. Januar zu einer grösseren Installation, möglicherweise mit Soundelementen.

«Unmittelbare Konsequenzen» präsentiert vielseitige Arbeiten aus dem aktuellen Schweizer Kunstschaffen, in welchem feste Formen und Wahrheiten verabschiedet werden. Die Beiträge der KünstlerInnen sind als Prozesse zu verstehen – als bewegliche Konglomerate aus Subjekten, Objekten, Assoziationen und Mechanismen, deren Elemente sich gegenseitig anstossen. Dabei wird das Ungreifbare und Ephemere zelebriert.

Kevin Aeschbacher: 1988 in Zürich, lebt und arbeitet in Zürich.
Ramon Feller:
1988 in Uster, lebt und arbeitet in Zürich und Basel.
Nelly Haliti: 1987 in Martigny, lebt und arbeitet in Genf.
Sophie Jung:
1982 in Luxembourg, lebt und arbeitet in Basel und London.
Jan Vorisek: 1987 in Basel, lebt und arbeitet in Zürich.
Anina Troesch:
1987 im Emmental, lebt und arbeitet im Emmental.