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Eröffnung: Freitag, 27.06.08, 19.00 Uhr

Pressetext:

Hochhausfassaden, Meteorologie, optische Täuschungen, Godard, Plattencover, Spam-Mail, dämonische Kräfte, Balkons, Darkrooms, New American Cinema, Klossowski, Teleshops: Mit der Doppelausstellung „DAUGHTERS OF TIME“ treten Ursula Döbereiner und Bertrand Lamarche einen halluzinogenen Trip durch die Hinterlassenschaften der Moderne an. Angesiedelt zwischen physikalischem und bewusstseinserweiterndem Experiment, Aufklärung und Vision schafft „DAUGHTERS OF TIME“ Raum für unterschiedliche Projektionen.

So überblendet die Berliner Künstlerin Ursula Döbereiner in ihren tapezierten Wandarbeiten und Zeichnungen den Ausstellungsraum mit fiktiven und semi-abstrakten urbanen Szenarien, in denen Sprache und Architektur miteinander verschmelzen. Durch eine 3-D-Brille betrachtet werden im All-Over von roten und blauen Linien sich überlagernde architektonische Module und Worte dreidimensional wahrnehmbar – als buchstäblicher wie auch struktureller Text, in den der Betrachter eintauchen kann. Hierbei greift Döbereiner ebenso Werbung von Fassaden oder Geschäften oder dem Internet wie auch die Titel von elektronischen Alben von Bands wie „Cluster“ oder „White Noise“ auf. Der dreidimensionale Effekt verbindet sich mit der Erfahrung von Geschwindigkeit, Rhythmus und Tiefe.

La Réplique, die Installation des Pariser Künstlers Bertrand Lamarche, assoziiert sich mit übersinnlichen Erscheinungen und verweist zugleich auf kinetische Experimente, die die Kunst seit der Moderne beschäftigen. Inspiriert ist die Arbeit von der Figur des Baphomet, einem Götzen, die im 15. Jahrhundert vom Templerorden verehrt wurde und die der Magier und Okkultist Eliphas Lévi Zahed im 19. Jahrhundert erstmalig als Dämon mit gehörntem Ziegenkopf, weiblichen Brüsten und einem Pentagramm auf der Stirn darstellte. Die Figur vereint Gut und Böse, Mensch und Dämon, Frau und Mann, Mensch und Tier. In „Der Baphomet“, dem 1965 veröffentlichten Roman des Schriftstellers und Künstlers Pierre Klossowski taucht er als androgynes, knabenhaftes Idol auf, als verführerischer „Prinz des Wandels“, der zum Idol kultischer Verehrung wird.

In seiner Installation transformiert Bertrand Lamarche dieses Motiv zu einer visuellen Erfahrung. In einem abgedunkelten Raum wird der Besucher mit einer geisterhaften Projektion konfrontiert, die durch einen auf eine bewegte, reflektierende Metallscheibe gerichteten Strahl erzeugt wird. Erscheinen, Verschwinden, Verschwunden-Sein, Neu-Auftreten: Die amorphe Lichtskulptur gleicht dem Ektoplasma, das die Spiritisten des auslaufenden 19. Jahrhunderts festhielten, oder den paranormalen Erscheinungen in Tobe Hoppers „Poltergeist“. Ätherisch und erotisch ambivalent spielt Lamarches „La Réplique“ auf unbewusste Ängste, Begierden und Besessenheit an und hinterfragt zugleich geschlechtliche und kulturelle Normen.

Ursula Döbereiner studierte an der HdK in Berlin und war Meisterschülerin bei Raimund Gierke. Ihre Arbeiten waren seit 1992 in zahlreichen Ausstellungen zu sehen. Zu ihren jüngsten Einzelpräsentationen zählen „fluffy minimalism“ (mit Sabina Maria van der Linden, 2007) und „POSTER_BOX, Teil 2“ (2004) bei Laura Mars Grp., Berlin sowie die Installation „spaces into spaces“ auf der Frieze Art Fair in London (2006). Ihre Zeichnungen und Installationen wurden in Gruppenausstellungen wie „PAPERDRESS /LA GRANDE MOTTE / ESC006“ (zusammen mit Bettina Allamoda und Katharina Schmidt, Projektraum Deutscher Künstlerbund, Berlin, 2007), „STORYLINES“ (Kunstverein Göttingen und Kunstraum München 2006, Public>, Paris, 2005), „YOU WON’T FEEL A THING: über Panik, Obsessionen, Empfindungslosigkeit und Ritualität“ (Kunsthaus Dresden, 2006) sowie „ORTSBEGEHUNG 6 – paper marks“ (mit Marc Brandenburg und Ueli Etter, Neuer Berliner Kunstverein, 2000 und Badischer Kunstverein, Karlsruhe, 2001) gezeigt und zuletzt in dem Katalog „frauen/hier/musik/paranoia/poster/spaces/UND/zuhause“ (Maas Media Verlag, Berlin, 2008) ausführlich besprochen. Zwischen November 2007 und Ende April 2008 war Ursula Döbereiner als Stipendiatin der Berliner Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten in Paris (Cité des Arts) tätig, wo sie ihre neuesten Arbeiten entwickelte, die nun in der Ausstellung „DAUGHTERS OF TIME“ bei SEPTEMBER zu sehen sind.

Bertrand Lamarche studierte in der Villa Arson in Nizza bei Christian Bernard. Seine Installationen und Objekte waren seit 1993 in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen zu sehen, unter anderem „The Double Twin“ im Centre Régional d’Art Contemporain in Sète, „Vortex Lounge“ im Point Éphémère in Paris (2006), „The P.L.O.T.“ im Musée des Beaux-Arts in Nancy (2005), „Paysages Divers“ im Centre d’Art Contemporain in Annemasse, Absolumental 2 in Les Abattoirs in Toulouse, „Nice to meet you“ im Mamac in Nizza (2007), „Rencontres Internationales des Arts multimédia“ in Marseille, „Absolumental“ in Les Abattoirs in Toulouse, „Wallpaper 3D“ im Le Dojo in Nizza sowie „Sciences Fictions“ in der Galerie Aline Vidal in Paris (2006) gezeigt. Bertrand Lamarche hat einen Lehrauftrag an der École nationale supérieure d’architecture Paris-Malaquais. Er lebt und arbeitet in Paris.

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DAUGHTERS OF TIME
Ursula Döbereiner / Bertrand Lamarche